Willkommen bei
 Kult-Magazine
 Kultboy.com-Inhalte
 Interaktiv
Neues Mitglied: cuspacer
 Sonstiges




Interviews
Gehe zu:


Das Interview mit Michael Lang wurde am 26.01.2010 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Michael Lang
Jahrgang: 1950
Karriere: 30 Jahre Journalismus, knapp 10 Jahre Chefredakteur von rund einem Dutzend Zeitschriften, zwischendurch Cheflektor für Computerbücher, zwei eigene Firmen, jetzt freier Wirtschaftsjournalist



?: Fangen wir mal von ganz vorne an: Wie hat deine Karriere bei der Happy Computer angefangen? Was hast du davor gemacht?
ml: Ich habe in München Germanistik, Geschichte und Politik studiert. Nebenbei verdiente ich mir ein bisschen Geld als Verkäufer in einer Fotoabteilung eines großen Kaufhauses und als Pressefotograf für linke Zeitungen hinzu. In der Freizeit bastelte ich als Funkamateur ständig irgendwelche elektronischen Geräte.

Eines Tages tauchten in der Münchner Schillerstraße – damals das Elektronik-Mekka Deutschlands – die ersten bezahlbaren Computerbausätze auf. Ich kaufte mir also meinen ersten Computer, schrieb darüber für eine kleine Elektronikzeitschrift einen Testbericht und begann in Basic und Forth (viel später auch in Lisp) zu programmieren. Damit waren die Weichen gestellt. Das wusste ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht und begann deshalb nach dem Ende meines Studiums in einer großen Münchner Bank zu arbeiten.

Eines Tages stellte ich mir auf dem Weg in die Arbeit die Frage, ob ich wirklich mein restliches Leben mit Zinseszinsrechnungen, Sparbuchlisten und ähnlichem Kram verbringen wollte. Bei dieser Vorstellung schüttelte es mich derart, dass ich mich am Tag darauf beim Münchner Computerzeitschriften-Verlag Markt & Technik als Redakteur bewarb. Dieser Sprung vom „sicheren und soliden“ Bankjob in den „unsoliden“ Job eines Journalisten glich nach damaligem Verständnis einer Kamikaze-Aktion.
?: Wie hast du die Kollegen in Erinnerung?
ml: Dazu eine kleine, typische Story: Im ersten Jahr als Redakteur arbeitet ich in der Redaktion „Computer Persönlich“ mit zwei weiteren Kollegen in einem Zimmer. Die beiden waren – jeder auf seine Weise – recht skurrile Typen. Einer der Beiden kam immer erst am Nachmittag in die Redaktion, arbeitete dafür aber bis fünf oder sechs Uhr früh. Er programmierte viel und glich einem jener verschrobenen Computerpioniere aus einschlägigen Hollywood-Filmen. Seinen Computer ließ er oft tagsüber, wenn er zu Hause schlief, in unserem Büro weiterlaufen, um ein neues Programm zu kompilieren oder einen Hardwaretest zu fahren. Der zweite Zimmerkollege war ein gestandener Lokaljournalist, der zwar von der Technik nicht das Geringste verstand und darauf stolz war, aber mit Leuten reden und recht anschaulich schreiben konnte. Er war deshalb für die „richtigen“ Storys mit „echten Menschen“ zuständig, also für Anwenderstories aus Kaninchenzüchtervereinen. Eines Tages war er vom Laufgeräusch des Computers unseres Freaks so genervt, dass er das Gerät, ohne irgendetwas zu speichern, einfach ausknipste wie ein Radio. Er hatte keine Vorstellung davon, warum diese Kiste überhaupt lief, wenn niemand daran saß.

Als gegen Abend unser Computerfreak zur Arbeit kam und sah, dass sein Computer ausgeschaltet worden war und damit die Daten eines dreitägigen Testlaufs verloren gegangen waren, brüllte er den Missetäter derart an, dass es das ganze Haus hörte. Nach diesem Vorfall wagte es niemand mehr, eines seiner Geräte ungefragt auszuschalten.

Solche Macken und die Storys darum herum waren es, die die Arbeit in der Redaktion spannend machten und am Ende alle zusammenschweißten. Wir arbeiteten und lebten in einer Parallelwelt, die außer uns keiner verstand. Für die „Normalos“ im Verlag, z.B. die Produktions- und Marketingleute, aber auch jene draußen – waren wir einfach nur ein Haufen Spinner. Wir selbst fühlten uns aber als Pioniere einer neuen Ära – was sich letztlich sogar bewahrheitete.

