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Power Play 10/93



Zu zynisch

Vor kurzem kam mir bei einem Freund das von Euch hochgelobte "Syndicate" zwischen die Finger. Gleich vorweg: Das Programm ist brilliant realisiert (ich komme auch aus der Softwarebranche)! Doch nach einiger Spielzeit steigerte sich weder unsere Motivation, noch gerieten wir in einen Spielrausch. Etwas ganz anderes stellte sich ein: Zunehmender Widerwille, die nächste Mission anzu- nehmen, nach 7 oder 8 Aufträgen richtigen Ekel ob dieser sinnlosen Abschlächterei, und uns wurde klar: Dieses "Spiel" ist blanker Zynismus. Hier wurde eine Grenze überschritten, dieser "Kick", der jedes neue Spiel einen Schritt weiter nach vorne verlegen muß, die unerträglich ist. Zum realistischen Empfinden des Tötens fehlen nur noch die grauenvollen Schreie der Niedergemetzelten. Nun sagt bloß nicht, dies alles sei ein Spiel: Wer, wie einer Eurer Tester, nachts Phantasien entwickelt, wie er wohl am besten eine Zeitbombe plaziert, um möglichst viele Leute hochzujagen, sollte mal einhalten und darüber nachdenken, wie weit er sich schon gefühlstot in eine Einbahnstraße manövriert hat. Ich jedenfalls habe Syndicate der Bundesprüfstelle ans Herz gelegt. Und noch eines: Es ist mir klar, daß POWER PLAY nicht gerade als kritisches Forum zu diesem Thema betrachtet werden kann. Aber bitte betrachtet diesen Brief als ernstgemeinten Beitrag und, falls er Eure Beachtung findet, kommentiert ihn ohne pupertäre Sarkasmen.
Karl-Heinz Gille, Ettlingen-Spessart


Warum bitte soll die POWER PLAY nicht als kritisches Forum zu diesem Thema betrachtet werden? Ich würde fast sagen, daß dies sogar der am besten geeignete Platz für eine solche Diskussion ist! Ich bin übrigens auch weit entfernt davon zu sagen, Syndicate sei ein zynisches Spiel. Ich finde es viel eher schrecklich, daß nur ein paar hundert Kilometer von hier echte Menschen im Granat- hagel sterben und ein Haufen Spinner nichts besseres zu tun hat, als sich gegeseitig abzuschlachten. Der Zynismus liegt viel eher darin, daß die Weltöffentlichkeit dem Sterben echter Menschen so teilnahmslos zusieht, selbsternannte "Weltpolizisten" einen Kleinstaat im nahen Osten mit einem gigantischen Aufwand an Material und Menschen befreien, damit der Nachschub an Treibstoff gesichert ist, aber sich die gleichen Staaten nur in billige Parteipolemik flüchten, wenn es um die Metzeleien im ehemaligen Jugoslawien geht. Wir sind weder gefühlstot, noch verschließen wir unsere Augen vor dem Weltgeschehen, noch vergessen wir die Grenze zwischen einem Computerspiel und der Realität. mh
von Darkpunk

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User-Kommentare: (24)Seiten: [1] 2   »
01.09.2021, 14:08 Commodus (6223 
Frank ciezki schrieb am 01.09.2021, 11:31:
Hmmm, in der Regel sind Leute die in der Realität so denken die schlimmsten Psychopathen überhaupt.


Naja, es ist doch ein Unterschied, ob ich VIRTUELL wohlgemerkt, ein nachvollziehendes Ziel habe. Also Feinde, die mein Land bedrohen (Freedom Fighters) bzw. meine Frau geraubt, oder getötet haben (Max Payne), oder sonstige Widerlinge bekämpfe, die mir, meiner Familie, oder mein Dorf, Land, Nation ans Leder wollen.

Morden, um des Spaßes willen, Carmageddon, Manhunt etc. oder als Auftragsmörder, der dafür extra gezüchtet wurde (Hitman) empfinde ich als abartig.
Kommentar wurde am 01.09.2021, 14:08 von Commodus editiert.
01.09.2021, 12:38 mark208 (1173 
Mir ist ja schon klar, dass auch Spiele nicht zu schwarz weiß malen sollten. Aber nehmen wir Farcry 4, die eine Gruppe der Rebellen sind zwar modern, aber ohne Moral, die anderen haben vordergründig weitaus mehr Anstand, sind aber doch in veralteten religiösen Vorstellungen verhaftet, dass man eigentlich nur die Wahl zwischen Teufel und Belzebub hat. Eigentlich müsste man ne eigene Fraktion aufmachen.

