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Das Interview wurde am 24.06.2009 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Martin Klaus
Alter: 44
Karriere: langjährig Systemadmin bei Internetprovider; Fachdozent LPIC



?: Fangen wir mal von ganz vorne an: Wie hat deine Karriere als Freier Redakteur bei der Amiga Games angefangen? Was hast du davor gemacht?
mk: 1992 hörte ich zufällig eine Radiowerbung, in der freie Mitarbeiter für eine neue Gamezeitschrift, die Amiga-Games, gesucht wurden, und habe einfach mal angerufen. Davor hatte ich einen handwerklichen Beruf erlernt und ausgeübt.
?: Kannst du dich noch an deinen allerersten Arbeitstag erinnern? Vor allem, wie war er?
mk: Nach besagtem Telefonat wurde ich in die Redaktion eingeladen, die gerade in ein Industriegebiet am Nürnberger Hafen umgezogen war. Alles war noch „Baustelle“, und als ich mich vorstellte, führte man mich zu einem jungen Mann, der in alten Jeans auf dem Rücken unter einem Schreibtisch lag und Schrauben anzog. Er stellte sich mir als Christian Geltenpoth vor, lud mich in sein Büro ein und drückte mir drei Disketten und eine kleine Mappe mit Screenshot-Dias in die Hand mit den Worten: „Mach doch da mal einen Testbericht zu dieser Prerelease. Soll nicht mehr als eine Spalte werden. Danach sehen wir weiter.“ Ich entgegnete: „Also wird hier nicht das Game getestet, sondern ich.“ Darauf Christian: „Nein, der Test kommt mit Sicherheit ins Heft, aber die Bewerber mit gutem und sicherem Schreibstil werden einfach mehr Aufträge bekommen.“ Ich fuhr nach Hause, sah mir die Sache an und machte mich an die Arbeit.
Einer der ersten Testberichte von Martin Klaus aus der Amiga Games 11/92
?: Welches war damals dein Lieblingsgenre, und was faszinierte dich daran so?
mk: Nachdem ich auf dem C64 „Flightsimulator II“ gesehen hatte, bin ich bei Simulationen hängen geblieben. Obwohl kein Computerprogramm alle Aspekte und Besonderheiten eines Fahr- oder Flugzeuges berücksichtigen kann und immer Schwerpunkte fokussiert, kann man „Erfahrungen“ sammeln, die die reine Lektüre nicht bietet. Wenn in Erlebnisberichten eines Jagdfliegers z.B. steht: „Ich kurvte ihn aus und schoss ihn ab“, kann das keiner wirklich nachvollziehen. Der Pantoffel-Pilot dagegen hat zumindest eine gewisse Ahnung, was da wirklich abgegangen ist.
?: Über welches Spiel hast du deinen ersten Test geschrieben?
mk: Die drei in der vorletzten Frage angesprochenen Disketten beinhalteten eine Vorversion des Klassikers „Flashback“.
?: Wie hast du die Kollegen in Erinnerung? War Christian Geltenpoth ein strenger Chef oder war alles mehr familär?
mk: Letzteres. Christian war auch bei Streitigkeiten sehr gerecht und ließ auf die Meinung seiner Tester nichts kommen.
?: Wieviel verdiente man als freier Redakteur?
mk: Da gebe ich die gleiche Antwort wie der Hersteller einer bekannten britischen Luxusautomarke auf die Frage nach der PS-Leistung seiner Wagen: Ausreichend.
?: Findest du, daß es riskant war, Ende 1992 ein weiteres Amiga-Magazin auf den Markt zu bringen?
mk: Über solche Marktstrategien habe ich mir nie Gedanken gemacht, aber im Nachhinein gab der Erfolg dem Verlag Recht, oder?
?: Was waren die skurrilsten Erlebnisse, die du mit deiner Zeit bei der Amiga Games verbindest?
mk: Rainer Rosshirt (Hi Rossi) hatte sich so rar gemacht, dass ich lange Zeit dachte, er sei ein ausgedachter Redaktionsgag. Alle anderen Festangestellten Redaktionsmitglieder waren mir bekannt und irgendwie traute ich mich nicht, nach Rossi zu fragen, weil ich wirklich dachte, danach brechen alle in schallendes Gelächter aus. Das Bild mit dem Helm hatte mich in meiner Meinung nur bestärkt. Aber schließlich lief er mir im Layout eines Nachmittags über den Weg und ich kann sagen: „Es gibt ihn tatsächlich!“
