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Das Interview mit Markus Ziegler wurde am 02.12.2013 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Markus Ziegler
Jahrgang: 1973
Kurzbeschreibung: Bayerischer Exil-Schwabe mit badischen Wurzeln; lebt seit 1995 in München, wohin ihn sein Job als Redakteur beim Amiga Joker verschlagen hatte; wechselte nach dem Untergang des Joker Verlages auf die Dunkle Seite der Macht und testet derzeit im Auftrag eines Spiele-Publishers Game-Konzepte bzw. –Angebote auf ihre Markttauglichkeit; führt einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen f2p, DRM und DLC.



?: Wirklich schön Markus, dass ich Dich zu einem Interview für Kultboy.com bewegen konnte. Beginnen wir doch ganz einfach chronologisch. Im Amiga Joker 5/94 konnte man Deine ersten Zeilen in Form eines Leserbriefes an die Amiga Joker Redaktion in Augenschein nehmen. War bereits dieser Leserbrief, aufgrund Deiner Stilistik, der Türöffner in die heiligen Joker-Hallen oder hast Du Dich später ganz normal per schriftlicher Bewerbung an Big Boss Labiner gewandt?
mz: Moin Jan, und hallo allerseits! Tja, solche "Wer ist dieser Leser? Den brauch ich unbedingt für die Redaktion"-Geschichten gibts natürlich nur im Film. Ich habe mich jedenfalls später ganz normal mit zwei oder drei Stilproben (sprich: Spieletests) sowie einem Brork/Joker-Comic beim Verlag beworben. Allerdings war ich den armen Joker-Galerie-Sklaven und Leserbrief-Beantwortern bereits seit Längerem durch meine schäbigen Kritzeleien, den exzessiven Gebrauch von Klammern in Endlossätzen sowie meine unsägliche Besserwisserei bekannt - das könnte ein wenig geholfen haben. A propos Besserwisserei: Mein erster Leserbrief wurde in Ausgabe 7/93 abgedruckt. :-)
?: Na, das nenne ich nicht Besserwisserei, sondern einfach schlampig gearbeitet, was meine Recherchen diesbezüglich angeht. Auch in diesem Leserbrief von Dir lobst Du (wiederum) die tadellose Rechtschreibung des Jokers in höchsten Tönen und nimmst zu den Comics Stellung. Hast du eigentlich von Kind auf gerne gezeichnet? In welchem Umfang warst Du als Comic-Zeichner für den Joker tätig (Ghost/Brork Comics)? Im Übrigen wäre Dein Joker-Bewerbungscomic doch hier eine Veröffentlichung wert, oder?
mz: Na, meinetwegen, auch wenn mir die Qualität heute etwas peinlich ist. Fürs Heft durfte ich offiziell nichts zeichnen, also habe ich inoffiziell überall Kritzeleien aufgehängt. Halt, stimmt nicht ganz! Der vielarmige Joker auf der ersten "richtigen" PC-Joker-Homepage stammte von mir - der war mindestens semi-offiziell. Im Lauf der Jahre hat sich meine Zeichnerei leicht verbessert, möchte ich meinen. Leider hat es aber nie für irgendwas Professionelles gereicht (zumindest hab ich mich nie bezahlen lassen, um Ärger mit dem Finanzamt zu vermeiden). Darf man Werbung für eine tote Seite machen? Auf http://www.bad-karma.de gibts noch ein paar Comics und Stilproben...

?: Als damals 22-Jähriger wurdest Du im Amiga Joker 12/95 und im PC Joker 1/96 vorgestellt und warst somit offiziell im Kreise der Joker Belegschaft aufgenommen. Kannst Du Dich noch an Deine ersten Tage im Verlag erinnern? Wie haben Dich die anderen Schreiberlinge à la Magenauer oder Löwenstein aufgenommen?
mz: Tja, das war schon seltsam: Da kommst du als Jungchen ohne echte Berufserfahrung in die große Stadt (natürlich liegt Grasbrunn auf halbem Wege in die Prärie, aber wie jeder halbwegs vernünftige Mensch suchte ich mir eine Bude in München), und dann stellst Du fest, dass Deine langjährigen Helden im Grunde auch nicht viel älter sind als du. Naja, außer Steffen. Und Joe. Und Duy, der alte Ziegenzüchter. Und natürlich Karl. Und in Hundejahren wohl auch Daisy.

