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Das Interview mit Winnie Forster wurde am 12.12.2008 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Winnie Forster
Alter: 40
Karriere: Power Play, Video Games, Man!ac, PCXtreme, Gameplan
Homepage: www.gameplan.de



?: Beginnen wir ganz von vorne: Wie hat deine Karriere als Redakteur bei der Power Play angefangen? Was hast du davor gemacht?
wf: Vor dem Einstieg in die Spielbranche war ich Schüler. Nach Abitur und während des Zivildiensts las ich eine Markt-&-Technik-Stellenanzeige. Ich bewarb mich und wurde nach langem, ächz, Einstellungsverfahren Redakteur bei Powerplay.
?: Mit der Ausgabe 10/90 fing deine Karriere an. Kannst du dich noch an deinen ersten Arbeitstag erinnern?
wf: Vage. Ich hatte damals zwar 13 Jahre in der Schule (und zwei in der Krankenbetreuung), aber keinen einzigen Tag an einem Büroarbeitsplatz verbracht. DOS-Rechner, Spiegelreflex-Fotografie, Kontakte rund um den Globus und Tickets nach London oder Paris kamen für mich nicht nach und nach, sondern von einem Tag auf den anderen.

Da Powerplay ein Team von Nerds und Individualisten war, gab's für mich als Neuzugang nur die notwendigsten Erklärungen und keine regelrechte Einarbeitung. Ich war schließlich kein Voluntär oder Azubi, sondern gut bezahlter Fachmann, der arbeiten und sich nicht ausbilden lassen sollte. Der damalige Chefredakteur Anatol Locker nahm mich ab und an beim Händchen; von den anderen gab's nur auf explizite Nachfrage Hilfe. Jeder der Redakteure arbeitete selbstständig. Nur bei regelmäßigen Konferenzen krachten die Egos aufeinander. Trotz, vielleicht auch wegen der unterschiedlichen Charaktere war Powerplay ein sehr effektiver Arbeitsplatz.
?: Über welches Spiel hast du deinen ersten Test geschrieben?
wf: „Double Dragon 2“ für’s NES, glaube ich. Davon abgesehen war ich anfangs für Computerspiele (Amiga, Atari ST) zuständig und verschob meinen Schwerpunkt erst nach der Probezeit in Richtung Sega- und Nintendo-Konsolen, da dieser Bereich unterbesetzt war.
?: Wie hast du die Kollegen in Erinnerung?
wf: Wie angedeutet: Jeder der Kollegen hatte einen ganz eigenen Charakter. Heini war lustig und nervös, scharfsinnig und sehr polemisch. Martin ruhig bis introvertiert, gewissenhaft und pragmatisch, Anatol locker und über’s Software-Wissen hinaus umfassend gebildet. Jeder der Redakteure war Medienspezialist und international gut vernetzt. Der frühen PP-Redaktion gelang es, die verschiedenen „Nerd“-Typen zu vereinen. Ein normaler Mensch war nicht dabei.
?: Wieviel verdiente man als Redakteur?
wf: Angabe des damaligen Gehalts wäre nach Währungsumstellung und Inflation heute nicht mehr besonders vielsagend. Ich denke, wir wurden bei M&T tariflich bezahlt; es gab Urlaubsgeld und 13. Gehalt. Auch kassierte ich zusätzliche Prämien und jährliche Gehaltssteigerung; nach dem zweiten Jahr war ich leitender Redakteur.

Die Bezahlung war so gut wie der Inhalt des Hefts; billige Kräfte, Praktikanten und andere Kurzzeit-Gestalten gab's bei Powerplay nicht.
?: Was waren die skurrilsten Erlebnisse, die du mit deiner Zeit bei der Power Play verbindest?
wf: Die Frage ist gut, aber zu weit gefasst. Lässt sich so nicht beantworten.
?: Wenn du die Möglichkeit hättest, die Zeit zurückzudrehen, was würdest du mit der Power Play anders machen als damals?
wf: Als Spieler in den 80er-Jahren erschien mir das Heft zu kindisch (so dass ich eher zu UK-Magazinen griff), als Redakteur erkannte ich es als gutes Arbeitsumfeld und als Leitmedium für die junge Branche und eine sechsstellige Zahl von Lesern an.

