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Das Interview wurde am 19.10.2007 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Rainer Rosshirt   Alter: ?
Karriere: Karriereverweigerer




?: Beginnen wir mal ganz am Anfang. Wie kam es zu deiner Karriere als Redakteur eines Spielemagazins?
rr: Vielleicht sollte man da besser jemanden fragen, der wirklich Karriere gemacht hat? Bei mir hat es 1991 angefangen, als ich noch in einem Laden Namens "PC Computercenter" in Nürnberg arbeitete. Dort lernte ich meinen späteren Chef auch kennen. Da den Verlag noch niemand kannte und Pressemuster auch sehr sporadisch eintrafen, versorgte ich sie mit den ersten Exemplaren für die Tests. Irgendwann lag mal die "Nullnummer" der Play Time vor, ich las mir die Leserbriefe durch und sprach die legendären Worte: "Das kann ja sogar ich besser." Der Rest ergab sich dann von alleine.
?: Wir haben hier ja auch eine Hand voll Spiele-Tests von dir stehen, aber hauptsächlich hast du dich ja immer um die Leserbriefe gekümmert. Wie kam es dazu?
rr: Ich bin die klassische "Frontsau" und habe mich schon immer lieber um die Leser direkt, den Problemen usw. gekümmert als im stillen Kämmerlein Tests zu machen.
?: Würdest du uns bitte einen typischen Arbeitstag von dir Beschreiben.
rr: Ich bin nachtaktiv und trete darum nicht allzu früh in Erscheinung. Als erstes werden die E-Mails gelesen und beantwortet. Dies betrifft nicht nur die klassischen Leserbriefe, sondern auch Fragen zu unseren Produkten, zu Nachbestellung, Reklamationen usw. Probleme die am Telefon unserer Zentrale aufschlage und direkt gelöst werden können landen auch bei mir. Eben alles, was man so klassisch unter dem Begriff "Leserservice" versteht. Darunter fällt auch, dass ich mich regelmäßig in den Foren herumtreibe. Das was von mir außen bekannt ist, die Leserbriefseiten (hoffe ich zumindest), schreibe ich abends zuhause. Immer wieder guck ich auch in der Redaktion der Widescreen vorbei, wo ich mir DVDs abhole zum testen. Befüllen der Aschenbecher und leeren des Kaffeeautomaten erwähne ich nur nebenbei.
?: Wie kann man sich deinen Arbeitsplatz vorstellen?
rr: Wie jeden anderen Arbeitsplatz auch. So mit PC, Monitor, Tastatur, Telefon und dem Zeugs, nur dass bei mir vielleicht mehr Gerümpel herumliegt als bei anderen. Ich hätte bitte gerne eine andere Frage...
?: Gibt es jemanden, der dir hilft, oder bearbeitest du die gesamten Leserbriefe alleine. Wie viele kommen da überhaupt in etwa rein, im Verlauf einer Woche?
rr: Unterschiedlich. Wenn Feiertage oder Ferien sind kommt deutlich mehr Post, während es bei schönem Wetter wieder weniger werden. Es erstaunt mich auch immer wieder, wie viel Auswirkungen das Wetter auf meinen Job hat :). Zwischen 300 und 500 E-Mails/Woche betrachte ich jedoch als normal. Es gibt immer wieder mal einen Kollegen, der mir hilft, weil niemand alles wissen kann. Das sollte aber normal sein, oder? Eine Extra Hilfskraft hatte ich aber nie. Wozu auch? Ich bin gerne Einzelkämpfer.
?: Läuft der Schriftverkehr mittlerweile komplett elektronisch ab, oder kommen tatsächlich auch noch richtige Briefe an?
rr: Inzwischen bringt die Post nur noch sehr wenig aus Papier. Fast immer besteht die Kommunikation bei uns aus E-Mail und Telefonaten. Briefe sind ja auch recht unpraktisch.
?: Bemerkt man mit der Zeit eine Art Generationswandel bei den Leserbriefschreibern? Ich meine, manche die heute Schreiben könnten ja wahrscheinlich zum Teil die Kinder der damaligen Schreiber sein.
rr: Ja, natürlich bemerke ich den. Es gibt zwar immer noch die "alten", aber so langsam werden sie rar. Viele, die mir inzwischen schreiben, kennen PCs ohne Windows wohl nur aus dem Geschichtsunterricht - Grammatik, Interpunktion und Rechtschreibung leider auch.