Was mich am meisten beeindruckte, war zweifellos Steffens Reaktion, als Michael mich nach dem Vorstellungsgespräch durch die Redaktion führte: Wir kommen in das Großraumbüro, wo außer ihm noch die Schnelle-Brüder ihre Texte runtertippen, und der Chef kündigt mich als neuen Kollegen an. Steffen steht auf, gibt mir die Hand und sagt: "Wir kennen uns schon, du warst doch letztes Jahr bei uns am Stand." Ich war platt. Natürlich wusste ich noch, wie ich auf der 94er-Amiga-Messe ein Spiel gewonnen und mir vom Schamberger "Pizza Connection" hatte aufschwatzen lassen; aber dass sich ein vielbeschäftigter Redakteur an die Visage eines unbedeutenden Messebesuchers erinnern konnte, finde ich heute noch unfassbar.

Die eigentliche Eingewöhnung ging dann zügig voran:
- Nach einer Woche hatte ich verstanden, warum Max, mit dem ich mir zu Beginn ein Büro teilte, immer "Dieter" gerufen wurde (nur, falls das noch nicht allgemein bekannt sein sollte: Max Magenauer und Dieter Marchsreiter sind ein und dieselbe Person).
- Schon nach zwei Wochen drohte ich seiner CD-Sammlung schlimme Dinge an, sollte er die $¢#€!$$-Musik im Redaktionsschlussstress (was für ein schönes Wort, dank Neuer Deutscher Rechtschreibung!) nicht leiser drehen.
- Nach drei Wochen durfte ich dann auch mal ein Spiel testen... irgendeine "Monopoly"-Version für PC, glaube ich.
- Nach zwei Monaten war ich vom Antialkoholiker zum Gewohnheits-Biertrinker geworden und saß regelmäßig mit den anderen bis spät nachts im Büro bzw. in der Kneipe.
Meine Metamorphose zum Redakteur war komplett.
?: Potzblitz! Die Magenreit...ich meine...Magenauer/Marchsreiter Story klingt ja unheimlich interessant. Es wäre fantastisch, wenn Du uns zu diesem ominös geheimen Thema noch mehr Insiderwissen liefern könntest.
Das Nachschauen des Monopoly-Ersttests im PC Joker erübrigt sich, denn hier hab ich (ausnahmsweise ;) ) mal ordentlich nachgeforscht. Laut einer späteren PC Joker Ausgabe wird eben jener Monopoly-Test als Deine erste Dosenrezension aufgeführt. Mich als Amigafan würde aber viel eher interessieren, welches Spiel Du als erstes für die "Freundin" auf Herz und Nieren prüfen durftest?
mz: Ouuuh, da muss ich nachsehen. *wühl* Hm. Zählt ein Klassiker-Test? Ich hatte von Anfang an ziemlich viele Standard-Rubriken wie Leserbriefe, Charts und später auch die Lösungshilfen an der Backe. Der Klassiker "Pinball Dreams" müsste so gesehen mein erster Test im Amiga Joker 1/96 gewesen sein. Klassiker waren in der Tat klasse. Man konnte irgendein tolles Spiel raussuchen, das einem persönlich gefiel, und dann ungehemmt in Erinnerungen schwelgen.

Ansonsten, fürchte ich, waren meine zwei ersten Tests die beiden mittelmäßigen Budget-Games auf der Seite gegenüber, "Trap'em!" bzw. "Bazza'n'Runt". Andererseits habe ich so viele glorreiche "Worms"-Siege gegen Max eingeheimst, dass mir von Rechts wegen eigentlich auch diese Tests zuerkannt werden müssten.

Ach ja: Wie genau aus Herrn Marchsreiter Herr Magenauer wurde, kann ich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Die Story, die ich dazu gehört habe, besagt, dass Dieter zu Beginn der Joker-Ära hauptberuflich bei Siemens tätig war. Sein Vertrag dort erlaubte ihm nur künstlerische Nebentätigkeiten, ergo musste ein Künstlername her – Max Magenauer war geboren. Jedenfalls wurde die Geschichte von Anfang bis Ende konsequent durchgezogen, auch gegenüber Entwicklern und Publishern - in der heutigen Zeit (hallo, NSA) undenkbar!
?: Mit den Rubriken Leserbriefen und Charts sprichst Du treffsicher meine nächsten Fragenbereiche an. Zu Letzterem: Ich konnte mir nie so recht vorstellen, dass Brigitta, Monika Stoschek oder auch Waltraud Schmidt rege zum Joystick gegriffen haben. Bei den Hitparaden waren aber gelegentlich Spielelieblinge der Damen angeführt. Mal Butter bei die Fische Markus! Das war doch von eurem Cheffe extra so gedeichselt, um den Leser zu suggerieren: "Schaut her Männer! Auch die Frauenwelt zockt eure Games...", oder etwa nicht?
mz: Also, für Waltraud kann ich mich nicht verbürgen, weil die kurz nach meiner Ankunft die Flucht ergriffen hat, aber Brigitta erzählte mit Begeisterung von ihren "Warcraft II"-Heldentaten. Als Korrekturleserin bekam sie nach dem Relaunch 1997 jeden Test zu Gesicht und nahm sich immer wieder interessante Spiele mit nach Hause. In der Regel waren das aber Strategie- und Adventure-Titel, meist für PC. Mit einem Joystick und Ballerspielen kann ich sie mir in der Tat auch nicht so recht vorstellen.