Erst Jahre später verstand ich, wie gut, fast perfekt, die Arbeit war, die Heini, Boris & Co. Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre mit Powerplay machten. An diese Art von neugierigem, unverbohrtem Hands-On-Journalismus mit direktem Draht zu allen wichtigen Entscheidungsträgern in den USA und England kam später kein anderes Heft mehr heran.

Völlig korrekt war auch die Zusammenfassung von PC und Konsolen. Die Trennung bzw. Auslagerung von Konsolen in ein eigenes Heft, die während meines Abgangs über die Bühne ging, war in meinen Augen ein Fehler. Als reines PC-Heft hatte die Powerplay 1994 einen Großteil ihrer Bedeutung und ihrer Kompetenz und jeglichen Charme eingebüßt.

Abgesehen von dieser Plattform-Trennung hatten Martin Gaksch und ich die Möglichkeit, die Dinge „anders zu machen“ als es mit Powerplay geschah, nachdem wir 1993 eine eigene GmbH gründeten. Wir konnten diese z.B. vernetzt und mit Mac-Quadra-Workstations auf jedem Arbeitsplatz ausrüsten und waren mit dieser DTP-Lösung technisch allen anderen Verlagen weit voraus.
?: Wie darf man sich einen Arbeitstag vorstellen? Wie lief das bei PP ab?
wf: Zwischen 8:30 und 9:30 trudelten ein paar verschlafene (weil nachts vor Computer oder Mega Drive hängengebliebene) Gestalten in der Hans-Pinsel-Straße in Haar/München ein, fassten Kaffee und schimpften über nächtliche Endgegner. Die Laune besserte sich gegen 10:00, wenn die Post eintraf (nicht im übertragenen Sinne, sondern wirklich: karren- und kistenweise) und damit das Neuste aus aller Welt. Die Morgenkonferenz diente hauptsächlich zum Aufteilen der Schätze. Danach verzogen sich die Redakteure hinter PCs und Telefone oder belegten das „Spielzimmer“. In letzterem wurden die Screenshots mit einer Spiegelreflex-Kamera, bei absoluter Dunkelheit und drei verschiedenen Belichtungszeiten (1/16, 1/8, 1/4) geschossen, Tage später die Dia-Positive mit Schere und Transparent-Papier fürs Layout aufbereitet.
Schreiben und Fotografieren, Recherchieren und Redigieren sowie Satz und Layout zuarbeiten (analog, nicht digital!) waren tägliche Tätigkeiten. Davon abgesehen externe Kommunikation und Reisen. Ab 16:00 löste sich der Tagesstress in Multiplayer-Sessions auf, bei denen Manöver wie der „Anatolsche Fehlstart“ (bei „Bomberman“) erfunden wurden.
?: Gibt es Spiele, die du heute besser oder schlechter bewerten würdest?
wf: Mit den meisten Wertungen bin ich heute noch zufrieden. Nur das erste „Prince of Persia“ bewertete ich zu schlecht und würde im Nachhinein ein paar Prozentchen drauflegen. Als Apple2-Entwicklung kam es spät nach Deutschland (und auf den Redaktions-Amiga) und wirkte auf mich wie ein rückständiges, pedantisch hartes 08/15-Jump'n Run, dem man eine hübsche Animation aufgesetzt hatte. Heute sehe ich den Ur-Prinzen (und seinen Schöpfer Jordan Mechner) in einem anderen Licht. Mea culpa.
?: Bei welchen Spielen wich die Redaktionsnote am meisten von deinem eigenen Empfinden ab?
wf: Powerplay hatte damals die sinnvolle Einrichtung der Wertungskonferenz. Die monatliche Konferenz verhinderte, dass Testnoten „ausbrachen“. Sowohl eine niedrige als auch eine jubelnde Wertung wurde von den Kollegen streng hinterfragt. Auch wegen dieser Wertungs-Ernsthaftigkeit setzte sich Powerplay auf dem Markt der Software-Zeitschriften durch.

