"Gedrucktes ist tot."
-Harold Ramis alias Dr. Egon Spengler in GHOSTBUSTERS (1984)
Ich allerdings teile diese Einschätzung nicht. Bereits in früher Kindheit habe ich begonnen, alles lesbare zu verschlingen, das ich in die Finger bekommen konnte. Lesen ist ungemein hilfreich beim Entwickeln eines eigenen guten Schreibstils. Tausdend mal wirkungsvoller als jeder Deutschunterricht. Bei mir wurde das allerdings zu einem Problem. Da ich bei meiner Einschulung schon Lesen, Schreiben und Rechnen konnte und bis in die siebte Klasse hinein den gesamten Stoff schon von vornherein beherrschte, lernte ich nie wirklich zu lernen und kackte dann später in vielen Fächern ziemlich ab, als plötzlich doch mal neue, unbekannte Themen hinzukamen. Die deutsche Grammatik beispielsweise beherrsche ich recht gut, allerdings kenne ich die wenigstens Regeln, weil ich beim Erklären selbiger in der Schule völlig abgeschaltet habe, denn mit Schreiben nach Gefühl fuhr ich immer sehr gut. Wozu also doofe Grammatik pauken?
In der Pubertät, so mit 12, verlor ich das Interesse am Lesen aber leider zusehens. In der Schule wurden einem dauernd doofe 2. Weltkrieg-Bewältigungs-Romane aufgezwungen, auf die ich nun wirklich keinen Bock hatte und spätestens mit dem zwanzigsten widerlichen, kleinen, gelben Reclam-Heft war Lesen für mich zum Synonym der völligen Ödnis verkommen. Glücklicherweise las ich trotzdem weiterhin privat wenigstens gelegentlich mal ein Buch.
Erst in letzter Zeit habe ich die Lust auf das Lesen verstärkt zurück gewonnen.
Ganz im Ernst? Langsam wirst Du mir Unheimlich! Mir ging es fast genauso, nur mit dem Unterschied, daß ich trotz Allem lieber immer weiter gelesen habe als irgendetwas Anderes in der Schule zu machen! Weltkriegszeug wie "Damals war es Friedrich" oder die Atomreaktorunglücksromane wie "Die Wolke" haben dann allerdings auch mir das Ganze beizeiten etwas verleidet und mein Augenmerk eher in Richtung Comic-Literatur verschoben! Meine ersten vorsichtig tapsenden Schritte in die Lesewelt kamen bei mir auch eher aus der Comicrichtung! Ich habe mit Donald Duck und Batman lesen gelernt. Ach, dieses nie "richtig lernen, lernen", Greg, das hatte ich auch!
Als ich neulich "Demian" von Hermann Hesse las, merkte ich aber wieder erst, was es für einen himmelweiten Unterschied macht, echte Weltliteratur zu lesen. Da kann ich hunderte Romane lesen, diese Faszination, die von einem Buch ausgehen kann, erlebt man nur bei ganz wenigen Autoren. Es ist nicht unbedingt nur die Sprache, sondern vielmehr, diese unendliche Weisheit, die von solchen Schinken ausgeht.
Sicher, dabei spielt auch immer die eigene Entwicklung eine Rolle, aber soviel Wahrheit über das Leben, wie in diesem kurzen Büchlein "Demian" finde ich in keiner Brockhaus-Enzyklopädie.
Meine Literatur Topp 3 (in loser Reihenfolge):
Franz Kafka - Der Prozess
Max Frisch - Homo Faber
Hermann Hesse - Demian
Gebe Dir auch hier im Groben Recht! Bin ein großer Hessefan, immer gewesen! Es gibt gewisse Passagen in gewissen Werken, die mich gerade als Heranwachsenden zu Tränen gerührt haben! Ausserdem ist Hesse gut zum Frauen aufreißen! Ehrlich, ich schwöre es! Hesse zur Rechten Zeit vorsichtig ins Gespräch einfließen lassen, gepaart mit dem Ein oder Anderen Zitat, es funktioniert!
Mein Favorit in Sachen Hesse ist allerdings schon immer "Siddharta"! Ich liebe dieses Buch! Habe es sicher zwanzigmal gelesen und eine Zeit lang hatte ich es immer irgendwie dabei! "Glasperlenspiel", auch gut!
Kafka ist selbstverständlich einer der ganz Großen! Wobei ich da mal ganz entspannt das Gesamtwerk empfehlen möchte! Muß man einfach Alles gelesen haben! Und sooo viel ist es dann auch nicht! Ich bin dann noch ein großer Freund seiner Briefe!