?: Wenn du heute die Möglichkeit hättest, würdest du etwas anders machen mit der Amiga Games als damals?
mk: Ist das eine Fangfrage? Nein, ich denke nicht, dass ich da etwas besser hätte machen können.
?: Hattest du noch andere Aufgaben außer Spiele-Testen?
mk: Nein. Naja... jein... ab und zu war ich am Layout meiner Artikel beteiligt.
?: Wie darf man sich einen Arbeitstag vorstellen? Wie lief das so ab?
mk: Ich als Honorarkraft konnte mir meine Zeit natürlich einteilen, wie ich wollte. Gearbeitet habe ich zu Hause und war nur in der Redaktion, um Testberichte abzugeben, im Layout Screenshots zu generieren oder neue Aufträge abzuholen.
?: Gibt es Spiele, die du heute besser oder schlechter bewerten würdest? Bei welchen Spielen wich die Redaktionsnote am meisten von deinem eigenen Empfinden ab?
mk: Ich stehe heute noch zu meinen Bewertungen. Allerdings kann ich mich daran erinnern, dass die Amiga-Version von Wing Commander damals ein sehr strittiges Thema war. Das Problem war, dass redaktionsintern das Game auf dem A500 getestet wurde, mit dem auch die Screenshots fürs Layout erstellt wurden und das Ganze erst mit einer 68020/68030 Beschleunigerkarte wirklich Sinn machte.
?: Warum hast du die Amiga Games verlassen? Was hast du danach gemacht?
mk: Der Amiga und sein Command Line Interpreter waren für mich der Einstieg in die UNIX-Welt. Durch Workshops, Seminare und Praxis hatte ich mir den Weg in die „Profi-Liga“ erarbeitet, anfangs mit SUN-Solaris, NeXT und Linux. Die durch Dienste wie BTX und Internet kontinuierlich zusammenwachsende Welt tat ihr Übriges und ehe mir es wirklich bewusst wurde, hat es mir einfach mehr Spaß gemacht, mit Betriebssystemen und Rechnern, die über die wirkliche Welt verteilt waren, zu spielen, als mich „nur“ mit Games zu beschäftigen. Und Games wie „AirWar“, die eigentlich die ersten Online-Game-Clients waren (damals noch über Telefonleitung!!) zeigten, wohin die Richtung geht.
?: Was ist mit den getesteten Spielen passiert, die du bekommen hast? Konntest du diese behalten?
mk: Nein. Spiele waren Eigentum des Verlags oder Leihgaben an den Verlag. Selbstverständlich musste ich die wieder abgeben.
?: Wieviel Prozent hast du von deiner Arbeitszeit gespielt und wieviel hast du geschrieben?
mk: Ich habe die Games ausgepackt, das Manual durchgelesen und dann während des Spiels Notizen gemacht. Diese Notizen waren dann die Grundlage meines Artikels. Insgesamt lief das wohl auf 50:50 hinaus.
?: Wie lange wurde ein Spiel normalerweise getestet (insbesondere Rollenspiele!)? Benutzte man da auch öfters Cheats, um schneller fertig zu werden?
mk: Es ging nicht darum, „fertig“ zu werden, sondern um einen Gesamteindruck. Video Games zu testen unterscheidet sich von Rezensionen herkömmlicher Medien wie Bücher oder Filmen dadurch, dass der Kritiker nicht das gesamte Werk bis ins Kleinste kennen muss, um zu einer gerechten Bewertung zu kommen. Um zur Frage zurückzukommen: Nein, zumindest ich habe Cheats nie gebraucht, denn wenn Gameplay, Ergonomie, Spielspaß etc. schon zu Anfang eines Games grenzwertig sind, bleiben sie das auch.
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Testberichte mit euren verglichen?
mk: Nein. Wenigstens ich habe das nie gemacht.
?: Hast Du noch Kontakt zu ehemaligen Redaktions-Kollegen?
mk: Nein.
