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Steckbrief
Name: Ulf Schneider Alter: 37
Berufsausbildung:
1989 - 1993 VWL-Studium an der Universität Würzburg
1994 - 1998 Wechsel zum Soziologie-Studium an der Universität Würzburg

Berufliche Tätigkeiten:
1993 - 2006 Freier Journalist für folgende Fachzeitschriften (Auswahl):
Computer Bild, Mega Fun (Leitender Redakteur), PlayStation Games (Leitender Redakteur), T3, Bravo Screenfun, Tomorrow, Bravo, playKULT (Chefredakteur), Die Welt, BRAVO.de, Handy Magazin (Chefredakteur), Xonio, Süddeutsche Zeitung, Wissen.de, Com! Online, Mobile Zeit (Chefredakteur)

Interview vom 02.01.2015

?: Hallo Ulf! Vielen Dank, dass du uns nach so vielen Jahren ein zweites Kurz-Interview gibst. Was hat sich bei dir in den letzten Jahren ereignet?
us: Ich habe mich seit meinem offiziellen Ausstieg aus der Videospielbrache im Jahr 2000 vor allem dem Testen von Mobiltelefonen gewidmet und dadurch ein paar fantastische Jahre während der Dot.com-Ära erlebt. Was da an Budgets für Presseevents rausgehauen wurde, war schlichtweg ein Wahnsinn! Dadurch hatte ich beispielsweise einmal das Vergnügen 1. Klasse nach Peking zu fliegen und frische Spiegeleier im Flieger zu genießen. Verrückt...

Auch die CeBIT-Messen bis zum Jahr 2002 waren ein unvergleichbares Erlebnis mit unzähligen Partys und einer dekadenten „Was-kostet-die-Welt“-Stimmung – bis 2002 der Markt schließlich binnen kürzester Zeit zusammenbrach und ich wieder vom Nullpunkt anfangen musste. Bis 2010 war ich aber nahezu kontinuierlich Chefredakteur von einigen Mobiltelefon-Fachmagazinen, wie Mobile Zeit. Meine einzigen Berührungen mit Videospielen waren seit dem Handygames, die mittlerweile ein großer Wirtschaftsfaktor in der Branche geworden sind. 2008 entschied ich mich zudem, beruflich etwas komplett Neues zu wagen: Ich wurde Herausgeber von „Elbgeflüster“, dem einzigen Auslagemagazin für den Landkreis Meißen, was in finanzieller Hinsicht die vielleicht beste Entscheidung meines Lebens war, zumal ich endlich nicht mehr von technischen Markttrends abhängig bin. Ich teste aber auch weiterhin noch Smartphones und Tablets für Online-Portale.
?: Wie siehst du das Thema Retro heute?
us: Ich beobachte die immer größer werdende Retro-Szene seit kurzem sehr genau und bin in diesem Bereich auch wieder aktiv. Diese Bewegung ist eine logische Konsequenz, da mittlerweile über 30 Jahre vergangen sind, seit dem die „Telespiele“ den heimischen Markt eroberten und Videospieler der ersten Stunde nicht nur nach vorne blicken. Ich empfinde es als sehr wichtig, dass die Retro-Szene diese Ära als ein Kulturgut pflegt. Ich habe mir vor kurzem ein Arcade G88 Automaten mit 2.100 Klassikern aus den 70ern bis 2000ern aus China bestellt, um die goldene Videospiel-Ära genießen zu können – und auf einmal war wieder dieses Leuchten in meinen Augen...
?: Verfolgst du eigentlich gewisse Kickstarter-Projekte? Wenn ja, hast du auch schon welche unterstützt?
us: Das überlasse ich besser den Nerds, die sich damit auskennen, wobei dieser Begriff spätestens seit der Serie Big Bang Theory immer weniger negativ belegt ist, zumal sich viele Künstler wie Pharrell Williams selbst sogar mit Stolz als Nerd bezeichnen – und nicht wenige davon sind auch Liebhaber dieser Retro-Games.