Vor einiger Zeit habe ich auch Hemingway für mich entdeckt! Jetzt nicht unbedingt seine bekannten Werke, sondern in einem kleinen Buchladen bin ich auf den Gesamtdruck seiner journalistischen frühen Jahre gestoßen! Da finden sich die gesammelten Artikel, die er kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs als Berichterstatter in Europa geschrieben hat! Zwar noch etwas grober (weil auch eher journalistischer und kühler) aber beeindruckend und vor Allem für Geschichtsinteressierte unheimlich interessant, das Nachkriegeuropa und vor allem Nachkriegsdeutschland
mit den Augen eines Kanadiers! Unbeschreiblich gut!
Das Letzte was ich gelesen habe war dann allerdings nicht von dermaßen staatstragender Natur! Zum Einen,mal wieder, und den meisten bekannt, "American Psycho" (ich kann es einfach nicht lassen) und "Logoland" von Max Barry! Letzteres, ist eher Trivialliteratur, weil nicht besonders gut geschrieben, aber es fesselt und hat eine gute Geschichte, die recht konsequent zu Ende geführt wird! Sollte man mal gelesen haben! Alles Andere als ein hoffnungsvoller Blick in unsere nahe Zukunft! Googelt mal danach!
Mein absoluter Held ist und bleibt allerdings unser Andernacher Landsmann! Der absolute Menschenfreund und nette Kumpel! Charles Bukowski! Ich glaube, da gibt es nichts, daß ich von dem noch nicht gelesen habe! Hank ist super!
Ach, gibt noch soviel! Über Goethe, dessen Reineke Fuchs bis heute für mich die einzig wahre Fabel ist, natürlich Schiller und all die über die noch nicht gesprochen wurde! Wen ich aber bis heute nicht ab kann, und ich hoffe, daß wird mir verziehen, ist Saint Exupery, mit seinem kleinen Prinzen! Ich mochte ihn nie!
Und übrigens, um das hier mal noch anzufügen, aus genau den oben genannten Gründen halte ich das vielgelobte und jüngst verfilmte Süßkind-Werk "Das Parfüm" für absoluten Mumpitz. Schreiben kann er genial, der Patrick Süßkind, keine Frage. Die Atmosphäre ist zum Schneiden dick und die Schilderungen dieser stinkenden Straßen und Plätze des damaligen Paris derart lebhaft, dass man wirklich das Gefühl hat, sich selbst mitten darin zu befinden.
Aber das Buch gibt mir einfach nichts. Die Geschichte ist ultradämlich und von Tiefgründigkeit kann keine Rede sein.
Und das macht für mich den kleinen, aber feinen Unterschied.
So, jetzt gerne auch wieder Science Fiction.
Auch hier gebe ich Dir vorbehaltlos Recht!
@deathrider:
Nietzsche und sein "Zarathustra" sind schwere Kost, aber es lohnt sich in jedem Fall! Nichts, das man runterliest und vor Allem etwas, womit man sich intensiver beschäftigen muß! Sehr Philosophisch und sein Versuch den "Übermenschen" zu kreieren wurde beizeiten falsch interpretiert. Der Mensch ist sein eigener Gott, für die damalige Zeit sehr revolutionär, und doch in seiner Feststellung und dem weg seiner Erkenntnis sehr bewegend, wenn nicht sogar zu Herzen gehend!
"Das Kapital" ist für mich zunächst sehr schwer gewesen! Nachdem ich es einige Zeit beiseite gelegt hatte, mich eher zufällig intensiver mit den Zeitumständen und der Herleitung der politischen Verhältnisse auseinandergesetzt hatte ging es wie von selbst! Teilweise hat das Ganze etwas prophetisches, teilweise erkennt man, leider, daß die Welt seit dem Beginn der Industriealisierung immer mehr zu einem sehr traurigen Ort verkümmert!
Möchte an dieser Stelle noch kurz Gottfried Benn empfehlen. Ehemaliger Feldarzt des ersten Weltkriegs, der viel in seinen Werken suchte zu verarbeiten! Unheimlich hart und für mich oft schmerzhaft zu lesen!
Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke
Der Mann:
Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Manne groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Mensch hat so viel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schoß.
Man lässt sie schlafen. Tag und Nacht. Den Neuen
sagt man: hier schläft man sich gesund. Nur Sonntags
für den Besuch lässt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt der Acker schon um jedes Bett.
Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort.
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft.
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Na, vielleicht nicht Jedermanns Sache!
Ach, es gibt noch soviel mehr zu entdecken! Mir fällt nicht alles ein!
Ach so, zu Max Frisch! "Der Mensch erscheint im Holozän" ist für mich eines seiner besten Bücher, Romane, wie auch immer! Ist ganz tief drin, bei mir!