Natürlich führten die Wertungskonferenzen zu harten Diskussionen und dazu, dass Prozentchen abgegeben oder draufgesattelt werden mussten. Psygnosis' „Killing Game Show“ war z. B. ein gut ausbalanciertes, schlaues und spannendes Action-Spiel, dessen Wertung ich gegen die Kollegen hart durchkämpfen musste. Generell ging man 1990/1991 davon aus, dass sich hinter der bombastischen Psygnosis-Präsentation kein gutes Spiel verbergen konnte und somit wurde auch KGS in der Redaktion als reiner Blender empfangen. Keiner wollte glauben, dass dieses Frühwerk des späteren „Project Gotham“-Machers Martyn Chudley spielerisch etwas auf dem Kasten hatte. Eine 80er-Wertung wäre verdient gewesen; erinnere ich mich recht, blieb das Amiga-Spiel nach heftiger Diskussion bei strengen 77% o. ä. hängen.
?: Was denkst du über den Werde- bzw. Niedergang der Power Play?
wf: Mit der inhaltlichen Beschränkung auf den PC und dem Abgang wichtiger Schreiber hatte das Heft 1994 jegliche Brisanz für mich verloren. Seitdem dachte ich nicht mehr viel über’s Heft nach (nur wenn neugierige Interview-Fragen das Vergangene ans Licht zerren).
?: Wie kam es dazu, dass du zum Schwestermagazin Video Games wechseltest?
wf: Den Weg ins Team musste man sich erkämpfen, als 1991 hinter verschlossenen Türen die „Video Games“ entstand. Mit diesem Projekt wollte sich PP-Gründer Heini eine neue M&T-Abteilung aufbauen, unabhängig von der Locker-geführten PP-Redaktion. PP und VG waren – für den Leser nicht erkennbar – Folgen eines Kampfs zwischen den Veteranen der M&T-Spielredaktion. Letztlich verließen sowohl Anatol als auch Heini den Arbeitgeber, und Martin wurde Chef beider Hefte. Eine von Anatols letzten Handlungen war meine Beförderung ins VG-Team, für das Heini z.B. den Factor-Five-Gründer Julian Eggebrecht rekrutierte. Damit bekam der „Clash of Egos“ 1991/1992 eine ganz neue Dimension. :-)
?: In deiner Ära bei der Power Play und Video Games kamen und gingen immer wieder Redakteure, warum war das so? Hattest du das Gefühl, dass es den Heften schadet?
wf: Damals war das Kommen und Gehen eigentlich nicht so rege wie in den letzten Jahren. Bis 1992 blieb das Team ziemlich konstant, selbst Boris Schneider als freier Autor beiden Heften verbunden. Julian, als wichtigster Freier der VG, war wiederum ein alter Kumpel der PP-Gründer aus gemeinsamer Zeit bei Rainbow Arts (1988/1989). Auch zur VG-Gründung blieb man noch mehr oder weniger unter sich.

Die neuen Leute, die dann kamen, waren kein Ersatz für Abgänge, sondern eine Ergänzung und Verstärkung der Doppelredaktion: Wir brauchten Personal, um statt einem monatlichen Heft zwei verschiedene Magazine zu realisieren. Was wir unterschätzten, war die Unruhe, die durch neue Leute in ein eingespieltes Team kommt. Im Trubel einer explodierenden Branche gelang es uns nicht, die vielen Newcomer (darunter durchaus Top-Leute wie Knut Gollert, Ingo Zaborowski, Sönke Steffen) ordentlich anzulernen und vernünftig zu integrieren, auch weil sich gleichzeitig der ganze Verlag im Umbruch befand. Nicht inhaltliche und journalistische Aufgaben, sondern Fragen der Organisation und Personalführung prägten 1992/1993 den Tag.