Ich selbst möchte dieser Retro-Szene lieber als Zeitzeuge hilfreich sein und beispielsweise auf Retro-Messen für Interviews zur Verfügung stehen – vermutlich sogar auf der kommenden GamesCom in Köln.
?: Wie stark hat sich dein Leben durch das Internet verändert?
us: Lustig, dass Ihr mir diese Frage jetzt stellt, denn vor 20 Jahren wurde mein Leben das erste Mal Online. Als Videospiel-Redakteur habe ich schnell die Vorteile zu schätzen gelernt, denn schon Mitte der Neunziger Jahre luden wir in der Redaktion viele Fotos und Infos aus dem Internet, um über Aktuelles aus den USA und Japan zu berichten – dafür brauchte man damals allerdings noch viel Geduld. Der Informationsfluss durch die E-Mail erleichterte ebenfalls vieles. Den Übergang vom analogen zum digitalen Zeitalter habe ich durch meinen Job somit damals hautnah miterleben dürfen und man gewöhnte sich auch sehr schnell daran, dass man tagsüber nicht mehr als erstes zum Telefonhörer griff, sondern erst einmal die E-Mail abrief. Die Frage sollte daher eher sein: Wie sehr würde sich Dein Leben verändern, wenn Du kein Internet mehr hättest?

Durch die Smartphones als eine Art technologischer Schwamm ist das Internet mittlerweile sogar Omnipräsent, was zu einigen negativen Auswirkungen führt. Die ewige Erreichbarkeit sorgt für Stress und wenn ich in einem Restaurant sitze und vier Teenager sehe, die alle gebannt auf das Display starren, dann geht mir unweigerlich der Satz „Früher war alles besser“ durch den Kopf.
?: Liest du überhaupt Retro-Zeitschriften wie zb. die RETURN oder Retro Gamer?
us: Ich habe kürzlich ein Abo bei der Zeitschrift RETURN abgeschlossen und finde viele Storys dort sehr spannend.
?: Wieso sterben in Deutschland die Spielezeitschriften langsam aus und welches Magazin ist momentan dein Favorit?
us: Der Bereich Print ist im Allgemeinen bereits seit vielen Jahren stetig rückläufig, wobei die einzigen Ausnahmen noch aus dem Bereich Special Interest und regionale Presse kommen, wie beispielsweise das Magazin „Landlust“.

Gerade der Bereich Videospiele ist mittlerweile mit dem Internet fest verankert, sodass es für die Fachmagazine immer schwerer wird Hefte an den Mann/Frau zu bringen, wenn man nahezu alles kostenlos und aktueller im Internet bekommt – plus die wichtigen Videos und Links. Daher stellen sich alle Medien mittlerweile auch crossmedial auf: Print, Online und Social Media.

Ich kann mich übrigens noch sehr gut daran erinnern, als 1999 erstmals zu einem Presseevent ein Online-Redakteur eingeladen wurde. Damals war er noch ein absoluter Exot und mittlerweile Gang und Gebe.
?: Danke für das Interview Ulf, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.

Interview vom 21.08.2006

?: Fangen wir mal von ganz vorne an: Wie hat deine Karriere begonnen als Redakteur?
us: Das war so eine typische Ulf-Geschichte: Ich habe 1991 gerade angefangen ernsthaft in Würzburg zu studieren, als ich im Fachmagazin Videogames - das war damals ja mehr oder weniger das einzige Infoblatt für Videospiel-Junkies - die Anzeige von einem so genannten Off-Videospiel-Fanclub in Würzburg las. Daraufhin setzte ich mich gleich aufs Fahrrad, fuhr zur beschrieben Adresse, klingelte an der Tür und stellte mich einem gewissen Herrn Uwe Kraft mit den Worten "Ich habe gelesen, dass Du einen Videospielclub organisiert und würde gerne mithelfen!" vor. Er guckte ziemlich blöd, ließ mich aber dann doch in seine Wohnung rein, um mir dann zu offenbaren, dass es den Club eigentlich nicht mehr gibt. Durch diese "Haurock-Methode habe ich übrigens auch zwei Jahre zuvor meinen ersten Studentenjob bei Sega in Hamburg bekommen - eine herrliche chaotische Zeit!