Happy Computer 11/83 (Erstausgabe)

Power Play 1/87
?: Wie ging es dann weiter, als die Happy Computer entstand?
ml: Komischerweise änderte sich mit der Happy Computer vieles, ohne dass es mir damals gleich bewusst wurde. Die ersten Ausgaben entstanden noch in Sonderschichten mit den Kolleginnen und Kollegen von der „Computer Persönlich“, die sich vor allem mit dem Einsatz von Computern in den Universitäten, in Büros und in Vereinen beschäftigten. Dem entsprach auch die Leserschaft der Zeitschrift.

Die Happy Computer sollte sich aber an Menschen wenden, die mit dem Computer nicht so sehr ernsthafte Dinge erledigen, sondern in erster Linie Spaß haben wollten. So kamen nun Redakteure zur Happy-Redaktion, die sehr jung waren und direkt von der Schule oder aus einem abgebrochenen Studium kamen. Ihr Interesse galt den Heimcomputern, nicht den Bürocomputern. Ihre Arbeitsweise war entsprechend noch ein Stück unkonventioneller.
?: Welches Aufgabengebiet hattest du in der Spieleredaktion?
ml: Die Happy Computer war nie eine Spielezeitschrift im heutigen Sinn. Computerspiele waren in den frühen Achtzigern lediglich eine von mehreren Facetten im Themenspektrum der Zeitschrift. Mit dem Computer spielen bedeutete damals in erster Linie Experimentieren und Programmieren.

Anfangs war ich schlichter Redakteur. Da ich aber in der Redaktion nicht nur der Älteste war – damals immerhin schon Anfang Dreißig – sondern durch meine zu dem Zeitpunkt schon zwei Jahrzehnte anhaltende Elektronikbastelei in Hardwarefragen relativ beschlagen war, wurde ich recht schnell leitender Redakteur, dann stellvertretender Chefredakteur. Übrigens, anders als man vielleicht vermuten würde, brachte mir mein Germanistikstudium in dieser Hinsicht wenig Vorteile. Ich profitierte – wie damals alle Redakteure im Bereich der Computerzeitschriften – davon, dass es in jenen Jahren nur wenige gab, die sowohl einigermaßen verständlich schreiben konnten als auch etwas von Computern verstanden. Meine Zeugnisse und Semesterscheine interessierten damals niemanden.

Im Rest der Verlagswelt waren derart schnelle Karrieren auch damals unvorstellbar. Wir waren eben gerade zur richtigen Zeit mit den richtigen Talenten an der richtigen Stelle.
?: Wenn du heute die Möglichkeit hättest, würdest du etwas anders machen mit der Happy Computer als damals?
ml: Nein. Sicher würde ich viele Fehler im Detail und in der konkreten Umsetzung mit dem Wissen von heute nicht mehr machen, aber die große Linie war auch aus heutiger Sicht richtig.
?: Wie hoch war die Auflage der Happy Computer in ihren Spitzenzeiten?
ml: Rund 120.000 verkaufte Exemplare. Das war ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass es damals nur ein bis zwei Millionen Computer in Deutschland gab – private und Bürocomputer zusammengerechnet. Heute haben wir in Deutschland mindestens 30 Millionen Computer allein in den Haushalten stehen und eine „Computer Bild“ als Auflagenstar kommt derzeit pro Ausgabe dennoch nur auf knapp 700.000 verkaufte Exemplare. Natürlich ist daran auch die heute weitaus größere Zahl an Konkurrenzzeitschriften schuld. Aber wir hatten eine wirklich treue Leserschaft.
?: Wie darf man sich einen Arbeitstag vorstellen? Wie lief das so ab?
ml: Sehr ungeregelt und locker. Rein formal arbeiteten wir im Schnitt zwar viel länger als acht Stunden am Tag. Davon verging aber viel Zeit mit Herumprobieren, Austesten und Spielen im weitesten Sinne. Natürlich war das gleichzeitig der Stoff, aus dem sich am Ende unsere Artikel ergaben. Aber wir empfanden es meist nicht als Arbeit. Bis auf die Tage kurz vor dem Druck einer Ausgabe – dann wurde es immer sehr stressig und viele arbeiteten ein oder zwei Nächte vor dem Abgabetermin, der sogenannten Deadline durch, um den Termin zum Leidwesen der Produktion dann doch noch zu überziehen.

