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Das Interview wurde am 16.02.2014 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Günter Pichl
Jahrgang: 1966
Karriere: 1992 als Hardware-Redakteur bei der DOS International angefangen. Ab 1995 war ich dann zudem Leiter des Hardware Testlabors. Insgesamt war ich 20 Jahre bei DMV/WEKA.


?: Fangen wir mal von ganz vorne an: Wie fing deine Karriere beim DMV-Verlag an? Was hast du davor gemacht?
gp: Nach meinem Maschinenbau-Studium arbeitete ich als Konstrukteur. Im Zuge dessen beschäftigte ich mich dann aber immer mehr mit CAD und der dazugehörigen Hardware. Für einen guten Freund - Mike Nickles - schrieb ich mehrere Fachartikel über CAD-Software. Das machte mir viel Spaß - weit mehr Spaß als meine vorherige Arbeit. Mike selbst arbeitete ursprünglich als Redakteur bei IDG für ein C64-Magazin namens RUN, schrieb dann aber als freier Autor für diverse Magazine, u.A. die DOS International. Als die dort einen Hardware-Redakteur suchten, gab er mir den entscheidenden Tipp.
?: Bei welchen Zeitschriften hast du mitgearbeitet und was war deine Aufgabe?
gp: Zunächst bei der DOS International, die dann später in PC Magazin umbenannt wurde. Zudem schrieb ich gelegentlich Beiträge für andere Zeitschriften im Haus. Darunter WinDOS, Highscreen Highlights sowie einiges für das offizielle Playstation Magazin - dann jeweils jedoch unter Pseudonym. Mitte der 90er Jahre rief ich das Testlabor ins Leben. Als Leiter des Testlabors war ich dann nach und nach auch für diverse andere Zeitschriften bei WEKA verantwortlich, für die ich auch gelegentlich Beiträge verfasste.
?: Wie hast du es miterlebt als der WEKA-Verlag den DMV-Verlag schluckte? Wie war die Stimmung?
gp: Der initiale Schluckvorgang fand schon vor meiner Zeit statt. Soweit mir das bekannt ist, brauchte der DMV-Verlag einen Investor. Der Investor - WEKA - hielt zunächst nur 49 Prozent und war somit mehr oder weniger stiller Teilhaber. Auf Grund einer Klausel im Vertrag erhielt WEKA - ein paar Monate nachdem ich bei der DOS anfing - weitere 2 Prozent und damit das Sagen. Für die Kollegen in Eschwege - dort war das Stammhaus des DMV-Verlags, mit Zeitschriften wie der PC Pur, der ASM oder der Amstrad PC - war das keine gute Sache. Da verloren sehr viele ihren Job.
Für das Redaktionsbüro München, wie sich die DMV-Enklave in Poing mit den Redaktionen der DOS und der WinDOS nannte, war das jedoch ein großer Vorteil. Da die DOS International der Goldesel unter den DMV-Publikationen war, wurden wir vom neuen Eigner erst mal gehegt und gepflegt. Zuvor wurden wir eher stiefmütterlich behandelt. Unter WEKA-Führung, die dann schon bald Michael 'Scharfi' Scharfenberger übernahm, bekamen wir eine neue und bessere Infrastruktur sowie deutlich verkürzte und damit schnellere Entscheidungswege.
?: Wieviel verdiente man als Redakteur?
gp: Offiziell kann ich dazu natürlich nichts sagen. Aber laut einer nicht repräsentativen Umfrage unter den damals fast durchwegs jungen Kollegen, ist man seinerzeit mit knapp 4000 Mark eingestiegen. Das war für einen 25-jährigen Anfang der 90er schon ganz ordentlich.
?: Was waren die skurrilsten Erlebnisse, die du mit deiner Zeit beim DMV/Weka-Verlag verbindest?
gp: Anfangs war das fast so ein wenig wie auf dem Kinderspielplatz. Natürlich haben wir alle hart gearbeitet, haben uns regelmäßig Nächte und Wochenenden um die Ohren geschlagen. Aber es gab auch eine Menge Spaß wie die Supersoaker-Wasserschlachten in den Gängen der Redaktion. Einmal hat es die Druckproben von Bernhard Rinkes Druckertest voll erwischt. Da ist dann die Tinte in Tränen über die Blätter gelaufen. Ein anderes Mal krabbelte eine lebendige Kakerlake aus einem Monitorkarton. Kollege Eckert hat sie geistesgegenwärtig mit Toner-Fixierspray erlegt. Ein andere Kollege war durch den Kakerlaken-Eindringling regelrecht traumatisiert. Noch Monate später hallten seine spitzen Schrei durch den Gang, wenn er mal wieder auf die Plastikkakerlake gestoßen ist, die wir in regelmäßigen Abständen auf seinem Schreibtisch platzierten. Da gäbe es noch 1000 weitere Geschichten...so hatten wir u.A. auch mal ein Pferd auf dem Flur, einen aufgeklebten falschen Schnurrbart im Reisepass oder Paintball-Markierer im Labor.