In den kommenden Wochen habe ich ihn schließlich so lange belöffelt, bis wir ein neues Fanzine ins Leben riefen: die Mega Fun. Die erste Amateur-Ausgabe erschien schließlich im Juni 1992 und stach in punkto Aufmachung alle bisherigen Fanmagazine aus, da wir damals die einzigen waren, die professionell drucken ließen und sogar einige bezahlte Farbanzeigen von namhaften Firmen drin hatten. Diese Anzeigen waren allerdings auch bitter nötig, denn die Auflage von insgesamt 1.000 gedruckten Exemplaren mussten schließlich irgendwie bezahlt werden. Unter dem Strich war die Mega Fun während der Amateurzeit dennoch ein ziemliches Zuschussgeschäft. Es sind übrigens insgesamt sechs Amateur-Ausgaben erschienen, die mittlerweile einen ziemlich hohen Wert haben.

Dass sich die Mühen und Investitionen dennoch lohnten, haben wir schließlich dem Computec Verlag zu verdanken. Nachdem die Videogames über unser Magazin lobend berichtete, wurde der Verlag aus Nürnberg auf uns aufmerksam, da sie gerade nach einem Team für ein reines Videospiel-Magazin suchten. Wir trafen uns schließlich mit den Machern vom Computec Verlag auf der Nürnberger Spielwarenmesse, redeten eine gute Stunde lang, bis schließlich klar war, dass die Mega Fun ins Profilager wechseln wird.

Ehe ich mich versah, musste ich also mit einem aufgestockten, reinem Amateur-Team als Leitender Redakteur binnen vier Wochen eine komplette Ausgabe aus dem Boden stampfen - eine brutale Zeit mit verdammt wenig Schlaf! Im Mai 1993 war es schließlich soweit, und auch wenn das Mag alles andere als gut war, überwog der Stolz.
?: Die Play Time wurde immer wegen den hohen Spielewertungen, schlechten Fotos sowie deren Schreibstil kritisiert, was meinst du dazu?
us: Zum Thema Schreibstil und Spielbewertungen möchte ich mich nicht zu äußern, denn letztendlich ist das auch reine Geschmacksache. Zum Thema Fotoqualität kann ich aber einiges zu beisteuern. Als ich 1992/93 beim Computec Verlag anfing, kamen gerade die ersten Grabber-Karten für PCs auf dem Markt, mit denen man Screenshots direkt auf dem Rechner ablegen kann - damals eine kleine Revolution! Vorher musste man ja noch mit einer Kamera Standbilder abfotografieren - ziemlich ätzend!

