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Das Interview wurde am 26.10.2014 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Toni Schwaiger
Alter: 48 Jahre
Karriere: Abitur, Redakteur „68000er“, Leitender Redakteur „ST-Magazin“, Stellv. Chefredakteur „TOS“, Freier Redakteur & Videoproduzent „PC Player“, Gründungsmitglied & Leiter Medienproduktion „GameStar“.


?: Fangen wir mal von ganz vorne an: Wie hat deine Karriere als Softwareentwickler bzw. Journalist angefangen? Was hast du davor gemacht?
ts: Ich war Schüler am Gymnasium Bad Tölz, habe 1983 nach einem kurzen VC-20-Intermezzo einen Commodore 64 bekommen und mir damit Basic und Assembler beigebracht. Meinem Abi-Schnitt Anno 1985 hat das leider gar nicht gut bekommen.
?: Du hast ja das sehr populäre Programm „StarTexter“ programmiert. Wie kam es dazu eigentlich?
ts: Textverarbeitungen für den C64 waren damals teuer und beherrschten selten Umlaute. Also begann ich eine eigene zu basteln, die meine Freunde und ich beispielsweise zum Anfertigen unserer Leistungskurs-Facharbeiten nutzen. Sie ermunterten mich schließlich, das Programm doch bei Verlagen einzureichen. Tatsächlich kaufte es der Sybex-Verlag und brachte den StarTexter im Herbst 1985 in mehreren Ländern heraus. Danach folgten noch Adaptionen für den C128 und den Atari XL sowie eine Datenverwaltung.
?: Bei welcher Computer-Zeitschrift hast du angefangen? Kannst du dich noch an deinen allerersten Arbeitstag erinnern? Vor allem, wie war er?
ts: Mein erster Arbeitstag als Redakteur war der 15. April 1986 bei der „Happy Computer“. An diesen hab’ ich keine besondere Erinnerung mehr, wohl aber wie ich zu dem Job gekommen bin: Auf der CeBIT 1986 präsentierte ich noch meine Programme am Sybex-Stand, als ein gewisser Boris Schneider mich ansprach und auf einen Plausch an den Markt&Technik-Stand einlud. Dort besiegelte Chef Michael Scharfenberger bei einem Glas O-Saft meine erste Redakteurs-Anstellung.
?: Wieviel verdiente man als Redakteur?
ts: 2000 DM betrug glaub ich mein Einstiegs-Gehalt, das sich aber rasch steigerte. In leitender Position waren über 3000 Mark drin, (stellvertretende) Chefredakteure verdienten 4000 DM und deutlich darüber.
?: Wie hast du die Kollegen in Erinnerung? War alles mehr familiär?
ts: Familiär, kumpelhaft, verrückt - eine Mischung aus allem. Wir knuddelten Redaktions-Hunde, lieferten uns in den Gängen Wasserpistolen-Schlachten, nervten mit peinlichen Videodrehs. Die Chefs hielten uns an einer sehr, sehr, sehr langen Leine. Wenn ein Drucktermin zu platzen drohte gab’s einen Hunderter Pizza-Geld für eine Notfall-Nachtschicht statt Abmahnungen. Großartige Zeit, großartige Lehrmeister von denen man fachlich und menschlich sehr viel mitnehmen konnte.
?: Wie darf man sich einen Arbeitstag vorstellen? Wie lief das so ab?
ts: Arbeitsbeginn war irgendwann gegen 9 oder 10 Uhr. Man kannte aus den Redaktionskonferenzen sein Arbeitspensum für den Monat und besorgte Testmuster, betreute externe Autoren, schrieb selber, schraubte und lötete. Und man verbrachte so manche Nacht am Schreibtisch - irgendwann musste man bei allem Spaß ja sein Pensum erfüllen. Getippt wurde auf schrecklich alten PCs mit Diskettenlaufwerken und Grün- oder Bernsteinmonitoren. Layout geschah in einer anderen Abteilung und wurde noch händisch mit spaltenweisen Ausdrucken und Gummi-Kleber ausgeführt. Aber ey - immerhin keine Schreibmaschinen!
?: Du hast ja bei einigen Zeitschriften mitgearbeitet, am längsten z.B. bei der GameStar. Jetzt im Nachhinein gesehen, welche war die schönste Zeit? Warum?