?: Spielst du heute noch? Wenn ja, welche Spiele?
mk: Ich bin vor einiger Zeit gefragt worden: „Sag mal, du bist jetzt über 40, und spielst noch Computerspiele? Wirst du denn nie erwachsen?“ Ich entgegnete: „Jetzt, da die Spiele auf den Markt kommen, von denen wir vor 20 Jahren geträumt haben, wäre es doch kompletter Blödsinn, damit aufzuhören. BTW bin ich so erwachsen, wie ich es brauche.“ Wenn es mir also meine knappe Zeit ermöglicht, zocke ich Simulationen und anspruchsvolle Egoshooter, wobei das Problem ist, sich wieder in Steuerung und „Denke“ des Spiels einzuarbeiten. Aber mein Stiefsohn hält mich da auf Trab.
?: Welches System war damals dein Liebling, und welche Systeme besitzt du heute noch? Benutzt du diese noch, und wenn ja, wie oft?
mk: Der Commodore Amiga war schon klasse, da hab ich noch einen 1000er und einen 2000er mit OS2.4. Aber vorher fand ich den C64 toll, und da habe ich einen „Brotkasten“, der noch einwandfrei funktioniert und einen zum Ausschlachten.
?: Was hältst du von Emulation? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?
mk: Seit ca. fünf Jahren bin ich davon überzeugt, dass der Virtualisierung die Zukunft gehört. Ich verwende beruflich virtuelle Maschinen in Testumgebungen und in der Produktion, und natürlich lebe ich privat nostalgische Anwandlungen auch mit Emulatoren der guten alten Systeme aus.
?: Wie beurteilst du den derzeitigen Spielemarkt?
mk: Er ist „erwachsener“ geworden. Mittlerweile übersteigen die Umsätze der Game- Industrie die der Filmbranche, und man beginnt, den Markt ernst zu nehmen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da musste man sich dafür entschuldigen, als erwachsener Mensch Video Games zu spielen. Leider sieht das die Politik größtenteils immer noch so. Anders sind die populistischen Hetzjagden auf Gamer und ihre Spiele nicht zu erklären.
?: Haben Spieletestzeitschriften im Zeitalter des Internets überhaupt noch einen Sinn?
mk: Internet ist aktueller, aber ich freue mich immer wieder, wenn ich in alten Printausgaben nachblättern kann. IMHO regelt sich der Markt selbst. Solange es Menschen gibt, die bereit sind, Geld für die Printausgaben auszugeben.... Das gilt übrigens für alle Printmedien.
?: Kennst du gewisse Retro-Zeitschriften, wie zb. die "Retro" oder "Retro-Gamer"?
mk: Nein. Oder sollte ich sagen: „Leider nein“?
?: Was müsste geschehen, damit die heutigen Spiele auch wieder "kultig" werden können?
mk: Heutzutage leben und sterben Games mit ihrer Community. Werden die eingebauten Schnittstellen, mit denen ein Spiel verändert werden kann, nicht mehr benutzt, angepasst und überhaupt bedient, entwickelt sich auch das Game nicht weiter und „stirbt aus“.
?: Hast du bestimmte Lieblings-Internetseiten?
mk: Ja. ;-)
?: Wie denkst du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du retro?
mk: Ich schwelge natürlich manchmal in Nostalgie. Wenn das passiert, werfe ich eine der alten Kisten an oder einen Emulator und freue mich an den alten Oberflächen, aber eigentlich kann ich mir rückwärts gerichtetes Denken in meinem momentanen Job nicht erlauben. Und überhaupt: Ich freue mich auf neue, gute Games, die das Zeug dazu haben, „Kult“ zu werden.
?: Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
mk: Meine Devise heißt: „Leben und leben lassen“. Will sagen, ich kann Retro-Hypes verstehen. Allerdings war ich einigermaßen überrascht, dass über Artikel, die ich vor über zehn Jahren verfasst habe, in eurem Forum aktuell diskutiert wird.
?: Danke für das Interview Martin, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.