Der Übergang von der Kamera zur Grabber-Karte verlief aber bei Play Time nicht gerade optimal, weswegen beim ersten "Versuch" viele Screenshots wie undefinierbare dunkle Brocken aussahen. Nach der heftigen Kritik daran bekam der Verlag dieses Problem aber schnell in den Griff und präsentierte in der nächsten Play Time-Ausgabe wirklich tadellose Screenshots mit Hilfe der Grabber-Karte. Um die verärgerte Leserschaft wieder milde zu stimmen, bestand das Cover übrigens fast ausschließlich aus Screenshots.
Dass Play Time trotz dieses mehr oder weniger einmaligen Ausrutschers diesen negativen Ruf weg hat, liegt meines achtens daran, dass Leser nicht so schnell verzeihen. Hast Du erst einmal Deinen Ruf weg, dauert es lange, bis Du die Leserschaft vom Gegenteil überzeugt hast.
Beim Debüt der Mega Fun hatten wir übrigens ähnliche Probleme. Aufgrund eines defekten Scanners hatte ein Großteil der Fotos einen üblen dunklen Blaustich. Obwohl wir ab der zweiten Ausgabe mit der Grabber-Karte fortan exzellente Screenshots abdruckten, dauerte es sehr lange, bis die Verkaufszahlen wieder das Niveau der ersten Ausgabe erreichten.
?: Bist du damals zufällig mal Reinhard "Rossi" Rosshirt über den Weg gelaufen? Es besteht ja das Gerücht, dass es ihn gar nicht gibt!
us: Oh ja, Rossi gibt es sehr wohl! Ich bin mehrfach begegnet. Ein netter, wenngleich recht kauziger Typ, der an eine Mischung aus Heavy Metall-Freak und dem Zauberer Gandalf aus Herr der Ringe erinnert. Er hatte sein Büro stilgerecht in einer recht entlegenden Ecke, vollgestopft mit allerlei Heavy Metall-Devotionalien. Ein echter Freak mit einer coolen Schreibe halt...
?: Eine Zeitlang gab es ja auch "Play Time TV" auf RTL2, warum scheiterte die Show? Vor allem in welchem Ausmaß war der Verlag und insbesondere die Zeitschriftenredaktion überhaupt in das Projekt eingebunden?
us: Auf Play Time TV habe ich mich damals sehr gefreut, doch leider hat das TV-Format den gleichen Fehler gemacht wie alle vorherigen Videospiel-Gehversuche im Fernsehen. Videogames wurden damals als reiner Kinderkram angesehen und dementsprechend eindimensional präsentiert. Statt coolem Hintergrundinfos und spannenden Reportagen zockten lediglich Kids irgendwelche aktuellen Games gegeneinander. So etwas hat doch auf Dauer viel zu wenig Substanz! Wie hoch der Einfluss des Verlages auf das TV-Format war, weiß ich nicht, letztendlich aber wohl viel zu wenig, denn dieser infantile Stil passte doch überhaupt nicht Print-Magazin.
?: Warum wurde damals eigentlich die Play Time eingestellt?
us: Weil das Prinzip "Ein Magazin für alle Systeme" nicht mehr funktionierte. Nach und nach haben sich die Singleformat-Magazine, wie beispielsweise PC Games oder PlayStation Games durchgesetzt, da die meisten Zocker nun einmal nur ein System besitzen. Mit die einzige rühmliche Ausnahme ist das langjährige Multiformat-Magazin Maniac, da die Macher sich stets auf die anspruchsvollen Freaks konzentriert haben und ihre Politik konsequent durchgezogen haben. Dafür zolle ich dem Verlag großen Respekt.
?: Wie viel verdiente man damals als Redakteur?
us: Na, über Geld spricht man doch nicht! Da ich nie angestellt war, sondern stets nach Leistungen bezahlt wurde, bin ich ohnehin nicht der Maßstab. Nur soviel: Mein Anfangshonorar lag bei 3500 Mark pro Monat plus X. Während der Hochblüte der New Economy-Ära habe ich zeitweise geradezu unchristlich viel Geld mit der Schreiberei verdient, doch von solchen Beträgen, getragen von der allgemeinen wirtschaftlichen Euphorie, kann ich heute nur noch von träumen.
?: Wie viel Prozent hast du von deiner Arbeitszeit gespielt und wie viel hast du geschrieben?
us: Da ich ständig mit der Organisation des Heftes beschäftigt war, inklusive Korrekturlesen und Seitenplanung, zockte ich vielleicht nur 20 bis 30 Prozent meiner gesamten Arbeitszeit. Die eigentlichen Tests habe ich ohnehin oftmals zu Hause erledigt, da mir tagsüber schlichtweg die Zeit dazu fehlte.
Als ich Leitender Redakteur von zwei monatlichen Magazinen war (Mega Fun & PlayStation Games), gab es kaum ein Wochenende, an dem ich frei hatte. Gemeckert habe ich dennoch selten, denn die Grenze zwischen Arbeit und Spaß war in diesem Job sehr fließend.
?: Hattest du da damals geregelte Arbeitszeiten? Oder wie darf man sich das Redaktionsleben vorstellen? Beschreibe mal einen Tagesablauf.
us: Als Selbstständiger (ein so genannter "fest Freier"), unterlag ich keinen festen Arbeitszeiten, wenngleich die Fülle der Arbeit einem schon geregelte Arbeitszeiten diktierte.