ts: Tatsächlich die Anfangszeit bei der Happy Computer. Kein wirklicher Stress, keine große Verantwortung und das ganze Business war neu. Hinzu kamen meine ersten großen Dienstreisen: unvergessen drei Wochen USA - inklusive Skywalker-Ranch - mit Boris Schneider.
?: Was denkst du über den Werdegang bzw. Niedergang der PC Player?
ts: Es war eine schnelllebige Zeit damals. So schnell wie die PC Player aufgestiegen war, so schnell kriselte es irgendwann hinter den Kulissen. Als erst Heinrich und schließlich Boris das Chef-Handtuch warfen war es Zeit für die halbe Mannschaft sich eine neue Herausforderung zu suchen - GameStar sollte sie heißen.
?: Wer hatte damals die Idee zu den Multimedia-Leserbriefen?
ts: Die erste Folge produzierten Boris Schneider und Heinrich Lenhardt selber und erkannten dabei, dass dies neben ihrer Chefredakteurstätigkeit schlicht zu aufwändig war. Also übergaben sie Mikrofon und Objektiv dem Schwaiger, der fortan alle Folgen als Regisseur, Kamera- und Tonmann, Cutter und Visual Effects Specialist realisierte. Boris & Heinrich blieben aber die kreativen Köpfe, Autoren und Moderatoren der meisten Episoden.
?: Wie lange brauchtet ihr um eine komplette Folge zu drehen und anschließend zu bearbeiten?
ts: Sehr unterschiedlich aber - immer irgendwie zu lange. So ein, zwei Tage drehen, gut eine Woche produzieren. Man musste die zeit- und personalintensive Produktion ja irgendwie in den Alltag eines Printmagazins integrieren. Bei allen Limitationen hatten wir zudem einen Hang zur Perfektion und kontinuierlicher Steigerung; da lagen bisweilen Nerven blank und Deadlines wurden gerissen.
?: Gibt es lustige Anekdoten aus der Zeit wo ihr die Folgen gedreht hattet?
ts: Eigentlich ist jede Folge eine Aneinanderreihung von Anekdoten. Irgendwann haben wir entdeckt, dass die Drehpannen (Outtakes) mindestens so lustig waren wie die Folge selbst und darum wurden die bald regelmäßig zusätzlich veröffentlicht.
?: Du warst ja immer der "Hardware-Onkel", wolltest du nicht auch mal was anderes machen?
ts: Nicht wirklich. Ich mag Nischen, und in der Hardware-Ecke fühlte ich mich wohl. Spiele zu testen mag für viele verlockender klingen - ich hatte mich nie dafür interessiert. Mit steigender Komplexität und Anzahl der Fun- und Spielevideos auf den Cover-CDs durfte/musste ich schließlich auch die Testerei an den Nagel hängen.
?: Spielst du eigentlich auch? Wenn ja, welche sind deine Lieblingsspiele (Hardware egal)?
ts: Ich war nie der große Computerspieler. Immer nur wenige Titel, die mich irgendwie gefesselt haben. Spontan fallen mir alte und aktuelle Titel ein wie M.U.L.E., Ballblazer, Archon, Mahjong, Monkey Island, Quake, Counterstrike (Fire in the Hole!), Battlefield, Halo, Project Gotham Racing, Rock Band, Tower Madness.
?: Hast du auch privat am Computer noch rumgeschraubt, oder hattest du die Nase voll?
ts: Privat und Beruf waren immer miteinander verbunden, zumal ich auch viele Jahre selbständig gearbeitet habe. Das ging uns allen so, eine strikte Trennung erschien damals weder nötig noch irgendwie sinnvoll realisierbar. In der ersten 68000er erschien die Bauanleitung eines von mir entwickelten Audio-Digitizers inklusive Software und Platinenlayout, das liegt lang zurück und war schon irgendwie Hardcore. Bis heute kann ich die Schrauberfinger nicht lange stillhalten. Jetzt seziere ich eben meine Macs und iPhones, löte und programmiere Mikrocontroller - das „Internet der Dinge“ wie man wohl dazu sagt.
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Berichte mit euren verglichen?