Wir lernten, dass die Menge an Leuten nur wenig zu tun hat mit der Menge und Qualität ihrer Arbeit. Ein 5-Mann-Team ist nicht selten effektiver als eine Mannschaft mit der doppelten Anzahl von Köpfen.
?: War dir die Zeit bei der Power Play / Video Games nützlich für spätere Jobs?
wf: Natürlich und immens. Ich bin sowohl dem Verlag als auch den damaligen Kollegen dankbar für Lerneffekt und Horizonterweiterung, die kein Studium und keine andere Firma hätten bringen können. Powerplay 1990 war exakt der richtige Ort und die richtige Zeit, um in die Branche einzusteigen. Auf die Nerds, die PP gründeten, trifft zu, was EA-Chef Trip Hawkins über seine ersten Programmierer schrieb - „sie sahen weiter“. Boris z. B. war schon 1989 über Compuserve mit den USA vernetzt. Außer vielleicht bei Heise gab's damals wohl kaum einen Journalisten, der wusste, dass ein „Internet“ existiert. Kein Verlagsprofi konnte das Netz damals nützen. Die PP-Gründer lebten (und spielten) in der Zukunft.
?: Welches war damals dein Lieblingsgenre, und was faszinierte dich daran so?
wf: Ein Lieblings-Genre habe ich bei Computer- und Videospielen nicht; auch nicht bei anderen Medien. Nur Shooter oder RPGs zu spielen kommt mir genauso bizarr und einsam vor, wie „nur Fantasy-Filme“ oder „Nur Gitarrenmusik“. Genres machen Sinn zur fachlichen Einteilung, aber nicht für’s private Vergnügen.
?: Was ist mit den getesteten Spielen passiert, die du bekommen hast? Konntest du sie behalten?
wf: Nein. Die wurden damals alle archiviert und wanderten nicht in Privatbesitz (sondern wohl bei der M&T-Auflösung in den Restmüll).
?: Wieviel Prozent deiner Arbeitszeit hast du gespielt und wieviel geschrieben?
wf: Fast die Hälfte der damaligen Arbeitszeit war „Spielzeit“. Der Rest verteilte sich auf ... siehe oben.
?: Wie lange wurde ein Spiel normalerweise getestet (insbesondere Rollenspiele!)?
wf: Letztere konnten einen Redakteur für zwei, drei Arbeitstage lahm legen (und wurden insgesamt über mehrere Wochen gespielt). Auf einen Action-Titel verwandten wir im Durchschnitt zwei oder drei Halbtage für Text, Wertung und Bilder.

Drei weitere Halbtage gingen dann dabei drauf, einen Monat später die Wertung den Kumpels aus der Industrie (oder unserem verzweifelten Anzeigenverkäufer) beizubringen. Ich erinnere mich, dass mir Anatol den Telefonhörer reichte: Peter aus England wäre dran, wegen der Wertung für „Populous 2“. Er wollte nur mal wissen, warum wir dem Spiel die „global“ niedrigste Note gaben, er hätte doch im Vergleich zum Vorgänger alle Aspekte verbessert...
?: Benutzte man bei den Spieltests auch Cheats, um schneller fertig zu werden?
wf: Nein, das haben wir damals grundsätzlich nicht getan. Cheats verstellen den Blick auf Spielbalance, Dramaturgie & Co. Damit fällt's eher schwerer, einen packenden Text zu schreiben.