Als im Verlag durch ein paar Gewerkschaftsleute mal die Forderung nach geregelten Arbeitszeiten und sogar nach Stechuhren aufkam, waren die meisten Redakteure dagegen. Ohne solche Kontrollen mussten wir uns nämlich nicht lange rechtfertigen, wenn wir tagsüber mal ausflippten und irgendwelche Späßchen trieben, statt zu arbeiten. Am Ende hatten wir unsere vorgegebene Anzahl Seiten abzuliefern und das Heft bis zur letzten Seite zu füllen. Das war unser Leistungsmaßstab und nicht die am Schreibtisch verbrachte Zeit. Wann und wo wir die Seiten heruntertippten, war mehr oder minder unsere Sache – und unsere Freiheit, die wir liebten.
?: Wie kam man damals auf die Idee, den Spielen eine eigene Rubrik zu geben? War es ein Erfolg oder gab es anfangs Schwierigkeiten?
ml: Anfangs waren Spiele ein relativ kleiner Bestandteil der Happy Computer. Als die Spiele im Softwaremarkt eine immer größere Rolle zu spielen begannen, wuchs aber auch die Zahl der Spieletests in der Happy Computer. Dass daraus eine eigene Rubrik wurde, war so gesehen ein ganz normaler Vorgang. Ein glücklicher Zufall wollte es aber, dass wir zwei Redakteure in die Happy Computer geholt hatten, die ein besonderes Händchen für Computerspiele bewiesen: Heinrich Lenhardt und Boris Schneider. Später kam dann noch Anatol Locker dazu. Alle drei hatten überdurchschnittliche Macherqualitäten. Sie waren jung und hungrig und sie drängten die Verlagsleitung schon bald, aus dem Spieleteil der Happy Computer ein eigenes Heft zu machen. Der Vorschlag wurde zwar nicht gleich umgesetzt, um die Happy Computer nicht zu kannibalisieren. Aber schon bald war der Markt für zwei Zeitschriften groß genug und die Power Play entstand.
?: Wie war es mit den jungen Boris Schneider und Heinrich Lenhardt zu arbeiten?
ml: Menschlich mochte ich die beiden sehr. Beruflich waren sie aber oft richtig stressig, wie alle Macher, die mit neuen Ideen unvermeidlich eingespielte Prozesse stören und zwangsläufig Ressourcen abziehen. Für den Verlag war das natürlich super. Die Zeitschrift erschloss ihm ja einen neuen Lesermarkt.
?: Was war damals Deine Meinung dazu, dass die Power Play der Happy Computer immer mehr Konkurrenz machte?
ml: Als Chefredakteur der Happy Computer ärgerte mich das. Weniger wegen der Konkurrenz – viele Leser kauften einfach beide Hefte – sondern weil ich mit der Power Play drei meiner besten Köpfe verloren hatte. Für die drei freute es mich aber, denn ich wusste ja, wie toll es ist, ein eigenes Heft gestalten zu können.
?: Warum hast du die Happy Computer verlassen?
ml: Mein eigenes Interesse galt immer schon der Technik und nicht den Anwendungen. Deshalb initiierte ich im Verlag eine neue Technikzeitschrift, die „PC Technik“, und überließ die Happy Computer meinem Nachfolger, der heute übrigens einen erfolgreichen eigenen Verlag besitzt.

Die „PC Technik“ sollte sich, ähnlich wie die „c't“, weniger mit der Hobby- als vielmehr mit der Entwicklerszene und den neuesten Techniken im Computerbereich befassen. Leider konnte sich die Verlagsleitung mit dieser Idee nie wirklich anfreunden. Sie hielt den Lesermarkt für ein solches Blatt für zu klein. Dass das eine Fehleinschätzung war, zeigte später der langjährige Erfolg der „c't“. Umgekehrt fand die zeitgeistig zur „Computer Live“ aufgemotzte Happy trotz aller Anstrengungen des Verlags nie ausreichend Leser. So gingen am Ende zwei Zeitschriften wegen falscher Einschätzungen über die Wupper.
?: Hast du neben deiner Happy Computer Zeit noch bei weiteren Magazinen mitgearbeitet?
ml: Ja, ich war in den rund zwanzig Jahren als Verlagsangestellter in vier Verlagen für insgesamt ein Dutzend Zeitschriften als Chefredakteur verantwortlich, oft sogar für zwei oder mehr Redaktionen gleichzeitig. Das ist übrigens etwas, das ich heute so nicht mehr machen würde. Das ist den Mitarbeitern gegenüber nicht fair und tut den Zeitschriften nicht gut.