ts: Logisch. Wettbewerber spornen an, sorgen dafür, dass man nicht einrostet. Und gesundes Kräftemessen mit der Konkurrenz hilft obendrein, dass man sich intern nicht so schnell in die Wolle kriegt.
?: Zu welchen deiner ehemaligen Kollegen hast du heute noch Kontakt?
ts: Boris Schneider-Johne zählt zu meinen engsten Freunden; auch Michael Graf, Martin Deppe oder Christian Schmidt können sich nur schwer dem zweifelhaften Charme meiner Flachwitze entziehen. Ansonsten helfen der Herr Zuckerberg und die regelmäßigen, grandiosen Veteranentreffen bei Boris beim Kontakt halten gerade mit Kollegen der ersten Stunde.
?: Was machst du heute eigentlich beruflich?
ts: Seit einigen Jahren arbeite ich als Lehrrettungsassistent beim Bayerischen Roten Kreuz. Das Metier ist mir aus Zivildienstzeiten bekannt und mit viel Abwechslung, Verantwortung und Menschenkontakt verbunden. Nebenbei zimmere ich an iOS-Apps und den besagten Mikrocontrollern.
?: Wieso sterben deiner Meinung nach in Deutschland die Spielezeitschriften langsam aus und welches Magazin ist momentan dein Favorit?
ts: Als Co-Gründer bin ich natürlich der GameStar immer noch verbunden, zumal noch einige wertgeschätzte Ex-Kollegen und -Kolleginnen dort arbeiten. Leider beträgt die Auflage nur noch ein Fünftel unseres damaligen Spitzenwerts von 364.000 Stück, der Konkurrenz geht’s nicht besser. Der Grund simpel, das Nutzerverhalten hat sich verändert, das Internet befriedigt heute fast alle Spielerbedürfnisse schneller, billiger und leider teils auch besser. Selbst mit besseren Print-Online-Strategien könnte man in meinen Augen den Wandel nur abbremsen, aber nicht anhalten oder gar umkehren.
?: Kannst du dir vorstellen nochmal im Print-Bereich zu arbeiten?
ts: Sag niemals nie - sprach’s und schrob in den letzten Monaten ein paar Budget-Simulationen-Tests für die GameStar. Ja, ich konnte noch nie gut nein sagen.
?: Wird der boomende Retro-Zeitschriften-Markt bald zu einer Übersättigung führen, die uns zwingt die selben alten Geschichten wieder und wieder zu lesen?
ts: Die Retro-Prints sind in meinen Augen ein kurzlebige Modeerscheinung und werden bald wieder verschwinden… bitte steinigt mich nicht.
?: Liest du überhaupt Retro-Zeitschriften wie zb. die RETURN oder Retro Gamer?
ts: Nicht regelmäßig. Aber ich war eben auch nie der Power-Gamer.
?: Wie denkst du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du retro?
ts: Haha natürlich bin ich mit Stolz retro! Allein schon weil es besser klingt als „alt“. Wir hatten eine intensive, spannende, erfolgreiche Zeit damals und denken sehr gerne daran zurück. War alles besser? Nein, sicher nicht alles. Aber es ging so bis zum Jahr 2000 stetig aufwärts. Das vermittelt bei allem Stress eine nachhaltige Befriedigung. Ich war bei vielen Objekten in der Gründungsphase mit dabei (u.a. 68000er, PC Player, GameStar) und das liegt mir. Ich bin nicht gut in Rezessionsphasen und suche möglichst vorher Alternativen.
?: Wie denkst du über Retro-Fans wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
ts: Natürlich ist das cool. Wir haben zu unserer aktiven Zeit gerne und ohne Starallüren Autogramme gegeben - die Zeiten sind mittlerweile vorbei, wir sind raus aus den Charts und rein in die Oldie-Ecke. Ich denke, dass ihr uns, unserer Arbeit und unserer Zeit sehr viel Respekt entgegenbringt - und dafür meinen herzlichen Dank!
?: Kultboy.com bedankt sich im Namen aller Mitglieder für das Interview und wünscht viel Erfolg und Gesundheit für dein weiteres Leben.