Meistens bin ich erst zwischen 9 und 10 Uhr aufgestanden. Bevor ich dann die ersten Zeile geschrieben habe, respektive die Konsole anschmiss, verschaffte ich mir erst einmal einen Überblick über die Tagesaufgaben, die ich allesamt in meinen Timer geschrieben habe - das letztendlich wichtigste Arbeitsutensil! Danach folgte ein bunter Mix aus Schreiben, Telefonieren, Organisieren und natürlich auch Zocken. "Dienstschluss hatte ich selten vor 18 Uhr. Und vor einem Abgabetermin ging ich nicht selten erst nach 0 Uhr nach Hause.
?: Wie lange wurde ein Spiel normalerweise getestet (insbesondere Rollenspiele!)? Benutzte man da auch öfters Cheats um schneller fertig zu werden?
us: Ich habe so gut wie nie Rollenspiele getestet, insofern war ich nicht der absolute Hardcore-Zocker, der sich durch nächtelangen Sessionen viereckige Augen glotze. Im Schnitt würde ich sagen, habe ich ein Spiel drei Stunden lang getestet. Letztendlich hängt die Zeit aber maßgeblich vom Genre und der gebotenen Spieltiefe ab. Cheats habe ich so gut wie nie benutzt, da der Spielreiz dadurch massiv leidet und das Urteilsvermögen somit dadurch massiv getrübt wird.
?: Hast du noch andere Arbeiten gehabt außer Spiele testen?
us: In den ersten Jahren habe ich ausschließlich für alle möglichen Verlagshäuser Spiele getestet und das ein oder andere Magazin gemanagt. Seit 1999 habe ich mich aber zunehmend zum allgemeinen Fachjournalisten für Unterhaltungs- und Telekommunikationselektronik weiterentwickelt. Mittlerweile teste ich als Chefredakteur des Fachmagazins Mobile Zeit fast ausschließlich Handys - CeBIT statt E3 also...
Ich finde diese Branche sehr spannend, da Handys mittlerweile die absoluten Innovationsträger geworden sind und quasi wie ein Schwamm alle Technologien aufsaugen - inklusive den Videospielen. Ich sag nur Nokia N-Gage.
?: Nach welchen Kriterien wurde das Cover gewählt?
us: In erster Linie - wie bei allen Medien - nach populistischen Kriterien. Das jeweils angesagteste Spiel war gleichzeitig auch immer der erste Kandidat für das Cover. Die Coverwahl war aber auch gleichzeitig oftmals auch ein Politikum, bei dem man Deals mit den Herstellern aushandelte, frei nach dem Motto "Mach bitte dieses Cover und Du kriegst im Gegenzug dieses Game exklusiv vor den anderen". Einmal hat uns die Firma Acclaim bei solch einem Deal aber kräftig über den Tisch gezogen, indem sie das vermeintlich exklusives Covermotiv (NBA Jam) parallel auch einem anderen Magazin verkauft haben. Den Zorn des Computec Verlages kann man sich in etwa vorstellen...
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Testberichte mit euren verglichen?
us: Logisch, das war Pflicht! Schon alleine, um die einzelnen Spielbewertungen miteinander zu vergleichen. Dass dabei viel Gelästert wurde, kann man sich sicherlich denken.
Mindestens genauso spannend waren aber auch die EVTs (Erstveröffentlichungstermine) der Mitbewerber. Diese musste man wissen, um sich nicht in die Quere zu kommen bzw., um strategisch planen zu können. Ein EVT direkt nach der E3-Messe und einige Tage vor der Konkurrenz brachte und bringt beispielsweise einige Tausend Leser mehr ein - und sorgte für einige durchgearbeitete Nächte...
?: Hast Du noch Kontakt zu alten Redaktions-Kollegen?
us: So gut wie überhaupt nicht, da ich in einer anderen Branche arbeite. Es ist aber interessant zu sehen, dass einige Ex-Redakteure, die ich damals eingearbeitet habe nun als PR-Manager bei einem Software-Hersteller arbeiten.
?: An welche/n Test/s kannst du dich noch gut erinnern, und welches Spiel hat dich damals am meisten aufgeregt?
us: Eine Game sticht eindeutig hervor: Landstalker für das Mega Drive. Nicht nur, dass dieses Action-Adventure vor Spielwitz nur so sprühte und es eine für damalige Verhältnisse sehenswerte, isometrische 3/4-Grafik bot, es ist auch das einzige Spiel zu dem ich das offizielle Lösungsbuch geschrieben habe. Ich musste das mit einem kleinen Team in gut zwei Wochen über die Bühne bringen, was ein Kraftakt sondergleichen war. In dieser Zeit bin übrigens das einzige Mal vor dem PC eingeschlafen.
Ich habe mich über einige Games aufgeregt, vor allem über miese Filmumsetzungen, bei dem das ganze Budget offensichtlich für die Lizenz draufging. Ich kann mich aber noch gut an Donkey Kong Country 64 erinnert. Zu dieser Hüpforgie habe ich eine Komplettlösung für die Bravo Screenfun geschrieben, und ich konnte trotz größer Mühen eine Banane schlichtweg nicht ergattern und somit das Spiel nicht zu 100% lösen - Grrrr! Das Game selbst war aber prima.
Die schlechteste Bewertung, die ich jemals vergeben habe, waren 9 von 100 Prozent bei der futuristischen Klopperei "Rise of the Robots" für den Game Gear. Ein furchtbarer Murks!