Ganz anders Moni. Die habe ich zwar nicht mehr im Büro erlebt, aber da wir praktisch Nachbarn waren und sie irgendwann erfuhr, dass ich als Schwabe nichts wegwerfen kann, drückte sie mir vor einigen Jahren einen riesigen Stapel alter Amiga-Spiele (und -Bücher, argh!) aufs Auge. Das waren praktisch durch die Bank Beat'em Ups und Action Games wie die "Ninja Collection" und "Alien Breed 3D". Dass die Legenden um Ninja-Moni wahr sind, wusste ich spätestens zu dem Zeitpunkt, als ich irgendwo im alten Verlag ein dekoratives Wurfmesser fand und Steffen lapidar meinte: "Ach, das hat Moni wohl vergessen." Heute benutze ich das Ding als Brieföffner. Danke, Moni!
?: Unlängst hat folgender Aprilscherz, der im PC Joker 4/98 veröffentlicht wurde, zu kontroversen Diskussionen geführt. Wie standest Du in jener Zeit zu diesem doch ziemlich makaberen Scherz, und wie waren die Reaktionen, sowohl in Bezug auf die Leserbriefe als auch im Hinblick auf die ausgerufene Aktion der gesuchten "Möchtegern"-Doubles?
mz: Ui, das ist tatsächlich starker Tobak. In der politisch korrekten Welt von heute wäre so etwas undenkbar, aber vor 15 Jahren, als das Internet noch von AOL und Compuserve regiert wurde und ein böser Brief eine Mark (oder sogar 1,10?) sowie einen Briefumschlag kostete, durfte man sich das offenbar noch erlauben. Naja. Ich kann mich an den Artikel nur noch dunkel erinnern, aber ich glaube, mehr als die beiden in der folgenden Ausgabe abgedruckten Leserbriefe bekamen wir nicht. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich - Geschmack hin, Humor her - die Idee eigentlich nicht lustig genug für einen ganzseitigen Artikel finde. Dass die Kollegen damals ähnlich dachten, lässt sich schon daran ablesen, dass der Chef selbst zur Tastatur greifen musste, um ihn zu schreiben...

Dazu sollte man vielleicht erwähnen, dass wir Redakteure uns in erster Linie um unsere eigenen Texte kümmerten und das fertige Heft immer erst am Ausliefertag in die Finger bekamen. Und dann hatten wir nicht viel Zeit zum Lesen, weil wir die Postsäcke eigenhändig zur Post karren mussten.
?: Wieder einmal eine "postalische" Bestätigung dafür, wie Herr Labiner mit eiserner Hand seine Angestellten geführt hat.
Bleiben wir doch noch ein wenig beim (harten) Verlagsalltag. Wie hast Du das Ende des Amiga Jokers bzw. des PC Jokers aufgenommen? In diesem Zusammenhang wäre es höchst interessant, wie und wann (vielleicht schon beim Erstellen der Ausgabe 11/96?) beschlossen wurde, den kolossalen Amiga Joker einzustampfen?
mz: Für die Redakteure (und vermutlich auch Chefredakteure) kamen die Schließungen jedes Mal überraschend. Aus heutiger Sicht war das Ende vom Lied zumindest beim Amiga Joker abzusehen. Kurz zuvor hatten wir auf eine zweimonatige Erscheinungsweise umgestellt, und das ist für jedes Test-orientierte Magazin der erste Schritt in die Belanglosigkeit. Aber wie man so schön sagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt, und der Amiga hatte (und hat) viele treue Fans, wer denkt da schon ans Aufhören? Ein Jahr zuvor spekulierte ich in meiner Bewerbung noch darauf, dass Gateway als neuer Inhaber den Amiga rettet, aber dann ging doch alles recht fix den Bach runter. Wenn ich mir heute anschaue, was für Spiele wir in den letzten Ausgaben auf ganzen oder gar Doppelseiten testen mussten, nur um das Heft zu füllen, war es wohl einfach Zeit, den Stecker zu ziehen.