?: Leserbriefe scheinen ja heute kaum noch dem alten Frage-Antwort-Schema zu entsprechen sondern mehr eine Unterhaltungsfunktion einzunehmen.Ist das,was man da monatlich in der PC-Games sieht wirklich ein repräsentativer Querschnitt?Mit anderen Worten:Wer sucht die Leserbriefe aus und nach welchem Kriterien.
rr: Die Leserbriefseiten sollen primär unterhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Ausgesucht werden die abgedruckten Briefe/E-Mails ausschließlich von mir. Ein repräsentativer Querschnitt aller E-Mails ist es zum Glück nicht, und soll es auch gar nicht sein.
?: Du bringst deine eigene Persönlichkeit ja immer wieder stark mit ein in der Rumpelkammer. Hast du irgendwelche Vorbilder für deine Schreibe?
rr: Vorbilder habe ich keine. Dieser "Rossi" ist ja auch mehr oder weniger eine Kunstfigur, die aus Teilen von mir entstanden ist. Etwas gruselig finde ich, dass ich ihm von Jahr zu Jahr ähnlicher werde.
?: Ein berühmter Running-Gag auf deiner Lesebriefseite ist die Kleinschreibung des Wortes "gehalt". Kann man von der Arbeit als Lesebriefonkel einigermaßen gut leben, und was hat dich dazu bewogen so lange Zeit dabei zu bleiben?
rr: Ich geb es zu: Man wird davon garantiert nicht reich, aber man kann davon leben. Warum ich es schon so lange mache? Weil ich es ausgesprochen gerne mache.
?: Wie kam es eigentlich zu dem Entschluß, aus dir selbst eins der am besten gehüteten Geheimnisse Spieletestbranche zu machen?
rr: Es gab mal eine Zeit, da haben Wildfremde nächtens angerufen und waren mächtig enttäuscht, dass ich nicht auf Zuruf witzig sein kann/will. Aus dieser Zeit stammt noch meine Telefonnummer die nicht im Telefonbuch steht. Eine Abneigung gegen das fotografiert werden habe ich allerdings schon seit meiner Kindheit. Ein "Geheimnis" um meine Person mache ich eigentlich nur deswegen, weil ich der Meinung bin, dass auch ich ein Recht auf Privatleben habe und die Person "Rainer Rosshirt" eigentlich auch keinen sonderlichen Unterhaltungswert besitzt.
?: Hast du schon gelesen, wie deine Ex-Kollegen Ulf Schneider und Michael Erlwein dich in ihren Interviews hier beschreiben? Denkst du sie haben dich gut getroffen?
rr: Ja, irgendwie schon *kichert*. Vor allem der Michael, der mir im Laufe von so vielen Jahren fast so etwas wie ein Freund geworden ist, kann mich mit Sicherheit gut beurteilen.
?: Stehst du mit irgendwelchen Kollegen von damals noch im Kontakt?
rr: Nein, leider so gut wie gar nicht.
?: Einige der Leute, die in der Branche beschäftigt sind, oder es früher waren, haben hier ja zugegeben ,daß sie heute selber kaum noch spielen. Wie steht es da mit dir?
rr: Aus Zeitmangel komme ich leider relativ selten dazu.
?: Gab es damals eigentlich Kontakte zwischen den Leuten, die bei den konkurrierenden Magazinen gearbeitet haben. Hattest du mal Gelegenheit dich mit solchen Kollegen auszutauschen?
rr: Ich habe verschiedene davon kennen gelernt. Lose Kontakte sind dabei zweifellos entstanden aber von einem Austausch würde ich nicht reden. Ich bin auch nicht so der gesellige Typ...
?: Wenn man deine Rumpelkammer regelmäßig liest, kann einem kaum entgehen, daß Motorräder und Motoradfahren anscheinend zu deinen Hobbys gehören. Schon einmal in die Versuchung gekommen beruflich auch eher etwas in dieser Richtung zu machen?
rr: Nein, habe ich nicht. Da mir mein Job sehr gut gefällt, habe ich mich auch noch nicht anderes orientiert.
?: Nutzt du gelegentlich Emulatoren um alte Klassiker zu spielen?
rr: Ja. Ich bin ein großer Freund von MAME, vor allem weil es das ja inzwischen auch für meinen Pocket PC gibt.