?: Wie darf man sich einen Arbeitstag vorstellen? Wie lief das so ab?
gp: Gerade Anfangs war eigentlich jeden Tag neu und anders. Als Redakteur einer Monatszeitschrift spielt sich logischerweise alles im Monatsrhythmus ab. Basis sind die Konferenzen bei denen der Redaktionsplan erarbeitet wird - idealerweise während noch die vorige Ausgabe läuft. Anfang der 90er waren die Schwerpunkt-Themen bei der DOS schon über ein ganzes Jahr im Voraus festgelegt. Da ging es in den Redaktionskonferenzen eher um die Details wie z.B. wie viele Seiten der Monitortest bekommt. Durch die langfristige Planung hatten wir jede Menge Puffer, falls etwas schief läuft (und es läuft immer was schief). Mit der Zeit wurde die Aktualität immer mehr in den Vordergrund gerückt. Das machte die Sache immer spannender.
Als Hardware-Redakteur galt es dann sehr zeitnah ein repräsentatives Testfeld zu bestimmen - z.B. aktuelle Spiele-Grafikkarten bis 500 Mark. Heute, in Zeiten des Internets mag das trivial erscheinen. Anfang der 90er war es dazu aber extrem wichtig, sich im Markt auszukennen und die richtigen Kontakte zu haben.
Bis die Geräte eintrafen, konnte man sich allgemeinen Beiträgen wie z.B. Grundlagenartikel, Aktuelles oder Tipps&Tricks widmen. Danach kämpfte man eigentlich immer mit den Testgeräten, die bisweilen noch mit der heißen Nadel gestrickt waren. Denen dann brauchbare Messergebnisse abzuringen konnte (und kann) einen regelrecht zur Verzweiflung treiben. Dann schließlich musste man die Artikel durch das Layout begleiten. Anno '92 hatten wir noch Klebelayout. Das war damals schon vorsintflutlich, heute kennt das gar keiner mehr.
?: Hast du auch privat am Computer noch gearbeitet oder wurde da eine Grenze gezogen?
gp: Nein, ich hab mich stets auch privat mit Computern beschäftigt. Dann aber meist mit unterhaltsamen Themen - vor allem Spiele.
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Berichte mit euren verglichen?
gp: Ja, ich habe das auf jeden Fall. Das fand aber nur sehr selten im Rahmen einer Konferenz statt. Es gab da auch keine offiziellen Arbeitsanweisungen. Das musste bei DMV/WEKA jeder in eigener Verantwortung tun. Dank so genannter Austausch-Abos, konnte stets jeder Redakteur jede andere Computer-Zeitschrift kostenlos abonnieren. Davon wurde reger Gebrauch gemacht.
?: Wieso sterben in Deutschland die Spielezeitschriften langsam aus und welches Magazin ist momentan dein Favorit?
gp: Der Fachzeitschriften-Markt steckt generell in einer Krise. Die Gesamtauflage (also alle Hefte aller Verlage zusammengenommen) sinkt schon seit langem, in den letzten 2 bis 3 Jahren jedoch sogar dramatisch. Die meisten Print-Redaktionen kämpfen um das nackte Überleben. Sinkende Einnahmen durch den Heft- und Anzeigenverkauf, verleitet die Manager der Verlage zu strikten Sparmaßnahmen. Gespart wird vor allem beim Personal, aber auch beim Heftumfang. Das kommt nicht unbedingt der Qualität der Hefte zu Gute, was wiederum dafür sorgt, dass noch weniger Hefte gekauft und noch weniger Anzeigen geschaltet werden. Das mündet in eine teuflische Abwärtsspirale, die in den meisten Fällen mit dem Aufschlag am Boden - sprich der Einstellung eines Heftes - endet. Das kann und konnte man bei diversen Heften diverser Verlage beobachten.
Die einzige Zeitschrift, die sich nach meiner Einschätzung vehement gegen diesen Trend stemmt ist die c't. Gleichzeitig war und ist sie - selbstredend neben dem PC Magazin - auch mein persönlicher Favorit.
?: Wie denkt du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du retro?
gp: Anfang der 90er herrschte noch eine gewisse Goldgräberstimmung vor. Berichterstattung zum Thema Computer fand fast ausschließlich in Computerzeitschriften statt. Die Soft- und Hardware-Hersteller hatten fette PR-Budgets, die sich ebenso fast ausschließlich auf die Computerzeitschriften verteilten. Zudem waren sehr viele Computeranwender noch sehr an der Technik und am Programmieren interessiert. Neben Büchern waren Computerzeitschriften so ziemlich die einzige Informationsquelle. Das bescherte den Verlagen volle Kassen wodurch die meisten Redaktionen ohne finanziellen Druck arbeiten konnten. Heute wird um jeden Leser und jeden potentiellen Anzeigekunden gekämpft. Der Druck, den das Management auf die Redaktionen ausübt, ist immens gewachsen.