Um ehrlich zu sein, trauerte ich damals weniger um den Amiga Joker, sondern sorgte mich mehr um meine eigene Zukunft. Da saß ich als 23-jähriges Jungchen, ohne Studienabschluss, mit weniger als einem Jahr Berufserfahrung, fern der Heimat, und alles, womit ich mich auskannte, war ein offiziell toter Computer. Auch zu Hause hatte ich bis 2001 nie einen PC, sondern tippte alle meine Texte mit dem guten alten "Wordworth" (übrigens viel komfortabler als auf meinem DOS-286er im Büro, der irgendwann gegen einen alten 486er ausgetauscht wurde).

Umso besser kann ich mich an den Tag erinnern, als der PC Joker dicht machte: Es war Mittwoch, der 13. Dezember. Ich war gerade dabei, die Leserbriefseiten fertigzustellen, an denen ich zu Hause ab 4 Uhr morgens herumgedoktert hatte, da kam Michael ins Büro und meinte: "Leute, ihr könnt aufhören zu tippen. Das wars. Der PC Joker wird eingestellt." Das war schon ein fieser Tiefschlag, speziell so kurz vor Redaktionsschluss. Ich glaube, Karl hat das praktisch fertige 2/2001er-Heft noch irgendwo in der Schublade.

Der letzte gelayoutete Artikel war ein Test zu Empires Flugsimulation "Adlertag", und so erhielt dieser Tag sogar einen eigenen Namen. Seither treffen sich die (Ex-) Joker-Redakteure einmal im Jahr rund um den 13.12. in wechselnden Münchner Kneipen, um den Adlertag zu begehen. Ein- oder zweimal waren auch die Labiners anwesend, allerdings flaute das Interesse über die letzten Jahre merklich ab. Mal sehen, ob sich dieses Jahr noch mal einer aufrafft und die Bande zusammentrommelt...
?: Gab es irgendwann mal - aufgrund eines nicht so rosig ausgefallenen Spieletests - bitterböse Anrufe seitens der Entwickler und wenn ja, wie seid ihr als Redakteure damit umgegangen?
mz: Dass sich Entwickler und Tester eines Spiels gelegentlich uneins über dessen Qualitäten sind, liegt wohl in der Natur der Dinge. Das Gute war, dass Michael in einem solchen Fall immer hundertprozentig hinter bzw. vor der Redaktion stand und wir generell ein sehr gutes Verhältnis zu allen Publishern hatten. Kleinere Reibereien gab es dennoch immer mal wieder, letztlich schrieben wir ja für unsere Leser und nicht für die Entwickler (oder gar eine höhere Wahrheit).

Ich meine mich zu erinnern, dass Sierra ein klitzekleinwenig erbost über die Tatsache war, dass ich das Add-On "StarCraft: Brood War" auf einer halben Seite mit 78 Prozent abgefertigt hatte. Andererseits spielten die wenigsten unserer Leser damals im Netzwerk oder gar online, und ich bin immer noch der Meinung, dass die Singleplayer-Kampagne mit ihren weitgehend linearen Missionen und unzähligen Trial&Error-Momenten eher schwach war. Ich weiß, mit dieser Meinung stehe ich weitgehend alleine da. Sorry an alle, deren Lieblingsspiel ich beleidigt habe, das wird (leider) nie wieder vorkommen.

Tatsächlich war es so, dass wir im Zweifelsfall eher zu gut als zu schlecht bewertet haben. Das kommt davon, wenn Rennspiel-Freaks Rennspiele und Strategen Strategiespiele testen... oder wenn man einen Fan von Prügelspielen wie mich nicht nur "Virtua Fighter 2" auf Segas Saturn-Konsole, sondern auch Mirages "Resurrection: Rise 2" auf PC bewerten lässt. Ich glaube, das ist der Test, für den ich mich rückblickend am meisten schäme. Auf dem Papier war alles toll, und eigentlich passten auch Grafik und Steuerung, aber irgendwie machte das Ding keinen Spaß. Andererseits habe ich auch nie eine Leserbeschwerde deswegen erhalten. Es ist schon erstaunlich, wie man sich als Kunde immer wieder selbst belügt und einfach nicht wahrhaben will, dass man einen Fehler gemacht hat.