Ich spiele jetzt seit einigen Monaten Skyrim und konnte mich immer noch nicht entscheiden, ob kaiserliche oder Sturmmäntel. Beide tragen zuviel negatives auf ihren Schultern.

Laut Southpark hat man eh immer nur die Wahl zwischen Rieseneinlauf und Kotstulle, vielleicht ist das ja auch die Denke der Entwickler.
01.09.2021, 12:25 Bearcat (3872 
Frank ciezki schrieb am 01.09.2021, 11:31:
Commodus schrieb am 31.08.2021, 07:50:
Wenn ich im Auftrag der Ehre töten soll, oder eben ganz einfach ein Held mit einem glänzenden Ziel bin, der über Leichen gehen muss, um sein Land, eine Prinzessin, oder allgemein die Welt zu retten, bin ich dabei.


Hmmm, in der Regel sind Leute die in der Realität so denken die schlimmsten Psychopathen überhaupt.

Tja, genau so ist es. Auch diese Gestalten waren absolut davon überzeugt, etwas edles, wahres und richtiges zu tun.
01.09.2021, 11:31 Frank ciezki [Mod] (3803 
Commodus schrieb am 31.08.2021, 07:50:
Wenn ich im Auftrag der Ehre töten soll, oder eben ganz einfach ein Held mit einem glänzenden Ziel bin, der über Leichen gehen muss, um sein Land, eine Prinzessin, oder allgemein die Welt zu retten, bin ich dabei.


Hmmm, in der Regel sind Leute die in der Realität so denken die schlimmsten Psychopathen überhaupt.
01.09.2021, 10:09 mark208 (1173 
Es kommt halt auf das Maß an, bereits beim Schach opfer ich Figuren, die aber eigentlich Kampfeinheiten symbolisieren. Beim Battle Chess wird dieser Umstand noch witzig auf die Spitze getrieben.

Es ist halt schon ein Unterschied inwieweit man diese Tötungen zelebriert. Auch ob das ganze eher zynisch dargestellt wird, ist ein Umstand.

Deswegen kann man die Kritik nicht einfach so abtun, es gibt durchaus Dinge, wo es zu weit geht.

hier ist ja auch ein Unterschied zum Schauspiel, der Schauspieler mag oft die dunklen Charaktere, weil er dort dem Publikum eine Vielschichtigkeit zeigen kann. Beim Computerspiel bin ich aber der Schauspieler und das Publikum zugleich, weshalb man sich eigentlich eher mit seiner Spielfigur identifizieren möchte.

Und da muten einem die Entwickler schon viel zu, unabhängig von der Darstellung der Tötungen, möchte ich halt keine Leute ermorden und dann verspeisen, ich möchte auch nicht Julius Caesar höchstpersönlich töten oder die Wahl haben mich dem Aufstand der modernen Drogendealer und Bilderstürmer oder der rückständigen religiösen Fanatiker anschließen.
31.08.2021, 09:44 anthony_xue (197 
DaBBa schrieb am 31.08.2021, 07:42:
anthony_xue schrieb am 30.08.2021, 21:54:
Ist komisch, nicht? Sind doch alles bloß Pixelhaufen. Immersion kann auch Nachteile haben
Tja, nu. Ein Porno und eigentlich jeder Film ist im digitalen Zeitalter auch nur noch eine Serie von digitalen Pixelgrafiken. Trotzdem beschäftigen sich die Leute damit, was sie sehen.


Der Vergleich ist ja mal komplett absurd. Auch im "analogen Zeitalter" war ein Porno nur eine Ansammlung von Bildpunkten, nur nicht so hoch aufgelöst. Und alles, was in einem Porno passiert, passiert eben echten Menschen, während der Priester in Skyrim oder die kleinen Männchen in Syndicate eben nicht existieren.