?: Welches System war damals dein Liebling, und welche besitzt du heute noch? Benutzt du diese noch, und wenn ja, wie oft?
us: Jetzt kann ich es ja sagen: Ich war schon immer ein Sega-Fan. Das ist halt historisch gewachsen, da ich bereits zu Studentenzeiten dort spannende Ferienjobs hatte, unter anderem während der Anfangsphase der legendären Sega Hotline. Aus diesem Grund waren stets die Sega-Konsolen meine Lieblinge, außer dem Saturn, denn das war per se eine Fehlentwicklung. Das Dreamcast hingegen war eine tolle Konsole mit vielen innovativen, ja weg weisenden Ideen (Internetzugang!). Es wurde aber letztendlich schlecht vermarktet - und der Name war auch seltenblöd.
Heute habe ich abgesehen von einer Uralt-PlayStation noch ein Vectrex aus dem Jahr 1982. Diese Box mit der spartanischen Vektorgrafik ist für mich die kultigste Konsole überhaupt - und der eingebaute Asteroids-Klone Mine Storm ist nach wie vor ein Spiel wert!
Da bei mir mehrfach eingebrochen wurde, ist ansonsten leider nicht mehr viel übrig geblieben.
?: Was hältst du von Emulation? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?
us: Allein um in Erinnerungen zu schwelgen sind Emulatoren eine prima Sache. Ich habe einen Atari VCS 2600-Emulator auf meinem Rechner, und hin und wieder lade ich mal ein Game, um mit Erstaunen festzustellen, das einem dieser primitive Pixelsalat noch vor 25 Jahren ungemein gefesselt hat.
Es gibt zwar Oldies mit einem unverwüstlichen Spielcharme á la Tetris, doch in der Regel ist man enttäuscht, wenn man nach langer Zeit wieder ein uraltes Spiel zockt. Elevator Action ist so ein Beispiel. Gott, was habe ich dieses Spiel damals geliebt! Als ich dann Ende der Neunziger das Actiongame nochmals auf der PlayStation in einer 1:1-Version zocken konnte, war ich ziemlich enttäuscht. Manchmal ist es besser, ein Spiel nicht mehr anzurühren, sondern es einfach nur in guter Erinnerung zu behalten.
?: Wie beurteilst du den derzeitigen Zeitschriften- und Spielemarkt?
us: Den aktuellen Zeitschriftenmarkt kenne ich nicht sonderlich gut, mir fallen aber die Life Style-Hefte á la Edge in diesem Segment positiv auf. Tolle Optik, anspruchsvoller Journalismus und vor allem haben die Macher auch mal eine gewisse Distanz zum Videogaming, was für einen neuen Blickwinkel und gute Reportagen sorgt.
Beim Spielemarkt finde ich den hohen Grad an Interaktivität, insbesondere bedingt durch das Internet sehr positiv. Mit Innovationen wie EyeToy oder dem Quiz-Game Buzz ist außerdem frischer Wind in die Szene gekommen, der auch dafür gesorgt hat, dass der Frauenanteil endlich höher ist. Und davon abgesehen ist Singstar wirklich der absolute Partybrüller!
?: Was müsste geschehen, damit die heutigen Spiele auch wieder "kultig" werden können?
us: Kult kann man nicht planen, es entsteht aber gegebenenfalls, wenn frische Ideen auf eine hohe Spielkultur prallen. Ich wünsche mir daher, dass Hersteller weiterhin den Mut für neue, auch mal schräge Ideen aufbringen, denn nur neue Impulse bringen einen Markt weiter voran und lassen dadurch auch neue Kultspiele entstehen.
?: Wie denkt du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du Retro?
us: Das damals und heute kann man schon deshalb nicht miteinander vergleichen, weil man nun einmal älter wird und sich somit auch das Verhältnis zu Videospielen ändert. Klar, war es eine geniale Zeit, als ich noch ein jünger Hüpfer war und jedes Game für mich ein Heiligtum darstelle. Im Laufe der Jahre verklären sich die Erinnerungen aber zunehmend. Ich denke, dass das Spielniveau heutzutage sogar noch höher ist als vor zehn Jahren, da der Aufwand immer größer wird. Die Videospielindustrie ist mittlerweile renommiert, absolut professionell und hat von den Umsätzen her nicht ohne Grund die Filmindustrie locker überflügelt.
Egal aber, ob 70er, 80er, 90er oder aktuelle Szene, jede Videospielepoche hat seinen ganz eigenen Pioniergeist - und das ist auch gut so.
?: Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
us: Was Kultboy macht ist meines achtens eine Form von Kulturpflege, und das finde ich prinzipiell sehr löblich. Ich war des Öfteren im Videospiel Museum in Berlin und habe daher große Achtung vor dem Kurator Andreas Lange, der das mehr oder weniger ehrenamtlich macht.
So lange man sich nicht wie ein verbitterter Rentner verhält, der stets darauf pocht, dass "damals doch alles besser gewesen sei", finde ich eine objektive Geschichtspflege sehr gut - schließlich schmunzelt jeder auch gerne mal über seine "Jugendsünden".
?: Danke für das Interview Ulf, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.