Ich selbst habe jahrelang "Rise of the Robots" (den Vorgänger von Resurrection) verteidigt, obwohl wir zwei der Disketten umtauschen mussten, Steuerung und KI eine Frechheit waren und wir das Spiel deshalb nie durchspielen konnten. Andererseits sah die Grafik auf AGA-Amigas sooo gut aus, und der Amiga Joker konnte mit seiner Wertung doch nicht so daneben liegen (das glaubten wir damals wirklich).
?: Das dachte ich damals auch. In der heutigen Zeit, nach persönlichem Durchspielen von "Rise of the Robots" im Jahre 2010, kann ich nur lautstark konstatieren: "No shame on you, shame on Richie!" Themenwechsel! Ein Interview im Internet mit Dir förderte zu Tage, dass Du weiterhin Retrospielen positiv gegenüberstehst. Welche Klassiker landen denn ab und an in Deinem (virtuellen) Laufwerk? Welches Spiel würdest Du als Dein Lieblings-Retrogame bezeichnen?
mz: Ein Interview mit mir? Echt? Wo? Oder war das mit den Retrospielen nur geraten? Bei dem Gedanken an die gute alte 16-Bit-Zeit kommen wir schließlich alle ins Schwärmen... Leider musste mein 1200er inzwischen dem Familienzuwachs weichen und wartet derzeit im Keller darauf, dass wir irgendwann in eine Hobbyraum-taugliche Wohnung umziehen. Es ist also schon ein paar Jährchen her, dass ich mein letztes Amiga-Spiel eingeworfen habe (Emulatoren sind irgendwie nicht dasselbe, besonders wegen der fehlenden Joysticks).

Prinzipiell fand ich seinerzeit alles toll, was die Bitmap Brothers produzierten, insbesondere "Xenon 2", "Gods", "Speedball 2" und "The Chaos Engine", auch wenn ich die alle erst mit Trainer durchspielen konnte (Ausnahme: Speedball 2, das hat mein Bruder enervierend locker durchgepeitscht). Die Titelsongs zu Xenon 2 und Chaos Engine laufen bei mir heute noch in der Deliplayer-Rotation. A propos: Unerreicht ist und bleibt natürlich "Turrican II" - an diesem Spiel rockte einfach alles! Im Zweifelsfall würde ich das als mein Lieblings-Retro-Game bezeichnen. Chris Hülsbecks Soundtrack-Neuauflage ist, nebenbei bemerkt, das einzige Kickstarter-Projekt, für das ich je Geld ausgegeben habe.

Was noch? "Die Siedler" waren ein technisches Meisterwerk. Was die seinerzeit aus einem A500 mit 1 MB Speicher herausholten - sagenhaft! In dem Zusammenhang fallen mir noch "Populous II" und "Powermonger" ein. Peter Molyneux selbst war von Powermonger nach eigener Aussage enttäuscht, aber weil das unser erstes Amiga-Spiel war (der "Fachhändler" hatte uns vorher eine Atari-ST-Compilation angedreht, die wir umtauschen mussten:-), lasse ich seine Meinung hierzu nicht gelten. Powermonger war wegweisend und toll, Punkt. Oh, und ich weiß heute noch den Alle-Fähigkeiten-Cheat für Populous II auswendig - wobei ich nicht sicher bin, ob ich darauf wirklich stolz sein sollte.

Natürlich gibt es noch etliche andere Amiga-Spiele, an die ich mich gern erinnere, aber darüber könnte ich ganze Seiten schreiben. Nur als kurze Favoritenliste, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Lionheart: Technisch beeindruckend, spielte sich klasse, aber Thalion ging trotz meiner gekauften Version pleite (Lionheart und "Ambermoon" hatten als Experiment keinen Kopierschutz, und die Raubkopien waren noch vor den Originalen im Umlauf - sehr schade).
- Wings: Sehr atmosphärisch, ist aber schlecht gealtert. Das hab ich nach der Pleite aus dem Joker-Archiv geklaut (wir hatten das mit Abstand umfassendste Spiele-Archiv aller Magazine).
- Pinball Dreams/Pinball Fantasies: Die gibts als PS Minis für PS3 und PSP zu kaufen. Laufen auch auf der Vita noch gut und machen Spaß, aber die Amiga-Version war irgendwie präziser.
- Silkworm: Mein Bruder war der Meister des Jeeps, bis zum Boss haben wirs immer geschafft. "SWIV" war natürlich auch cool.
- Yo! Joe!: Das beste Ko-Op-Jump'n'Run, das ich kenne. Hab ich bei einem Joker-Wettbewerb gewonnen, gekauft hätte ichs angesichts der mageren Grafik wohl nicht.
- Wizardry VI: Das einzige Rollenspiel außer "Final Fantasy VII", das ich je mehrfach komplett durchgespielt habe. Könnte man heute noch ertragen, hässlich war es nämlich schon damals.
- Skidmarks: Wow, das haben wir ewig gezockt. Das "TrackMania" der 90er-Jahre, Blitz Basic FTW! Irgendwann gabs 'nen Nachfolger, der aber für mich nicht an das Original rankam.
- Worms: Der Amiga hatte mit dem Director's Cut die vielleicht beste Version, aber inzwischen gibts die Würmer ja auf jedem System. Das ewige Duell Magenauer gegen Ziegler ist bis heute nicht entschieden. - Transplant, Pod, Bratwurst, Megaball, Dungeon Krampfer und viele andere PD-Perlen: Wer glaubt, Indie-Games seien ein Phänomen unserer Zeit, hat keine Ahnung von der Demo- und Public-Domain-Szene der frühen 90er!