Deshalb gab's im Powerplay-Testteil nur selten einen Endgegner zu sehen. Unser Ehrgeiz war nicht, möglichst schnell bis zum Ende durchzulaufen und „Erster!“ zu rufen, sondern Spaß zu haben (und diesen in einer Gesamtwertung auszudrücken).
?: Knut Gollert hatte in meinem Interview dein Chaos erwähnt: "Das kreative Chaos auf seinem Schreibtisch zog sich bis in seinen Rechner. 'Might & Magic' ins root-Verzeichnis installiert." Stimmte das?
wf: Nachdem sich Knut mit kreativem Chaos gut auskennt, täuscht ihn seine Erinnerung wahrscheinlich nicht.
Ich wiederum kann mich gar nicht erinnern, einen Langweiler wie M&M installiert zu haben, war wohl eine redaktionelle Übersprungshandlung oder ein Test, dem wir Knut in seiner Probezeit unterzogen. ;-)
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Testberichte mit euren verglichen?
wf: Ja.
?: Hast Du noch Kontakt zu ehemaligen Redaktionskollegen?
wf: Ja. Mit einigen privat, mit anderen beruflich. Martin und Andreas Knauf sind Chefs der Cybermedia-GmbH, an der ich Anteile halte; beide treffe ich regelmäßig. Fast alle Ex-M&Tler sind noch aktiv in der Branche.
?: Zockst du heute noch Computerspiele? Wenn ja, welche?
wf: Am Computer spiele ich eher selten und wenn, dann klassisch. Zuletzt habe ich einen SX 64 eingestöpselt, um Richard Garriotts „Ultima IV“ genauer zu analysieren. Sonst spiele ich auf Konsole: Wii und DS, seltener PS3, Xbox360 oder auf einem Sega- oder Nintendo-Gerät des letzten Jahrhunderts. Bei vielen meiner Kumpels stehen auch Automaten.
?: Hast du das Gefühl, dass der Trend zum Casual Gaming mit seinen Gimmicks negative Auswirkungen auf die Qualität hat?
wf: Für mich sind „Casual Games“ die Spiele, die ohne „Gimmicks“ auskommen und mir deshalb nicht unsympathisch sind. Im Gegensatz zu „Hardcore“-Spielen ist Casual-Software im Optimalfall einsteigerfreundlich, unkompliziert und frei von Dumpf-Gewalt. In gewissem Sinn treten die bei vielen Game-Veteranen verpönten Casual-Spiele das Erbe klassischer und abstrakter Computerspiele an, während Hardcore-Software immer komplexer, komplizierter und eingefahrener wird. In der Praxis sind natürlich auch 90% der Casual-Spiele ziemlicher Schrott und alles andere als Kinderfreundlich, ebenso wie 90% der Hardcore-Spiele.
?: Für meine Begriffe gehen die Spielehersteller einen gefährlichen Weg mit Unmengen an Software, die nur wegen der Nutzung der neuen Steuertechniken mit spielerisch belanglosen Gimmicks durchzogen sind. "Casual Gamer" kommen und gehen, aber besteht bei all dem kurzfristigen Erfolg nicht Gefahr, die verlässliche Größe der echten Spieler vor den Kopf zu stoßen?
wf: Ich sehe das anders als Du, halte „neue Steuerungstechniken“ für eine Essenz unseres Hobbys (deshalb auch Gameplans Buch der „Joysticks“, das Wii & Co. zwar noch nicht kannte, aber bereits vorwegnahm) und sehe „spielerisch belanglose Gimmicks“ eher als eine Gefahr für Hardcore-Spiele als für die simple Jedermann-Software. Mit Gimmicks und „Eye Candy“ überladen sind viele der heutigen Action-Adventures, Rollen- und sogar Sportspiele; Spielwitz in einigen Hardcore-Produktionen kaum zu finden.