?: Welche 5 Spiele,jetzt mal von den Anfängen bis Heute gesehen würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen.
rr: Eine einsame Insel mit Strom? Cool. Davon hab ich schon immer geträumt. OK - die Frage ist leicht zu beantworten. Das gute, alte "Elite" natürlich, schon aus sentimentalen Gründen und weil ich es damals nie über die Einstufung "tödlich" gebracht habe und dann vielleicht endlich Zeit und Muse hätte. Dann auf jeden Fall irgendeine Umsetzung von "Shanghai", weil man so etwas immer wieder spielen kann. "AOE 3" würde ich natürlich mitnehmen, weil "AOE" immer noch meine Lieblingsspielreihe ist. Und natürlich "MAME" mit einem Stapel Klassikern. Dann kann ich mir sogar das fünfte Spiel schenken. Mehr würd ich nicht brauchen, auf einer Inseln (mit Strom). Naja… Internet noch... und einen Kühlschrank... und eine Tankstelle... und eine Satelitenschüssel...
?: Irgend ein Spiel, oder sogar Genre, das du mit der Kneifzange nicht mehr anfassen würdest?
rr: Ich stell mich zu doof für die klassischen Shooter an und meide darum dieses Genre, das mich nicht liebt.
?: Was für ein Spiel, würde ein Spieledesigner Rainer Rosshirt auf den Markt bringen, wenn er die Zeit, das Geld und das Know-how hätte?
rr: Eine Art "AOE", bei dem aber sehr viel mehr zu erforschen wäre und man wesentlich mehr Techniken entwickeln könnte. Dazu noch stark verbesserte Möglichkeiten politisch zu agieren. Zusätzlich noch die Möglichkeit Einfluss auf einzelne Mitglieder des eigenen Volkes zu nehmen und ihnen individuelle Fähigkeiten zu können. Kurz - eine Art Super-AOE.
?: Gibt es irgendeinen Leserbrief, der sich bis heute in deiner Erinnerung eingebrannt hat, oder ist das alles Schall und Rauch?
rr: Klar -da gibt es sogar einige. Der berühmteste davon ist zweifellos der "Verriss" von einer gewissen Petra Maueröder, die heute mit dem Nachnamen "Fröhlich" bei uns tätig ist und sehr wohl bewiesen hat, dass sie es besser machen kann :).
?: Die Retrofrage. Macht Computernostalgie für dich Sinn? War damals wirklich alles besser, oder ist das Illusion? Wenn du etwas aus den alten Zeiten zurückholen könntest, was wäre es dann?
rr: Ich denke, der Reiz der alten Spiele lag darin, dass früher alles neu war. Heute hat man eigentlich jedes Spiel schon einmal in irgendeiner Form gesehen und es hat sich (übertrieben ausgedrückt) nur die Grafik verändert. Früher war keineswegs alles besser - nur eben neu.
?: Was denkst du über Retroseiten und Fanatiker wie uns. Ist das ne gute Sache, oder haben wie alle nen Schuss?
rr: Jeder lehnt sich doch ab und zu mal zurück und seufzt "ach ja, früher...". Obwohl ich nie wieder Gehversuche auf einen C64 machen will, war es doch der erste Computer, der mich so richtig begeistern konnte. Das ist so wie mit der ersten Freundin - so etwas vergisst man nie. Und darum gucke ich auch immer wieder mal auf euren Seiten vorbei, um in Erinnerungen zu schwelgen. Insofern ist die Antwort natürlich: "gute Sache, weiter so!"
?: Vielen Dank für das Interview im Namen von Kultboy.com und allen Beteiligten.
rr: Ich danke Euch - es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen.


Interviewer war Retrofrank. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Rainer Rosshirt,
eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (34)Seiten: «  1 2 [3] 
19.10.2007, 11:48 Pearson (206 
Jawollo, herzlichen Dank an Frank! Das bestätigt vollkommen meine Meinung von Rossi, die ich ja in meinem Interview schon kundgetan hatte. Er ist einer derjenigen, die sich in der Branche noch so etwas wie Eigenständigkeit, ein eigenes Profil bewahrt haben. Dass er nun aber ausgerechnet beim Marktführer arbeitet (arbeiten muss?), sei ihm großmütig verziehen...
19.10.2007, 10:24 kultboy [Admin] (11495 
Auch von mir danke an beiden! Echt super geworden!
19.10.2007, 10:12 hunter3000 (726 
Irgendwann lag mal die "Nullnummer" der Play Time vor, ich las mir die Leserbriefe durch und sprach die legendären Worte: "Das kann ja sogar ich besser."
19.10.2007, 09:54 Herr Planetfall [Mod] (4034 
Mit jedem Interview wird diese Seite besser! Danke an Herrn Rosshirt und Retrofrank!
Kommentar wurde am 19.10.2007, 09:54 von Herr Planetfall editiert.
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