An klassische Spiele auf anderen Systemen kann ich mich nur dunkel erinnern. Wir kauften seinerzeit ein gebrauchtes SNES ausschließlich für "Street Fighter II Turbo" - ich glaube, das zählt. Überhaupt bin ich ein Fan von Capcom-Spielhallen-Prüglern: "X-Men vs. Street Fighter" auf Saturn war einfach der Hammer, und die D&D-Spiele wurden kürzlich als "Dungeons & Dragons: Chronicles of Mystara" neu aufgelegt (als nächstes bittebittebitte "Alien vs. Predator"!!!). Alle späteren Lieblingsspiele würde ich nicht mehr als Retro-Games bezeichnen, also belassen wir es lieber dabei, bevor ich hier noch länger herumfasele.
?: Das angeführte Interview mit Dir wurde übrigens Ende 2006 auf amigajoker.de veröffentlicht.
Haha! Bloß gut, dass M. Labiner den Langfinger Markus damals beim Stibitzen nicht erwischt hat. Geteert und gefedert hättest Du sicherlich uns nicht so umfangreich Rede und Antwort stehen können.
Zum wurmstichigen Zweikampf Ziegler-Magenauer kann ich nur sagen: Ich werde Deinen Ex-Kollegen diesbezüglich mit einer Frage löchern, wenn ich ihn denn mal vor die Interview-Flinte bekomme.
Zwar haben wir nun schon etliche Interview-Seiten mit virtueller Tinte gefüllt, eine letzte Frage an Dich sei mir aber noch vergönnt:
Wie stehst Du neuen Retro-Magazinen gegenüber? Gerade euer "Erzfeind" von anno dunnemals, die Power Play hat mit ihrer Neuauflage anscheinend ein gewinnbringendes Konzept aus dem Boden gestampft. Mir persönlich mundet es nicht so recht, da die neuen Spiele (die ja mit in der Zeitung vorkommen) sich ein wenig mit den alten Spieleperlen von damals beißen. Mal unter uns Pfarrerstöchtern: So ein neuer Joker, mit der alten beherzt lockeren Schreibe, mit neu aufgelegten Spieletests alter Klassiker/Nichtklassiker, gepaart mit anderen interessanten Rubriken, würde doch der wiederbelebten Power Play ganz schnell den Rang ablaufen?!
mz: Puh. PC Joker und Power Play lieferten sich in den letzten Jahren ihres Erscheinens immer harte Gefechte am Kiosk. Ich glaube aber, heute wäre das eine Schlacht der Besiegten.

Vor 15 Jahren hatten Spielemagazine noch einen praktischen Nutzen. Wir sahen uns zwar auch als Entertainer, aber für ein paar Mark pro Monat waren unsere Leser über alle Neuerscheinungen und sonstigen Trends informiert. Wenn man sich überlegt, dass damals praktisch niemand Internet hatte und es dort auch so gut wie keine seriösen Informationen über die Qualität von Spielen zu finden gab, war die Kaufentscheidungshilfe eindeutig unsere Hauptaufgabe. Im Gegensatz dazu bedienen Retro-Magazine heute praktisch nur noch Nostalgiker. Klar, jeder schwelgt gerne in Erinnerungen, aber braucht man wirklich einen Redakteur dazu? Diese Hefte kauft doch eigentlich nur, wer seine eigene Meinung und Vorlieben bestätigt sehen will. Ich glaube, Foren und Stammtische (je nach Alter der Nutzer) sind da als Plattform viel geeigneter.

Ich würde mit der Joker-Bande schon gern mal wieder über Spiele diskutieren, um ein paar Wertungspunkte streiten und Reviews zu wichtigen Titeln veröffentlichen, aber Du merkst schon: Eigentlich bin ich dazu inzwischen viel zu alt und vor allem zu langweilig. Ich liebe Nostalgie, aber ich hasse es, wenn daraus Kapital geschlagen wird, und darum bin ich auch kein Fan von kommerziellen Retro-Magazinen - oder Kickstarter-Projekten von Entwicklern, die seit 10 Jahren kein brauchbares) Spiel mehr veröffentlicht haben. Und mal ganz im Ernst: Es ist lobenswert, wenn bei einem Test die Historie einer Spielereihe gründlich beleuchtet wird, aber mich als Leser interessiert die Qualität des neuen Games, nicht die der alten 16-Bit-Titel.