Interviewer war Kultboy. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Toni Schwaiger,
eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (10)Seiten: [1] 
30.10.2014, 15:24 SarahKreuz (10000 
Der Mann kommt vom anderen Ufer: ST-Magazin, TOS ... und da ich die PC Player auch nie gelesen habe, ist es kein Wunder, dass ich ihn erst zu GameStar-Zeiten auf dem Radar hatte. Dort aber schon als Video-Guru. Startony war immer das Maß aller Dinge. Jede YouTuberin (und auch die männliche Fraktion ) will doch Produktionstechnisch mal sein Level erreichen. Verdammt! Und während die meisten daran kläglich scheitern, erfahre ich, dass er auch schreiben kann, lobe ihn für seinen Verriss in einer aktuellen GameStar und sehe reichlich dämlich aus, als er antwortet, dass er ja eh eigentlich der Schreiberzunft entspringt.
Ach!? So!?

So un-Nerdig kann's gehen. Und so wird jemand völlig anders wahrgenommen ... OBWOHL ursprünglich Redakteur; DAS hier ist Video-Tony, dat is so!

Schönes Interview. War ein sehr Interview-reiches Jahr 2014 auf Kultboy, so gefühlt, ohne groß nachzuzählen. Kann gerne so weiter gehen
28.10.2014, 18:04 PaulBearer (930 
Ach, irgendwann ist das, was heute aktuell ist, auch wieder Retro, also wird der Stoff nicht ausgehen...

Ja, Toni kommt super-symphatisch rüber. Damals war er in den Spielezeitschriften ja eher der "Mann in der 2. Reihe", aber ich würde gerne mehr von ihm hören/lesen.

Sind die 2000 Mark netto oder brutto?
Kommentar wurde am 28.10.2014, 18:08 von PaulBearer editiert.
28.10.2014, 15:34 phlowmaster (561 
Danke für das Interview.Gefällt mir sehr gut.
ts: 2000 DM betrug glaub ich mein Einstiegs-Gehalt, das sich aber rasch steigerte.
Unter dem Gesichtspunkt wie preiswert zu damaliger D-Mark Zeit,im gegensatz zur Eurozeit vieles war,musste ein derartiger Lohn gerade zu fürstlich sein.
27.10.2014, 14:23 docster (3389 
Ein sehr sympathisches, interessante Einblicke eröffnendes Interview.

Die Meinung über Retromagazine verstehe ich keinesfalls despektierlich, doch durchleben Printmedien in der Tat eine bereits länger anhaltende schwere Phase, und auch das Retrosegemnet dürfte der "Selbstbereinigung" des Marktes unterliegen ( wie die "Power Play" bedauerlicherweise leidvoll erfahren mußte ).

Sich als Premiummagazine verstehende Hefte haben aber ohne Zweifel ihre Chancen.

Die Schilderungen zu damaligen Arbeitsbedingungen machen mich immer wieder aufs Neue neidisch...
27.10.2014, 11:37 StarTony (1 
Commodus schrieb am 26.10.2014, 20:27:
Wieder mal ein sehr informatives Interview! Vielen Dank!
...ich hoffe allerdings das die Retro-Mags noch ne Weile auf dem Markt sind! Papier ist einfach schöner zu lesen.

Das hoffe ich natürlich auch und ziehe meinen Hut vor den Machern. Mein Begriff "Modeerscheinung" ist nicht abwertend zu verstehen; ich befürchte eben nur dass Auflagen und Anzahl der Magazine in Zukunft eher schrumpfen werden. Das muss aber nicht zwangsläufig zu Lasten der Qualität der verbleibenden Titel gehen.
Kommentar wurde am 27.10.2014, 11:37 von StarTony editiert.
27.10.2014, 10:30 Wurstdakopp (1295 
Super Interview, hatte seinen Werdegang gar nicht so auf dem Schirm, muss mich also mal mehr mit ihm retrospektiv befassen.
27.10.2014, 06:33 Adept (1167 
Sehr schönes Interview mit einem sympathischen Gesprächspartner.
Ich glaube, wenn man Magazine wie das 68000er oder TOS beackert, glaubt man wohl rückblickend, JEDES speziefische Magazin wäre eine Modeerscheinung. Was ja auch mit Abstrichen stimmmt.

Ich vermisse das 68000er fast so sehr wie den Joker. Fand es damals sehr informativ und bei weitem nicht so dröge, wie es der Titel vielleicht erahnen lassen mochte.
27.10.2014, 01:17 Retro-Nerd (13460 
Die Retro-Prints sind in meinen Augen ein kurzlebige Modeerscheinung und werden bald wieder verschwinden… bitte steinigt mich nicht.


Die englische Retro Gamer gibt es seit 2005. Die RETURN mittlerweile auch seit 5 Jahren. Die Retro seit 2006. Scheint also doch noch zu funktionieren.
Kommentar wurde am 27.10.2014, 01:17 von Retro-Nerd editiert.
26.10.2014, 21:42 Frank ciezki [Mod] (3803 
Der Grund simpel, das Nutzerverhalten hat sich verändert, das Internet befriedigt heute fast alle Spielerbedürfnisse schneller, billiger und leider teils auch besser


Mutige Aussage, Herr Schwaiger.
Respekt.
26.10.2014, 20:27 Commodus (6219 
Wieder mal ein sehr informatives Interview! Vielen Dank!

...ich hoffe allerdings das die Retro-Mags noch ne Weile auf dem Markt sind! Papier ist einfach schöner zu lesen.
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