Interviewer war Kultboy. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Ulf Schneider,
eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (14)Seiten: [1] 
03.01.2015, 13:53 kultboy [Admin] (11495 
Er meinte das die 2/93 die letzte Amateur-Zeitschrift von der Mega Fun war und davor 5-6 noch gab, also passt das schon. Also insgesamt gab es nun 7 Amateur-Hefte, die auch alle hier online sind.
02.01.2015, 20:44 Evil (644 
Hattest du eigentlich wegen der Megafun vor der Computec-Zeit gefragt?
02.01.2015, 19:21 Frank ciezki [Mod] (3803 
Ich habe mir vor kurzem ein Arcade G88 Automaten mit 2.100 Klassikern aus den 70ern bis 2000ern aus China bestellt


Midlife-Crisis-Anschaffung der Generation Telespiel ?

Spass bei Seite.Gefällt mir, was der Mann hier von sich gibt.
02.01.2015, 18:30 kultboy [Admin] (11495 
Über die Feiertage hat uns Ulf ein kurzes Interview gegeben. Viel Spaß beim ergänzenden Interview!
11.05.2012, 13:29 Robstah (8 
Haha wie geil ist das denn? Der Ulf Schneider hat ein Cafè in meiner Stadt!
Und ich wusste bis heut nicht das es eben dieser Ulf Schneider (Redakteur usw.) ist...