Ich meine mich zu erinnern, kurz in der "neuen" Power Play geblättert zu haben. Das las sich alles recht gefällig, und ich war einigermaßen beeindruckt, wie viele Redakteursleichen Chip aus der Gruft geholt hatte. Aber Geld würde ich dafür keins ausgeben wollen, und ich denke, auch die vielzitierte "flotte Schreibe" der Joker-Hefte wäre heute im kostenlosen YouTube-Channel eines 20-jährigen besser aufgehoben. Das heißt jedoch nicht, dass ich ein Zyniker-Magazin mit bissigen Kommentaren von Duy, Magenauer, Schnelle (x2), Schamberger und Trier nicht lesen würde (Nettelbeck, Löwenstein und Fischer bekämen die Gutmenschen-Seiten). Aber es wäre mit Sicherheit kein Retro- oder Hipster-Magazin (gibts die "GEE" noch?), sondern ein Test-fokussiertes Heft mit objektiven Informationen und supersubjektiven Meinungen zu jedem Thema.

...

Verdammt, das klingt tatsächlich ein bisschen wie der alte Joker. Na schön, ich ändere meine Antwort in: "Na klar, mit der Power Play wischen wir doch den Boden auf!" :-7
?: Na denn lieber Markus, da ich Dich anscheinend vom "Joker-Revival" überzeugen konnte, Du weißt ja nun, wo Du mich findest. Stelle mich gerne zur Mitarbeit zur Verfügung.
Nun sag ich bereits ein zweites Mal "Danke" an einen Redakteur des ehemaligen Joker-Verlages. Und mit Dir zu plaudern, lieber Markus, hat mir besonders große Freude bereitet.
Schau doch einfach mal auf kultboy.com vorbei und fachsimpele mit uns über alte Klassiker, über Deinen alten Arbeitgeber oder unser Interview. Wir alle würden uns sehr darüber freuen. Dir ein standesgemäßes "Pfiat di" und alles Gute für Deinen weiteren Lebensweg!


Interviewer war jan.hondafn2. Das Copyright des Interviews unterliegt jan.hondafn2 sowie Markus Ziegler eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (32)Seiten: [1] 2 3   »
27.12.2013, 13:28 Boromir (637 
@ streit contra/pro retro magazine: ich finde es ist eine tolle Möglichkeit leuten die nicht die chance hatten das alles live mitzuerleben einen zugang zu den Anfängen der computerspiele zu geben und vielleicht den einen oder anderen dafür zu begeistern. Ich freue mich auf jedenfall das dadurch die "gute alte zeit " wiederauflebt.

@ zu Markus Ziegler: witzigerweise lese ich gerade meine amiga joker duch und bin gerade bei der erwähnten Ausgabe 1/96 angelangt. Hab gerade den "klassikertip" vorgezogen und hab mir auch die fotogallerie der Mitarbeiter die in dieser Ausgabe auf mehrfachen wunsch präsentiert wurde angesehen. Mann war der damals jung

@jokerende: seltsam - aber als ich diese zeilen las war ich sehr betroffen. Es muss wirklich ein schockgewesen sein so seine arbeit zu verlieren.
für uns joker fans immer noch einer der traurigsten Momente unser hobby betreffend.

aber auf jeden fall ein tolles interview und ein schöner Rückblick in die vergangenheit. Danke
24.12.2013, 15:09 Scherge (1 
amoibos schrieb am 19.12.2013, 12:01:
Soso, "tadellose Rechtschreibung" aber "A propos"!


Markus hier. Tarteufel! Es gibt "apropos" im Deutschen?!? Seit wann das denn? Ich kannte nur "à propos" (am Satzanfang natürlich "A propos" ohne Akzent auf dem Großbuchstaben) als fremdsprachliche Redewendung, sowie vielleiiicht noch "das Apropos", substantiviert, eine Anmerkung bezeichnend. Tja, man lernt nie aus - hat sich das Interview doch gelohnt. :-7

Das Bild entstand übrigens kurz vor einer Gamescom, als wir fürs Standpersonal Fotos machen sollten. Ich wollte eins abliefern, auf dem mich die Jungs und Mädels auch erkennen...

Frohe Weihnachten!
22.12.2013, 20:03 Tobi-Wahn Inobi (473 
Beneidenswert. Das schützt doch bestimmt recht gut vor frühmorgentlichen, überschwänglichen Labertaschen.