Es schließt sich dann eher eine Diskussion um die Rolle der Fantasie und die Nebenwirkungen immersiver Umgebungen an - sollte in der Fantasie alles erlaubt sein, solange klar ist, dass es eine Fantasie bleibt? Gelten für ein Rollenspiel, in das ich eintauchen und in dem ich mich mit dem Hauptcharakter identifizieren will, andere Regeln als z.B. für Starcraft, in dem ich mittlerweile ungefähr 10.000 Marines in ihren auch nicht gerade blutarmen Tod geschickt haben dürfte? Solche Sachen halt.

Muss aber auch nicht sein
31.08.2021, 07:50 Commodus (6223 
Oh Dae-su schrieb am 31.08.2021, 04:51:
forenuser schrieb am 30.08.2021, 20:25:
Ach, just Hitman habe ich sehr gerne gespielt. Immer nach dem besten, also leisesten, Weg zu gesucht, das Ziel zu eliminieren. Bis heute sehr ansprechend.

Hitman hat mich nie interessiert. Charakterlose Glatzköpfe waren nie mein Ding.


Ich verstehe die Mechanik hinter Hitman schon. Ich habe ja auch Thief-Dark Project sehr gern gespielt. Da muß man ja auch schleichend seine Gegner ausschalten und die Leichen Schultern in dunkle Ecken schaffen, aber der kleine Unterschied ist, daß das Spielziel nicht der Auftragsmord, sondern das Stehlen eines bestimmten Gegenstands ist.

Ich bin da jetzt auch nicht der Moralapostel. Die erhobenen pazifistischen Zeigefinger der PP-Redaktion haben mich auch immer etwas genervt.

Darum geht es nicht, aber ich schlüpfe nicht gern in abartige Rollen, die mir nicht liegen. Daher spiele ich auch nicht gern GTA 3, 5 oder Mafia 3. Ich bin weder ein Auftragskiller, noch ein Schwarzer Rapper, oder ein mieser glatzköpfiger Psychopath.

Wenn ich im Auftrag der Ehre töten soll, oder eben ganz einfach ein Held mit einem glänzenden Ziel bin, der über Leichen gehen muss, um sein Land, eine Prinzessin, oder allgemein die Welt zu retten, bin ich dabei.
31.08.2021, 07:42 DaBBa (3193 
Frank ciezki schrieb am 30.08.2021, 14:26:
Interessant fand ich was das angeht "Watchdogs 2" von Ubisoft.
Lauter junge Hipster Revolutionäre auf der Jagd nach Social Media likes.
Beschwingte Stimmung, eine Hacker vs fiese Kapitalisten Story, aber es hat keinerlei Einfluss auf die Story, ob man in den Missionen leise und nichttödlich vorgeht, oder ein totales Massaker anrichtet.
Eine krasse Dissonanz zum allgemeinen Ton der Story.
Ja, damals haben viele Reviewer die Gruppe von Watch Dogs 2 als zu möchtegern-cool und -hipp bezeichnet. Aber faktisch ist es eben eine Clique von Außenseitern bzw. eben "Cyber-Terroristen". Nach innen sind sie "obercool", aber eigentlich sind die anderen vier Mitglieder der Gruppe a) ziemlich nerdig und b) mehr oder minder typische Klischee-Figuren/Tropes:
-> die Netzaktivistin bzw. die Nerdine
-> der schüchterne Nerd
-> der Typ, der maskiert ist (= der, der partout sein Gesicht nicht zeigen möchte)
-> der Quoten-Schwarze
Bei der RAF hat man vermutlich damals auch nach Feierabend ein paar Bierkästen geleert und "möchtegern-cool" über den Tagessieg des Antikapitalismus gejubelt. *scnr*

anthony_xue schrieb am 30.08.2021, 21:54:
Ist komisch, nicht? Sind doch alles bloß Pixelhaufen. Immersion kann auch Nachteile haben
Tja, nu. Ein Porno und eigentlich jeder Film ist im digitalen Zeitalter auch nur noch eine Serie von digitalen Pixelgrafiken. Trotzdem beschäftigen sich die Leute damit, was sie sehen.
31.08.2021, 04:51 Oh Dae-su (968 
forenuser schrieb am 30.08.2021, 20:25:
Ach, just Hitman habe ich sehr gerne gespielt. Immer nach dem besten, also leisesten, Weg zu gesucht, das Ziel zu eliminieren. Bis heute sehr ansprechend.