Hier der Link zu seinem Cafè (Facebookseite) http://www.facebook.com/SchneidersRiesa
http://www.facebook.com/ulf.schneider.9

28.05.2009, 00:37 IcedEarth (2 
Interessantes Interview.
Wirklich schade um die Mega Fun übrigens, habe alle Ausgaben.
Meiner Meinung nach das beste deutschsprachige Konsolenmagazin nach der Man!ac (jetzt M!Games)
08.09.2006, 17:30 merlwein [Ehrenmitglied] (9 
Hallo Ulf!

Bin zwar sehr selten hier, aber die Leute sind nett und Du gehörst jetzt auch dazu. Freut mich! War ne interessante Zeit damals!

Grüsse
Michael Erlwein
27.08.2006, 09:54 Darkpunk (2940 
Sag ich´s doch: Die Video/Computerspieleindustrie hat die Filmindustrie längst überflügelt. Bei Produktionskosten von 260 Mill. $ für "Superman Returns" und einem US-Einspiel von 185 Mill. $ wundert mich das auch nicht. Die Kosten für Videospiele sind in den letzten Jahre zwar gestiegen, liegen aber denoch weit unter dem durchschnitt eines vermeintlichen Hollywood-Blockbusters. Auch wenn der Aufwand bei einigen Spielen ähnlich groß ist, dank des stetigen Wachstums* der Branche können hier noch fette Gewinne eingefahren werden.

"Hollywood" macht meines Wissens im Schnitt 8 Milliarden $ gewinn im Jahr. Hier gilt natürlich auch: Mal mehr, mal weniger. Bei der Spieleindustrie dürfte es schon die Ein oder Andere Milliarde mehr sein.

*GC: Mehr Besucher als je zuvor!

P.S.: Nettes Interview!
Kommentar wurde am 28.08.2006, 18:42 von Darkpunk editiert.
24.08.2006, 14:06 Gast
Ja, ich bin mir sicher, daß es UNSER Ulf Schneider war. Ungefähr vor einem Jahr in Sat-1 gezeigt. Herr Schneider mimte dort den Mörder (!). Ich war wirklich erfreut, daß ich ihn sehen konnte. Leider hab ich es nicht aufgenommen.
23.08.2006, 11:58 kultboy [Admin] (11495 
Bist du dir sicher das es DER Ulf Schneider war? Wenn ja, hat jemand dieses Video zufällig aufgenommen?
23.08.2006, 11:20 Gast
Herr Schneider ist wirklich Kult. Warum? Ganz einfach. Er ist vor einiger Zeit bei einem Sender in einer Gerichts-Show aufgetreten. Ich war anfangs verwirrt, als ich ihn dort sah. Wirklich cool. Hat das jemand auch gesehen? (er hat übrigens den Bösewicht gespielt...)
21.08.2006, 17:03 lonely-george (231 
Hey er hat Rise of of the Robots 9 % gegeben
21.08.2006, 15:00 KotzeMc (297 
...Amen.. Das Interview ist wirklich toll, danke @ Kulti
21.08.2006, 14:52 kultboy [Admin] (11495 
Auch hier möchte ich mich noch mal bedanken für das Interview! Ist wie ich finde, sehr gut geworden und zeigt doch das leben eines früheren Redakteurs sehr deutlich. Vorallem aber wie es früher war. Und das Rätsel um Rossi bleibt nach wie vor geheim, ist auch gut so...
Seiten: [1] 


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