Unter diesen Zeitschriften war übrigens auch die altehrwürdige „Funkschau“, die erste Elektronikzeitschrift der Welt überhaupt. Durch sie war ich als Schüler Anfang der sechziger Jahre zur Elektronik gestoßen. Es war deshalb schon ein seltsames Gefühl, ein viertel Jahrhundert später diese Kultzeitschrift meiner eigenen Jugend als Chefredakteur relaunchen und leiten zu dürfen.
?: Wie viel verdienten die Redakteure zu Happy-Zeiten?
ml: Relativ viel. Zahlen will ich hier keine nennen, weil das vielen meiner ehemaligen Kollegen wohl nicht recht wäre. Den meisten war es zwar immer zu wenig, aber das ist menschlich. Objektiv betrachtet, d. h. im Vergleich zu Journalisten in anderen Zeitschriftenbereichen und angesichts des Alters der meisten, waren die Gehälter eher stattlich als niedrig.
?: Habt ihr auch die Konkurrenzmagazine gelesen und deren Testberichte mit euren verglichen?
ml: Aber natürlich. Und wir haben uns tierisch geärgert, wenn ein Konkurrenzblatt seinen Lesern bereits Tests von Geräten oder Software präsentieren konnte, an die wir noch nicht herangekommen waren. Umgekehrt jubelten wir, wenn wir die ersten waren. Das war für uns wirklich eine Frage der Ehre.
?: Hast Du noch Kontakt zu ehemaligen Redaktionskollegen?
ml: Nur zu ganz wenigen. Mit einem bin ich heute noch privat befreundet. Wir arbeiten derzeit sogar partnerschaftlich zusammen. Außerdem initiierten vor zwei oder drei Jahren einige ehemalige Redakteure einen Happy Computer/Power Play-Stammtisch hier in der Nähe von München. Das war ein außerordentlich schöner Abend. Heinrich Lenhardt war an diesem Tag extra für das Treffen aus Kanada nach München geflogen. Wir waren zwar alle ein bisschen in die Jahre gekommen und mancher Bart war grau geworden, aber irgendwie war da tatsächlich immer noch ein Hauch der alten verschworenen Gemeinschaft zu spüren – zu meiner Überraschung.
?: Welches Spiel hat dich damals am meisten aufgeregt? Dein Favorit?
ml: Ich war nie ein Spielefreak. Wenn ich mich aber mal so richtig ärgerte, warf ich für zehn Minuten einen Egoshooter an und ballerte dann sinnlos herum. Für Regeln hatte ich weder Zeit noch Geduld. Wollte ich zwischen zwei anstrengenden Artikeln mal Luft holen, war Tetris dran. Und für ein paar Wochen hatte mich „Siedler IV“ gepackt. Aber da bemerkte ich schnell eine fatale Sogwirkung. Das konnte und wollte ich mir nicht leisten, ich hatte schließlich Frau und Kinder, für die ich damals bei dem Job ohnehin viel zu wenig Zeit aufbringen konnte.
?: Spielst du heute noch? Wenn ja, welche sind deine Favoriten?
ml: Ich spiele heute überhaupt nicht mehr. Ich gehöre ja schon seit längerem zur Generation 50 plus. Da wird die Zeit knapp, die man noch vor sich hat. Und die ist mir viel zu schade für Spiele. Ich habe so viele andere Interessen, die – neben meinem Beruf als freiberuflicher Wirtschaftsjournalist – meine Zeit beanspruchen.
?: Welches System war damals dein Liebling, und welche besitzt du heute noch? Benutzt du diese noch, und wenn ja, wie oft?
ml: Ich war schon zu Happy-Zeiten kein Anhänger nur eines Systems. Von einigen Monaten ganz zu Beginn einmal abgesehen, in denen ich mit einem Bausatzcomputer und einem TI 99/4A von Texas Instruments herumspielte, habe ich immer mit Standard-PCs gearbeitet.
?: Was hältst du von Emulationen? Spielst du sogar ab und zu mit einem Emulator?
ml: Ich habe mal vor vielen Jahren kurz einige Emulatoren inklusive alter Spektrum-Daddelspiele ausprobiert und fand sie ganz witzig. Damit war meine Neugier aber auch schon befriedigt.
?: Ist die Spieleszene wirklich so einfallslos geworden, wie die Retrofreaks immer jammern, oder haben wir heute nicht auch vieles erreicht, von dem wir damals nur geträumt haben. Was hätte im Bereich Videogames seit damals anders/besser laufen können/müssen?
ml: Die wenigen Spiele, die ich bewusst wahrnehme, sind von der Idee her nicht schlechter als die alten Spiele aus Happy-Zeiten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass hier der Filter der Zeit eine höhere Qualität der alten Spieleproduktionen vorgaukelt, weil man sich bevorzugt an die guten Spiele erinnert. Die weitaus meisten Spiele jener Tage waren jedoch so grottenschlecht, dass sie nach wenigen Wochen wieder vom Markt verschwanden.
?: Haben Spieletestzeitschriften im Zeitalter des Internets überhaupt noch einen Sinn?
ml: Ich glaube, dass Testzeitschriften generell an Bedeutung verloren haben, seit im Internet Anwenderberichte kostenlos zu haben sind. Ihre Zahl wird deshalb sicher noch einige Zeit zurückgehen, weil die Nachfrage wirtschaftlich nicht mehr alle trägt. Die besten und ehrlichsten Testzeitschriften werden aber überleben.
?: Was müsste geschehen, damit die heutigen Spiele auch wieder "kultig" werden können?
ml: Kultprodukte kann man meiner Erfahrung nach nicht rational planen. Für neue Kultprodukte müssen immer ein paar Dinge zusammenkommen: ein aktueller Trend in der Gesellschaft, eine dazu passende neue Idee, ein gutes Produktteam für die Umsetzung, ein tragfähiges Geschäftsmodell zum Überleben und ein einfallsreiches Marketing, das seine Zielgruppe nicht mit falschen Versprechungen verprellt. Dann müssen noch ein paar in der jeweiligen Szene anerkannte Meinungsmacher darauf stoßen und ihre Anhänger heißmachen.
?: Hast du bestimmte Lieblings-Internetseiten?
ml: Ja, aber die haben nichts mit Spielen zu tun. Ich liebe zum Beispiel LastFM, weil ich sehr gerne modernen Jazz höre. Für Liebhaber weniger populärer Musikstile wie mich ist dieses Portal genial. Dann ist da noch eine Seite mit Zusammenfassungen der jeweils aktuellen Perry-Rhodan-Romane, weil ich die Serie ab dem ersten Heft im Jahr 1961 über zwanzig Jahre lang gelesen habe und heute noch wenigstens in groben Zügen darüber informiert sein will, wann Perry endlich sein Erbe antreten darf. Ansonsten besuche ich mehrmals am Tag über hundert Webportale mit Nachrichten, um daraus Beiträge für ein Online-Wirtschaftsportal zu stricken – da verliert man privat schnell die Lust am Surfen.
?: Wie denkst du über den Unterschied zwischen den Computerzeiten damals und heute? Bist du retro?
ml: Wer das Alte mit allen Vor- und leider auch Nachteilen selbst erlebt hat, kann dem Sinn nach nicht wirklich „retro“, sondern bestenfalls hinter dem Mond zurückgeblieben sein. „Retro“ ist eine Romanze der Jungen mit einer verklärten Vergangenheit.