Interviewer war Kultboy. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Martin Klaus,
eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (13)Seiten: [1] 
01.07.2009, 15:16 cassidy [Mod] (4112 
Jaja! Ich kenn das Problem! Macht nix!
01.07.2009, 15:05 lemmy07 (676 
cassidy schrieb am 01.07.2009, 15:02:
@lemmy:
Sag mal! wie oft soll ich Deinen letzten Beitrag denn noch löschen! Hast Du mittlerweile mindestens neunmal reingepackt! Wieder falsche Taste gedrückt, Bro?


Hmmm, geschrieben hab ich ihn aber nur einmal! Ich hatte diese Seite danach noch in einem Tab weiter offen, vielleicht lags daran (Refresh?)?
Danke fürs Löschen!

Um ehrlich zu sein, bin ich vorm PC eingeschlafen und mit dem Kopf auf der Tastatur gelandet, aber das wollte ich nicht zugeben
Kommentar wurde am 01.07.2009, 15:06 von lemmy07 editiert.
01.07.2009, 15:02 cassidy [Mod] (4112 
@lemmy:
Sag mal! wie oft soll ich Deinen letzten Beitrag denn noch löschen! Hast Du mittlerweile mindestens neunmal reingepackt! Wieder falsche Taste gedrückt, Bro?
01.07.2009, 13:37 lemmy07 (676 
Natürlich kann man sich einen Eindruck von einem Spiel auch schon in ein paar Stunden verschaffen, aber manchmal ist es halt doch so, dass z.B. bei einem Ballerspiel die ersten Levels richtig gut und abwechslungsreich sind und gegen Ende werden sie dann etwas langweilig, weil nichts neues mehr kommt, alles irgendwie schon mal dagewesen ist. Dann fehlt vielleicht noch ein Abspann oder er ist recht mies.... Dann würde das Spiel aber wenn die ersten Levels (inkl. Steuerung, etc.) sehr gut sind eine Top-Bewertung bekommen, die es nicht hätte, wenn der Tester das Spiel zu Ende gespielt hätte... Mit einem Cheat könnte man sich da innerhalb von einer Stunde nach dem Anspielen noch bis zum Ende durchschummeln um zumindest noch das Leveldesign und das Ende beurteilen zu können...
Schon klar, bei Rollenspielen ist das eher schwierig bis unmöglich, weil das einfach zu lange dauern würde. Aber gerade bei Action- bzw. Ballerspielen wäre das ja ohne Probleme möglich gewesen...
01.07.2009, 12:56 Herr Planetfall [Mod] (4034 
Stimmt; wenn man z. B. ein Rollenspiel erst durchspielen soll, bevor man es bewertet, hat man den Test erst Wochen nach der Veröffentlichung des Spiels.
01.07.2009, 12:20 cassidy [Mod] (4112 
Sehe ich nicht ganz so! Ich denke, man kann sich schon einen Eindruck von einem Spiel machen, ohne es durchgespielt zu haben. Letztendlich geht es in den Zeitschriften ja auchnur darum, Spieleindrücke zu sammeln um ein relativ objektives Fazit zu formulieren.
01.07.2009, 09:11 lemmy07 (676 
Schönes Interview!
Aber bei einem kann ich nicht ganz zustimmen: Ich finde man sollte ein Spiel schon bis zu Ende gespielt haben, um eine gerechte Bewertung machen zu können. Es gibt leider doch einige Spiele, die richtig gut sind, aber ein eher enttäuschendes Ende haben, z.B. schlechte, einfallslose Story oder fehlender Abspann, etc. Das wäre eigentlich ein Grund ein paar Prozent von der Wertung abzuziehen, aber wenn man das Ende nicht kennt, kann man das nicht machen. Wobei das bei Spielen mit einer Spieldauer von 50 Stunden aufwärts natürlich schwer machbar ist, schon klar, aber gerade bei Ballerspielen hätten sich damals ja Cheats angeboten, um schnell zum Ende durchzukommen. So hätte auch das Leveldesign der letzten Levels und das Ende bewertet werden können...
24.06.2009, 21:11 Rockford (2161 
„Jetzt, da die Spiele auf den Markt kommen, von denen wir vor 20 Jahren geträumt haben, wäre es doch kompletter Blödsinn, damit aufzuhören."

Word!
24.06.2009, 19:52 kultboy [Admin] (11495 
Tatsächlich. Danke, ist ausgebessert...
24.06.2009, 19:38 asc (2352 
Nettes Interview!
Einen Formatierungsfehler habe ich entdeckt:
"Was hältst du von Emulation? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?"

Sollte wohl eine Frage sein, ist aber im Antworttext reingerutscht.
24.06.2009, 19:22 kultboy [Admin] (11495 
Finde ich auch. Sehr sympathisch. Foto von ihm kommt vielleicht, er hat sich bei mir noch nicht gemeldet... es ist zwar schon eines von ihm online, aber das ist doch etwas zu alt schon (siehe Redakteur Profil von ihm).
24.06.2009, 19:01 Darkpunk (2940 
Tolles Interview. Thanx!
Kommentar wurde am 24.06.2009, 20:14 von Darkpunk editiert.
24.06.2009, 11:43 StephanK (1642 
Sehr nettes Interview

Bezüglich des heutigen Spielemarktes stimme ich zu, aktuell wird man dort ja fast schon in die "Killer"(spiel)-Szene unter Generalverdacht reingepackt, auch wenn die Herren Politiker selbst wohl nicht wissen, welche Spiele sie damit überhaupt genau klassifizieren wollen.
Seiten: [1] 


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