Generell halte ich nichts von der Casual- und Hardcore-Trennung. Für die Firmen ist der „Casual“-Begriff ein Marketing-Werkzeug, das unbeholfen angewendet wird, für den Spielkenner wiederum eine Abschreckung. Und die Leute, an die sich „Casual Games“ richten sollen, wissen gar nicht was der Begriff bedeutet (oder daß er existiert).
?: Du hast mittlerweile einige erfolgreiche Retro-Bücher herausgebracht, dein neues (Spielmacher) erscheint Mitte Dezember 2008. Warum verzögerte es sich immer und immer wieder?
wf: Als „Retro-Bücher“ würde ich die Gameplan-Teile nicht bezeichnen, nur weil sie auch die Vergangenheit beschreiben. Im Bezug auf die Verzögerungen gebe ich Dir recht und bitte um Entschuldigung. GPX erscheint erst jetzt, weil wir gleichzeitig an einer Neuauflage für das vergriffene „Spielkonsolen...“-Buch (GP1) sowie an einer Übersetzung aus dem Amerikanischen arbeiteten (GPVC). GPX, GP1 und GPVC wiederum bremsen „Software“ (GP3). Außerdem bediente Gameplan in den letzten Jahren nicht nur Deutschland, sondern mit der „Encyclopedia of Games.Machines“ auch überseeische Märkte. Das kostete intern a bisserl Zeit.


Lexikon der Computer- und Video-Spielmacher, dass neue Buch von Winnie Forster!

?: Sind weitere Bücher in Zukunft geplant?
wf: Klar. Nach „Spielmacher“ veröffentlicht Gameplan im Frühjahr 2009 die nächste Erweiterung von „Spielkonsolen und Heimcomputer“. Dann kommt gegen Sommer die deutsche Version von Brian Bagnalls Commodore-Bibel „On the Edge“, die wir durch Farbfotografie erweiterten. An „Software“ (GP3) wird weiterhin gearbeitet, doch dieses Buch wohl erst 2010 fertig.
?: Ist die Spieleszene wirklich so einfallslos geworden, wie die Retrofreaks immer jammern,...
wf: Weder damals noch heute war die „Spieleszene“ einfallslos. In der 8-Bit-Ära waren die meisten Spiele Schrott und nur ein oder zwei von 100 entpuppten sich als unvergänglich. Das ist heute nicht anders. Verschlechtert oder verflacht hat sich unser Hobby nicht. Damals wie heute ist ein Mix aus technischer Brillanz und inhaltlicher Innovation selten. Per se und medienübergreifend sind Meisterwerke die Ausnahme, Gesellenstücke und Fließbandware die Norm. Mit einem bestimmten Jahrzehnt hat das nichts zu tun.
?: ... oder haben wir heute nicht auch vieles erreicht, von dem wir damals nur träumen konnten? Was hätte im Bereich Videospiele seit damals anders/besser laufen können/müssen?
wf: Für mich läuft im „Bereich Videospiele“ eigentlich alles so, wie ich es erwartete oder mir in den 70er- und 80er-Jahren erträumte. Wenige Überraschungen, alles nach Plan. :-)
?: Haben Spieletestzeitschriften im Zeitalter des Internets überhaupt noch einen Sinn?
wf: Magazine und Bücher machen auch im Internet-Zeitalter noch Sinn, sie bedienen ein anderes Bedürfnis als das Netz. Das Internet lässt sich nicht gut in Badewanne oder am Strand lesen. Auch nehmen Menschen, die den ganzen Tag vor einem Bildschirm hängen, am Feierabend oder Wochenende lieber eine Zeitung oder ein Buch in die Hand.

Kein bewährtes Medium wird durch ein neueres oder „besseres“ verdrängt. Selbst die Kreide und die Trommel der Urzeit sind im 21. Jahrhundert noch im Einsatz, die statische Fotografie wurde nicht durch „movies“ verdrängt, Kinderbücher wurden durch Comics nicht überflüssig, Schach und Go, Monopoly und Diplomacy durch elektronische Spiele nicht sinnlos.