Hitman hat mich nie interessiert. Charakterlose Glatzköpfe waren nie mein Ding.
30.08.2021, 21:54 anthony_xue (197 
mark208 schrieb am 30.08.2021, 11:35:
Na ja, er spricht schon einen Punkt an, wir schlüpfen alle gerne in Cypberrollen, aber sind wir wirklich gerne in den Games Auftragskiller? Ich spiele grad Skryrim und ärger mich, dass ich nicht gemerkt habe, dass ich bei Quest Beginn auch die Leiterin der dunklen Bruderschaft hätte angreifen können. Irgendwie habe ich keine Lust dorthin zu gehen und irgendwelche Tötungsaufträge zu kriegen. oder die Quest wo ich sinnlos einen Priester in einen Falle locken soll, ihn dann ermorden und dann essen. Irgendwie finde ich dann meinen Spiel-Charakter irgendwann scheisse.


Ist komisch, nicht? Sind doch alles bloß Pixelhaufen. Immersion kann auch Nachteile haben
30.08.2021, 20:25 forenuser (3688 
Ach, just Hitman habe ich sehr gerne gespielt. Immer nach dem besten, also leisesten, Weg zu gesucht, das Ziel zu eliminieren. Bis heute sehr ansprechend.

Was Syndicate, von welchem ich seinerzeit nur eine Demo auf dem Archimedes gespielt habe, betrifft: Soweit ich das weiß ist der Titel, gewollt, eine recht düstere und zynische Zukunftsvision, ähnlich Wasteland. Und von Letzterem hat sich meines Wissens auch noch niemand beschwert wenn man "irre Spinner" ausschalten kann und muss.
30.08.2021, 18:26 Commodus (6223 
mark208 schrieb am 30.08.2021, 11:35:
...aber sind wir wirklich gerne in den Games Auftragskiller?


Aus dem Grunde lehne ich seit damals die Hitman-Reihe ab! Klar tötete ich in zig Egoshootern Millionen von Gegnern, aber explizit in die Rolle eines Auftragkillers zu schlüpfen ist nich so meins.

Etwas komisch war mir auch in Call of Duty meine eigenen Landsleute mit dem Gewehrkolben in die Fresse zu hauen....
30.08.2021, 14:58 Oh Dae-su (968 
mark208 schrieb am 30.08.2021, 13:17:
Ich hatte zuletzt bei The last of us 2 den Punkt, dass mich die Stealth Tötungen von Abby am Ende anwiderten, diese endlosen Sekunden, bis das Opfer erwürgt ist. Das wurde mir irgendwann zu much. Und so verstehe ich ihn, es wird irgendwann einfach zu viel zu realistisch zu widerlich

Da fühlte ich mich bereits beim Trailer - lange bevor das Spiel erschien - übel.
Natürlich gibt es kein "sanftes" Töten, aber hier fragte ich mich erstmals: Haben wir uns bereits von den IS-Videos allesamt schon so abstumpfen lassen, dass ein "normaler" Kopfschuss in Spielen zu unspektakuler bzw. langweilig ist...?

Die Prüfstellen gehören mMn sowieso reformiert. Zwischen 16 und 18 Jahren ist der emotionale Unterschied kaum vorhanden.
30.08.2021, 14:26 Frank ciezki [Mod] (3803 
Interessant fand ich was das angeht "Watchdogs 2" von Ubisoft.
Lauter junge Hipster Revolutionäre auf der Jagd nach Social Media likes.
Beschwingte Stimmung, eine Hacker vs fiese Kapitalisten Story, aber es hat keinerlei Einfluss auf die Story, ob man in den Missionen leise und nichttödlich vorgeht, oder ein totales Massaker anrichtet.
Eine krasse Dissonanz zum allgemeinen Ton der Story.
Kommentar wurde am 30.08.2021, 14:27 von Frank ciezki editiert.
30.08.2021, 13:50 DaBBa (3193 
Tatsächlich ist es so, dass die USK (und andere Prüforganisationen) eine geringere Alterseinstufung vergeben können, wenn es in einem Spiel die Möglichkeit gibt, Feinde zu überwinden, ohne sie töten zu müssen, und diese evtl. sogar mehr Punkte für den Spieler gibt.
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