Dafür war die Recherche früher um einiges schwieriger. Man war auf beste Kontakte in die Industrie angewiesen um an die wirklichen Neuigkeiten zu kommen. Heute findet man fast jede Information im Internet. Natürlich sind gute Kontakte immer noch wichtig. Dennoch ist die Recherche inzwischen ungleich einfacher.
Manchmal trauere ich der "guten alten Zeit" nach - ich bin also Retro, wenn Du so willst. Wobei man das auch immer gerne romantisch verklärt. Bei mir waren gerade die ersten paar Jahre punkto Arbeitsbelastung extrem hart. Aber es war halt auch sehr spaßig und unbeschwert.
?: Wie lange warst du dann insgesamt beim Verlag und warum hast du diesen dann verlassen?
gp: Ich war ziemlich genau 20 Jahre im Verlag. Obwohl mir der Job bis zum letzten Tag enorm Spaß gemacht hat, kam ich zur Ansicht, dass die Aussichten der Print-Bereich auf lange Sicht nicht allzu rosig sind. Da ich mich mit Mitte 40 noch jung genug fühlte, etwas Neues anzufangen, habe ich eine sehr gute Gelegenheit zur beruflichen Veränderung beim Schopf gepackt.
?: Was machst du heute?
gp: Ich bin EDV-Leiter in einem mittelständischem Betrieb. Das hört sich vielleicht erstmal langweilig an, ist aber auch äußerst spannend.
?: Hast du früher gespielt und spielst du heute noch Computerspiele?
gp: Ich habe Computer von Anfang an - mein erster war ein programmierbarer Taschenrechner von TI - auch zum Spielen "missbraucht". Mit meinem C64 habe ich sogar fast ausschließlich gespielt. Für meinen ersten PC hab ich mir den Ur-Soundblaster besorgt - natürlich zum Spielen und auch die Anschaffung meines 486er - ich habe damals nur für das Motherboard 4000 Mark hingeblättert - war nicht unmaßgeblich der Tatsache geschuldet, dass Wing Commander auf dem ollen 286er einfach zu langsam lief.
Heute spiele ich nur mehr gelegentlich - dann aber vor allem Aufbausimulationen wie Anno oder Sim City.
?: Du warst ja in der Hardware-Abteilung, habt ihr da mit einen euren Spiele-Magazinen zusammengearbeitet?
gp: Direkt zusammengearbeitet haben wir nur in seltenen Ausnahmefällen. Was Spiele-Grafikkarten anging, haben wir sicherlich von der PC Player und dem KnowHow von Boris 'Bobo' Schneider profitiert. Er war einer der ersten (wenn nicht sogar der erste) der einen Art Real-World-Grafikkartenbenchmark für 3D-Beschleuniger entwickeln ließ. Der Benchmark stand dann auch uns zur Verfügung. Daneben haben wir uns auch gelegentlich mit Testgeräten ausgeholfen. Wenn wir etwas früher hatten - z.B. eine neue Intel-CPU oder Grafikarte - dann stand die auch den Player-Jungs zur Verfügung und umgekehrt. Zudem gab es einen regen Austausch über technischen Details - vor allem mit den PC Player Hardware-Kollegen Nico Ernst und Thomas Kögelmayer.
Insgesamt war das Verhältnis sehr freundschaftlich. Man hat sich gekannt, geschätzt, miteinander geratscht und Späße gemacht. Aber dennoch waren das irgendwie zwei Welten. Die PC Player Kollegen - vor allem die erste Garde - waren schon irgendwie noch eine Nummer krasser drauf als wir.
?: Was hältst du von Emulation? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?
gp: Ich bin ein großer Fan von Emulatoren und virtuellen Maschinen. Natürlich habe ich auch diverse alte Klassiker - zunächst vom C64, dann von Atari ST - gespielt. Dabei waren ehemalige Kracher wie Dropzone oder Sidewinder.
Auf einer virtuellen DOS Maschine habe ich alle Teile von Space Quest und Wing Commander, sowie meine Lieblings-Flipper aus DOS-Zeiten nochmals gespielt. Ich muss sagen - vor allem die Flipper machen heute noch genauso viel Spaß wie früher. Dagegen musste ich für meine Person feststellen, dass von den allermeisten C64-Spielen doch irgendwie der Lack ab ist. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
?: Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
gp: Ich werde selbst immer mehr Retro. Auf meinen VMWare-Player tummeln sich alle möglichen alten und uralten Betriebssysteme, ich kann mich kaum von alter Hardware trennen und stöbere ab und an bei ebay nach alten Schätzchen wie z.B. einem Next-Computer oder einer alten SGI Workstation. Also wenn Ihr alle einen Schuss habt, habe ich auch einen.
?: Danke für das Interview Günter, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.