Ich meinte die Message des anmutigen Montag-Morgen-Gesichtes, welche durch die Symbiose mit dem netten T-Shirt in Fettschrift gestellt wird.
22.12.2013, 07:36 ebbo (642 
So sehe ich Montag früh auch immer aus.
22.12.2013, 07:26 Twinworld (2716 
Tobi-Wahn Inobi schrieb am 22.12.2013, 01:58:
Könnte mal jemand die Message des formidabelen Fotos da oben in einen äquivalenten Smilie konvertieren, bitte?


Was meinst Du den Gutgelaunten Gesichtsausdruck oder das geile Sensenman-T-Shirt?
22.12.2013, 01:58 Tobi-Wahn Inobi (473 
Könnte mal jemand die Message des formidabelen Fotos da oben in einen äquivalenten Smilie konvertieren, bitte?
Kommentar wurde am 22.12.2013, 01:58 von Tobi-Wahn Inobi editiert.
19.12.2013, 12:01 amoibos (57 
Soso, "tadellose Rechtschreibung" aber "A propos"!
12.12.2013, 18:05 Adept (1167 
Also, wenn der Richy Actionstein nicht mal mehr weiss, ob er nen Filmriss hatte, müssen die Adlertage ja lustig sein...
12.12.2013, 12:23 buzzybee [Ehrenmitglied] (15 
Markus, alter Miesepeter! Schön von Dir zu lesen. Hab ich ´nen Filmriss oder hast Du beim letzten Adlertag letztens nichts von dem Interview hier erzählt? Hat Freude gemacht. Richy hier, übrigens.
11.12.2013, 15:20 spatenpauli (949 
Retro-Nerd schrieb am 11.12.2013, 15:04:
Das geht leider nicht. Die RETURN kannst du nur direkt bestellen. Derzeit gibt es wieder Probe Hefte umsonst.


Der Bahnhofsbuchhandel wird gerade renoviert (kein Witz).

Aber Dein jetziger Tipp ist ja noch besser. 2 € P&V fürs Probeheft ist mehr als fair. Habs mir geordert und bin gespannt.

Nochmals danke.
11.12.2013, 15:04 Retro-Nerd (13459 
Besser kannst du eigentlich nicht zugeben, daß du dich ertappt fühlst.


Ertappt? Nein, genervt. Da du einen IMMER persönlich angehst wenn man nicht deiner Meinung ist. Und schon seit ein paar Jahren. Soweit von ShadowAngel und anderen Leutchen bist du gar nicht entfernt mit deinen "Auftritten".

Guter Tipp.

Kenne die Return nur vom Durchblättern. Wollte eh nachher beim gut sortierten Bahnhofsbuchhandel (letztes Wochenende von Dynamo Dresden-"Fans" auseinandergenommen) die neue Retro Gamer ziehen. Da werde ich mir doch auch mal eine Return mitnehmen und den direkten Vergleich ziehen.


Das geht leider nicht. Die RETURN kannst du nur direkt bestellen. Derzeit gibt es wieder Probe Hefte umsonst.
Kommentar wurde am 11.12.2013, 15:29 von Retro-Nerd editiert.
11.12.2013, 11:43 Frank ciezki [Mod] (3803 
Wüsste nicht, was ich zu dem Thema noch zu sagen hätte.
11.12.2013, 11:11 Herr Planetfall [Mod] (4034 
Hm, ja, könnt Ihr das privat machen?
Sonst haben wir hier gleich wieder zehn Seiten Off-Topic-Kommentare von Hinz und Kunz, die cassidy dann wieder alle einzeln löschen muss, weil ich dafür zu faul bin...
11.12.2013, 11:07 Frank ciezki [Mod] (3803 
Retro-Nerd schrieb am 11.12.2013, 04:48:
Deine penetrant rotzige Art nervt langsam. Reiß dich mal zusammen. Ewig dieser "Retro Doktor, Klugscheißer, Experten..." Müll von dir. Bist du 12 oder was? Ich schreibe meine Meinung. Wenn dir was nicht passt. Einfach überlesen oder was konstruktives schreiben.


Besser kannst du eigentlich nicht zugeben, daß du dich ertappt fühlst.
11.12.2013, 07:55 spatenpauli (949 
Retro-Nerd schrieb am 10.12.2013, 23:12:
Schnapp dir mal eine RETURN, da wirst du liebevoll erstellte Berichte finden, die so nicht im Netz zu recherchieren sind.


Guter Tipp.

Kenne die Return nur vom Durchblättern. Wollte eh nachher beim gut sortierten Bahnhofsbuchhandel (letztes Wochenende von Dynamo Dresden-"Fans" auseinandergenommen) die neue Retro Gamer ziehen. Da werde ich mir doch auch mal eine Return mitnehmen und den direkten Vergleich ziehen.
Kommentar wurde am 11.12.2013, 07:56 von spatenpauli editiert.
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