Den vielleicht wichtigsten Unterschied zwischen damals und heute findet man auf Seiten der Nutzer: In den Anfangszeiten waren Computeranwender vor allem von der Technik fasziniert. Entsprechend gut kannten sich die meisten mit ihr und dem Potenzial der Technik aus. Heute sind die meisten Nutzer reine Konsumenten, die einen Computer wie ein Fernsehgerät ein- und ausschalten, mehr aber auch nicht. Eine solche Entwicklung hätte ich mir damals nicht vorstellen können. Ich bedauere sie auch zutiefst, denn wer über die Technik nichts weiß, ist mit Hilfe der Computer viel zu leicht zu manipulieren und zu betrügen. Das kann auf lange Sicht sogar die Demokratie gefährden.
?: Gibt es irgendwelche lustigen Begebenheiten rund um Deine Namensgleichheit mit dem Woodstock-Veranstalter Michael Lang?
ml: Nein, ich habe selbst erst sehr spät erfahren, dass der Veranstalter den gleichen Namen trägt, obwohl ich ja zur Woodstock-Generation gehöre. Wir sind aber nicht verwandt.
?: Wie denkst du über Retro-Fanatiker wie uns? Ist das cool oder haben wir doch nur alle 'nen Schuss?
ml: Ich finde es gut, wenn junge Menschen nicht gleich alles in den Müll werfen, was vor ihrer Zeit entstand. Eine kleine Rückbesinnung weitet immer auch den Blick nach vorne. Sie schärft vor allem die Sinne für die Qualität der gegenwärtigen Dinge. Ich verstehe auch die Faszination, die speziell „alte“ Technik ausüben kann. Ich liebe z.B. alte Schreibmaschinen – meine ersten Artikel habe ich noch auf solchen Mechanikmonstern getippt – ohne dass ich sie mir deswegen als Arbeitsgerät wieder zurückwünschen würde.
?: Danke für das Interview Michael, ich wünsche dir noch viel Erfolg in deinen weiteren Leben.