Interviewer war Kultboy. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Günter Pichl, eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (12)Seiten: [1] 
19.06.2016, 19:55 Pascal Parvex (108 
Die ASM und somit den Tronic-Verlag habe ich noch mitbekommen. Ich habe so 1992-1995 ASMs und die Nachfolgezeitschrift PC-Spiel gekauft.
05.06.2014, 19:58 SarahKreuz (10000 
Autor und Magazin sind mir völlig unbekannt. Aber Interviews sind immer interessant. Lernt man halt mal was über den Tellerrand hinaus kennen.
01.03.2014, 12:18 game01er (9 
Sehr interessant. Danke
18.02.2014, 18:28 Evil (644 
Ich hab Tronic als lebenden Verlag kaum mitbekommen, der wurde geplättet, als ich eingeschult wurde...

Glaube, ich hab den Zusammenhang hier gefunden: http://www.roman-mueller.de/historie/
18.02.2014, 18:03 kultboy [Admin] (11495 
Antowrt von Günter:
Doch, ich meinte eigentlich schon die ASM, denn Tronic gehörte bis Anfang '93 zu DMV.

Tronic gehörte damals zu DMV? Habe ich was verpasst oder verdrängt?
18.02.2014, 17:21 kultboy [Admin] (11495 
Richtig erkannt! Werde da noch nachhaken bei Günter...
17.02.2014, 20:42 Evil (644 
Für die Kollegen in Eschwege - dort war das Stammhaus des DMV-Verlags, mit Zeitschriften wie der PC Pur, der ASM oder der Amstrad PC - war das keine gute Sache


Kann mir jemand den Zusammenhang zwischen DMV und ASM erklären? ASM gehörte doch zum Tronic-Verlag.
17.02.2014, 15:20 drym (4220 
Schönes Interview mit mal wieder netten Einblicken in eine Szene, die heute so nicht mehr Existiert.
17.02.2014, 12:28 Frank ciezki [Mod] (3803 
Twinworld schrieb am 17.02.2014, 06:43:
Schön zu Lesen das auch die Staubtrockenen Hardware Junkies sich gegen dem Reiz des Zockens nicht wehren konnten.


Na,ja.
Für irgendwas muß die ganze, fette Hardware ja auch gut sein und nichts, hat das Hardwarekarussel in den letzten Jahrzehnten so schnell gedrehr, wie die Spiele-Industrie.
Kommentar wurde am 17.02.2014, 12:29 von Frank ciezki editiert.
17.02.2014, 08:01 kultboy [Admin] (11495 
Frank ciezki schrieb am 16.02.2014, 21:20:
Wie kam es dazu, Kulty ?
Das ganze war eher spontan...
17.02.2014, 06:43 Twinworld (2716 
Schön zu Lesen das auch die Staubtrockenen Hardware Junkies sich gegen dem Reiz des Zockens nicht wehren konnten.
16.02.2014, 21:20 Frank ciezki [Mod] (3803 
Oh,ein Überaschungsinterview (oder habe ich die Ankündigung verpennt ?), wie schön.Sehr interessanter Einblick, aus einer etwas anderen Perspektive der Branche.Wie kam es dazu, Kulty ?
Was ist eigenlich mit Michael Scharfenberger ? Von dem hört man ja auch im Zusammenhang mit der Power Play immer wieder.Vieleich bekommen wir den ja auch mal zu einem Interview überredet.
Kommentar wurde am 16.02.2014, 21:22 von Frank ciezki editiert.
Seiten: [1] 


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