Wenn Spielmagazine überflüssig werden, liegt das an Inhalt, Ausrichtung und Machart, nicht an der Konkurrenz durch andere Medien.
?: Kennst du Retro-Zeitschriften, wie z. B. die "Retro" oder "Retro-Gamer"?
wf: Sind nett, mir aber zu spezialisiert. Ich mag Magazine, in denen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treffen.
?: Was müsste geschehen, damit die heutigen Spiele auch wieder "kultig" werden können?
wf: Ist ein 1982-Spiel „kultiger“ als eines von 1992 oder 2002?
?: Hast du bestimmte Lieblings-Internetseiten?
wf: Eine Seite, die ich regelmäßig ansurfe gibt’s nicht. Ich benütze Online-Datenbänke, Wikis & Co., um Mainstream-Infos schnell zu erhalten. Tiefer gehendes, dabei gleichzeitig geordnetes Wissen ziehe ich eher aus Büchern oder aus Gesprächen. Community-Sites nütze ich nicht; ich hätte lieber weniger, als noch mehr Kontakte... ;-)
?: Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
wf: Einen Spieler, der nur bestimmte Jahrgänge auf den Bildschirm lässt und sich bei einem Playstation- oder Wii-Spiel reflexartig wegdreht, halte ich wirklich für etwas exzentrisch. ;-)

Privat bin ich selbst ein ziemlicher Geschichts-Freak, lese Mommsen, Friedell und Spengler, interessiere mich auch für Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Aber in Bezug auf das modernste Unterhaltungsmedium ist mir rein historisches Interesse zu begrenzt. Dabei bleibt ja nicht nur die Gegenwart auf der Strecke. Computer- und Videospiel ohne Science-Fiction, ohne einen Hauch von Zukunft – imo ein Unding.
?: Danke für das Interview Winnie, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.


Interviewer war Kultboy. Das Copyright des Interviews unterliegt Kultboy sowie Winnie Forster,
eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (20)Seiten: [1] 2   »
01.10.2010, 20:49 kultboy [Admin] (11493 
Volkscompter also? Na ich bin gespannt was es da neues zu berichten gibt.
30.09.2010, 22:21 StephanK (1642 
Die auch recht promt kam Ich gebe mal das wichtigste durch:

"Wir arbeiten dran.

...liefern aber erstmal das - ebenfalls lang überfällige - "Volkscomputer" aus, die Geschichte von Commodore, C64, Amiga & Co.
Aus dem amerikanischen, und von Gameplan überarbeitet, z.T. erweitert. Müsste noch knapp vor Weihnachten kommen :-)

Danach steht GP3 auf dem Programm, für das wir aber redaktionell noch sicher ein Jährchen brauchen; soll schließlich gut werden.

Sorry wg. der Gameplan-Lahmheit."
27.09.2010, 20:42 kultboy [Admin] (11493 
Bin schon auf die Antwort gespannt.
27.09.2010, 20:22 StephanK (1642 
Hm, hat noch jemand von Gameplan 3 gehört? Wird ja langsam mal Zeit

So, hab da einfach mal direkt angefragt per Email
Kommentar wurde am 27.09.2010, 20:29 von StephanK editiert.
31.12.2008, 09:29 Rockford (2155 
Nein, jemand der sich NUR mit Retros beschäftigt, ist eingeschränkt in der Sichtweise. Sehe ich auch so.
31.12.2008, 06:52 Dreadnout (23 
Moin!

Schönes Interview. Anhand der Antworten kann ich auch heute nachvollziehen, warum ich die PP nie gemocht habe.
Wenn ich ie Aussagen richtig interpretiere, sind die Retros zu sehr eingeschränkt in der Sichtweise.
Andererseits schreibt er Bücher über alte Konsolen, etc..

MfG
29.12.2008, 18:26 Darkpunk (2940 
sehr komplexes und interessantes interview. die killing game show-story. danke dafür.
Kommentar wurde am 29.12.2008, 18:31 von Darkpunk editiert.
18.12.2008, 09:15 altersegahase (106 
Sehr schön.
13.12.2008, 21:16 hunter3000 (726 
Auch von mir an dieser Stelle als Winnie-Fan besten Dank für das Interview, ist gut gelungen!
13.12.2008, 11:49 Bundavica (518 
108 Sterne schrieb am 12.12.2008, 16:32:
Oh je, der Winnie zockt am liebsten mit Wii und DS, den beiden für mich enttäuschendsten Konsolen der letzten 10 Jahre.^^

So gehen Geschmäcker auseinander!


