Ich bitte doch inständig darum hier keine "Urban Legends" in die Welt zu setzen.
Zurück zu Thema - REAL EXISTIERENDE aktuelle Adventure. Die letzten Tage bei mir auf der Platte: SINKING ISLAND, das neuste Werk von Benoit Sokal, dessen letztes Spiel PARADISE... nunja... eher dürftig war. Und eigentlich sprach ziemlich viel dafür dass sein neuster Streich einiges an Klasse zulegen würde, sollte dies ja auch nur der Auftakt einer ganzen Krimi-Serie werden.
Hauptakteur dieser Reihe wird Inspektor Jack Norm sein. Sein erster Fall verschlägt ihn auf eine maledivische Insel, die dem Milliardär Walter Jones gehört und der auf dieser einen riesigen Turm gebaut hat, der später als Hotel dienen soll. Doch dazu soll es nicht mehr kommen, was zunächst einmal daran liegt, dass Walter Jones eines Tages tot an seinem eigenem Strand liegt. Bei einem 82jährigem Rollstuhlfahrer kann es ja schonmal vorkommen, dass er die Kontrolle verliert und über die Klippen rast, aber Jack Norm findet sehr schnell Spuren die nicht auf einen Unfall hindeuten. Zudem befinden sich noch zahlreiche andere Personen auf der Insel, so z.B. die drei Erben des Jones-Vermögens nebst Ehepartnern, der verschlagene Anwalt des Verstorbenen, oder der Architekt des Turms, der Aufgrund so mancher Baufehler auf der Abschussliste stand...
Was einen zunächst einmal unweigerlich in den Bann zieht ist die großartige Grafik. Hier wurde offensichtlich einige Mühe investiert, die Insel (und vorallem das Hotel) grafisch in sehr dichte Atmosphäre zu tauchen. Auch die sogar etwas übertrieben wirkenden Animationen der Palmen sehen sehr schick aus. Leider wurde dann aber bei den Modellen der Charaktere gespart, so dass diese (bis auf Jack) in der Nahaufnahme ganz schön eckig und schwammig aussehen. Was mir auch nicht gefallen haben sind die ausladenen Gesten der Figuren bei den zahlreichen Befragungen. Alle Figuren haben nämlich nur ein und den selben Move drauf - und der passt so ziemlich zu keinem der geführten Gespräche. Da hätte es locker etwas mehr Abwechslung sein dürfen, vorallem bei der Anzahl der verschiedenen Charaktere. Auch die Zwischensequenzen sind sehr, sehr rar gesäht, was vorallem deshalb erstaunt da im Hauptmenü protzig ein "Filme" Button prangt. Am Ende finden sich hinter diesem jedoch nur das Intro - und das Outro. Bißchen dünn... auch wenn fast kinoreif inszeniert.
Der Sound weiß da etwas mehr zu gefallen. Die Stimmen sind gut lokalisiert und Soundeffekte ordentlich verteilt. Die Musik dudelt im Hintergrund vor sich hin, passt zum Ende aber nicht mehr so recht in die Stimmung. Was mir wieder nicht so gefallen hat sind die Dialoge. SINKING ISLAND ist ein Spiel in dem viel gefragt und viel erzählt werden muss - und da nervt es mich schon etwas, wenn ich zehn Leuten zehn Mal die selbe Frage stellen muss. Und halt nicht nur einmal. Jedes als wichtig eingestufte gefundene Indiz, jedes Dokument, jede belastende Aussage muss wieder und wieder mit so ziemlich allen Beteiligten durchgekaut werden - und sei es auch z.B. mit der Eingeborenen Baina, die, wie wir relativ schnell feststellen, stumm ist - aber trotzalledem bis zum Ende interviewt werden kann, nur damit wir immer wieder enttäuscht feststellen, dass sie uns wirklich keine Antwort gibt. Ebenso sinnlos sind die Dialoge mit Personen bei denen wir schon alle Themen durch haben. Jack bittet sie mit "Sie müssen mir da mal mit einem Problem helfen" aufzustehen nur um dann zu sagen "Entschuldigen Sie bitte, ich bin abgelenkt. Ich habe was ich brauche. Bis später". Boah wie DAS nervt. Vorallem da man solche Sätze partou nicht abbrechen kann. Texte überspringen ist nur direkt in den Interviews möglich - draussen in der Spielwelt muss man sich das Palaver immer und immer wieder komplett anhören.
Was mich auch etwas ärgerte war das "neue große Feature" von SINKING ISLAND: Jack hat nämlich einen praktischen PDA, in dem alle wichtigen Aussagen, alle Fotos, alle Fingerabdrücke - sprich alles Spielrelevante gespeichert wird. Diese Sachen sind dann auch nötig um zahlreiche kleine Minipuzzles zu lösen ala "Wurde die Kette die Walter um den Hals trug gestohlen und von wem" oder "Was befand sich in Walters Safe". Die Beantwortung dieser Fragen ist zwingend nötig um weiter zu kommen - doch manchmal sind die nötigen Beweismittel echt dämlich. Und wenn von den nötigen drei Aussagen, zwei Fotos, einem Fingerabdruck, und drei Dokumenten nur eines falsch ist (wenn man sie überhaupt erstmal alle zusammen hat), wird das Rätsel natürlich nicht gelöst. Tja, und dann hängt man und klickt etwas übellaunig weil die Entwickler am Ende doch irgendwie andersrum gedacht haben und nicht den Fußabduck am Rollstuhl haben wollten, sondern den von vorne am Hotel. Sowas kann frustrieren...
Die übrigen Rätsel sind nicht weiter schwer und bewegen sich auf klassischem Sokal-Niveau. Erfreulich das eine millimetergenaue Hotspotsuche ausbleibt. Jedes Objekt verändert den Mauscursor eigentlich recht großflächig, je nach Anwendungsmöglichkeit. Auch sonst ist an der Bedienung nix zu mäkeln, ausser vielleicht das Jack per Doppelklick zwar rennt, aber die Ausgänge nicht schnell gewechselt werden können. Und das kann etwas belasten, denn der Turm ist recht groß und die Wege von Person zu Person dementsprechend weit. Da freut man sich am Ende sogar ein wenig, dass aus verschiedenen Gründen der Turm zum Ende hin nur noch eingeschränkt benutzbar wird.
Tja, am Ende haben wir also ein Spiel mit viel verschenktem Potential. Tolle Grafik gepaart mit mäßigen Modellen, eine durchdachte Story zusammen mit z.T. dämlichen Dialogen, angenehmes Rätseldesign in Verbindung mit einigen "blockierenden Puzzleaufgaben". Jack Norm ist auf jeden Fall ein Charakter, aus dem man ne Menge rausholen kann und der "neue Stil" mit der guten Aufmachung dieses Adventures macht schon Lust auf mehr - irgendwie. Nehmen wir die Tücken des Erstlings also mal als Startschwierigkeiten und hoffen auf Besserung im nächsten Jack Norm Adventure, dass wohl "Broadway" heißen soll.
Grafik: 1- (Kleiner Abzug wegen den Modellen, aber die schönen Grafiken überwiegen doch deutlich)
Sound: 2
Spielstory: 2 (Gewichtung hier eindeutig auf der Story. "Dialoge" eher nur ne 4))
Bedienung: 3 (schlechte Note wegen den viel zu weiten Wegen, die man nicht mal abkürzen darf)
Rätseldesign: 3 (Der "Puzzleteil" kann etwas frusten)
Spielmotivation: 3 (Das Spiel läuft für ne bessere Note zu "unrund", obwohl - oder gerade weil man die Lösung natürlich unbedingt wissen will)