Jede Form der Veröffentlichung des vorstehenden Interview-Textes oder wesentlicher Teile daraus, bedarf neben der ausdrücklichen Zustimmung des Website-Betreibers auch der Zustimmuing des Interviewten.
User-Kommentare: (11)Seiten: [1] 
30.01.2010, 07:49 kultboy [Admin] (11495 
Schau mal bei www.milatext.de/ vorbei.
30.01.2010, 01:17 Truetti (2 
Vielen Dank für das Interview. Michael hätte, meines Erachtens, jedoch ein wenig Raum für "Schleichwerbung" nutzen können. Charakterlich sicherlich ok, dass er es nicht getan hat. Ich persönlich jedoch würde immer gern ein wenig von dem sehen, was "meine" Pioniere von damals heute machen. Weiss jemand, für welches Online-Wirtschaftportal er schreibt? Michael Lang ist sicherlich kein seltener Name, Google hilft nur unsicher weiter. Wäre schön, etwas von ihm zu lesen. Anyway, nochmals vielen Dank! Dies ist ein Interview, welches wirklich noch in Eurer Reiche fehlte.
LG
Marko
28.01.2010, 20:44 Slicer (57 
Ein sehr schönes und vor allen Dingen persönliches Interview. Tolle Arbeit. Vielen Dank dafür!
28.01.2010, 19:59 spatenpauli (949 
Starke Statements. Tolles Interview. Könnte ich stundenlang wieder und wieder lesen.
26.01.2010, 23:10 Wurstdakopp (1295 
Klasse Interview, gerade wegen der Erfahrungen vor der Homecomputerphase.
26.01.2010, 22:45 SarahKreuz (10000 
Prima Interview
26.01.2010, 20:50 Herr Planetfall [Mod] (4034 
Richtig klasse, was von einem zu lesen, der von Anfang an die ganze Computerei mitbekommen hat. Super Interview!
26.01.2010, 19:58 StephanK (1642 
Fand es auch sehr gelungen und informativ , ist wirklich interessant zu lesen wie und warum man damals überhaupt auf die Idee kam Neuland zu betreten; hätten sich wohl die wenigsten getraut.
26.01.2010, 19:27 whitesport (852 
Sehr interessant auch mal was von den richtigen Pionieren zu lesen, Danke für das Interview.
26.01.2010, 19:03 Retro-Nerd (13460 
Schönes Interview. Man merkte, das Michael mit den "Spiele" Fragen nicht soviel anfangen konnte. Trotzdem, schöne Einblicke in die Happy Computer Gründerzeit.
Kommentar wurde am 26.01.2010, 23:04 von Retro-Nerd editiert.
26.01.2010, 18:46 kultboy [Admin] (11495 
Danke an Michael für die rasche Abwicklung des Interviews und natürlich für die tollen Antworten!
Seiten: [1] 


Du willst einen Kommentar schreiben?

Dann musst du dich nur kostenlos und unverbindlich registrieren und schon kann es losgehen!