Ich denke eher, dass Winnie meint, dass ihm Wii und DS eigentlich nicht so recht gefallen
13.12.2008, 03:41 snake (58 



Völlig korrekt war auch die Zusammenfassung von PC und Konsolen. Die Trennung bzw. Auslagerung von Konsolen in ein eigenes Heft, die während meines Abgangs über die Bühne ging, war in meinen Augen ein Fehler. Als reines PC-Heft hatte die Powerplay 1994 einen Großteil ihrer Bedeutung und ihrer Kompetenz und jeglichen Charme eingebüßt.


Das ist auch genau die Zeit, in der ich sowohl aus der PP-Leserschaft als auch aus dem aktuellen Spielegeschehen ausgestiegen bin und das hab ich bis auf meine olle PS One auch so beibehalten.


Hab Anfang 1995 aufgehört, die PP zu lesen. Dass sie den Amiga rausgeschmissen haben (ab 1 1995), kann ich ihnen bis heute nicht verzeihen
Kommentar wurde am 13.12.2008, 03:42 von snake editiert.
12.12.2008, 21:23 McCluskey (349 
Sehr schönes Interwiew. Da ich ja außer dem "Joker" (dem ich ohnehin nie so "nahestand" wie der PP) neben der POWER PLAY keine weitere Spielezeitschrift gelesen hab, ist es wieder mal so, als wie man ein altes Familienmitglied wiedergetroffen hat. Dafür danke!

Völlig korrekt war auch die Zusammenfassung von PC und Konsolen. Die Trennung bzw. Auslagerung von Konsolen in ein eigenes Heft, die während meines Abgangs über die Bühne ging, war in meinen Augen ein Fehler. Als reines PC-Heft hatte die Powerplay 1994 einen Großteil ihrer Bedeutung und ihrer Kompetenz und jeglichen Charme eingebüßt.


Das ist auch genau die Zeit, in der ich sowohl aus der PP-Leserschaft als auch aus dem aktuellen Spielegeschehen ausgestiegen bin und das hab ich bis auf meine olle PS One auch so beibehalten.
12.12.2008, 20:16 Majordomus (2178 
108 Sterne schrieb am 12.12.2008, 19:00:
DS und Wii haben mich wie kein System zuvor in Richtung Retro gedrängt, weil es einfach fast nichts dafür gibt, was mir gefällt....


Ich denke, dass Nintendo mit diesen beiden Konsolen einen ganz neuen Weg eingeschlagen hat.
Und das solche neuen Konzepte nicht zwingend allen passionierten Konsolenspielern gefällt ist ganz normal.

Aber zum Glück kannst Du ja auf die göttlichen Retro-Systeme zurückgreifen und auf die next-generation-Modelle warten
12.12.2008, 19:17 death-wish (1345 
sehr schönes Interview

ich finde vor allem seine Antworten zu den Fragen über Retrospiele sehr interessant
12.12.2008, 19:00 108 Sterne (648 
Findeste? Ich bin sooooo enttäuscht, es gibt kaum ein Spiel, das ich wirklich gut finde....ich benutze den DS zumeist als reine Emu-Konsole oder um Doom zu spielen.

DS und Wii haben mich wie kein System zuvor in Richtung Retro gedrängt, weil es einfach fast nichts dafür gibt, was mir gefällt....ich habe mir den DS in erster Linie wegen Dragon Quest IX zugelegt, aber ich habe noch mit keiner Konsole weniger Spaß gehabt....:(
Kommentar wurde am 12.12.2008, 19:03 von 108 Sterne editiert.
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