Eigentlich bin ich kein Rollenspieler und eigentlich (schon wieder dieses Unwort) habe ich nie Interesse für dieses Genre gezeigt. „Nie“ ist aber nur die halbe Wahrheit. In jungen Jahren meines Spieldaseins hat es mich tatsächlich mal in die tiefen Dungeons von
Eye of the Beholder verschlagen, da ich das Setting als interessant befand. Lang hielt ich aber nicht in den dunklen Kerkern durch. Zu verworren wirkte das Gameplay, zu undurchsichtig die Hitpoints und das ganze Brimborium drum herum. Ja ja, der Hund hatte auch noch in dreister Art und Weise die Anleitung zum Spiel verschluckt…
Somit schob ich dieses Genre gedanklich in eine weit entfernte Ecke meines Hirns. Zudem hielt mein Lieblingsgenre Adventures so viele tolle Spiele parat. Hier konnte ich nämlich –ohne größere Einarbeitung- Abenteuer en Masse erleben und schaurige, humorvolle oder mitreißende Geschichten erleben.
So viel zur Vorgeschichte. Obwohl! So ganz bin ich damit noch nicht durch. Also…
…in kühlen Wintertagen griff ich (wie all zu oft) zu einer Spielezeitschrift aus vergangenen Tagen. Das Schicksal wollte es so, dass ich gleich zwei mal (einmal davon war es auf jeden Fall die PC Player) über dieses Rollenspiel namens
Baldurs Gate stolperte. Diese Grafik, diese riesige Spielwelt und vor allen Dingen das Mittelalter-Setting haben es mir angetan. Danach klickte ich mich kurz in ein Longplay bei youtube rein und schon war es um mich geschehen! Glücklich war ich darüber hinaus, dass in meinem Spielefundus die große Box von
Baldurs Gate – Das Epos verfügbar war. Nun denn. Auf in den Kampf gegen Sarevok!!
Zuerst noch ein paar Worte zur verwendeten Version. Ich habe ein paar Updates installiert und letztendlich meldete das Programm die Versionsnummer
1.3.5521 (bezieht sich im Endeffekt auf Legenden der Schwertküste) im Startbildschirm. Nach ein bisschen Sucharbeit wurde ich im Internet hinsichtlich eines Breitbildschirm-Patches fündig.
Hier der Link dazu. Leider wurde mein Monitor nur im Spielgeschehen voll ausgenutzt. Wenn ich ins Inventar klickte bzw. Karte oder Optionsschirm bemühte, so wurde dies verkleinert dargestellt. Damit konnte ich aber leben, da ja größtenteils der Hauptbildschirm zum Einsatz kam.
Bevor das Abenteuer starten konnte, ging es an die Charaktergenerierung. Entschieden habe ich mich für einen Magier, der rechtschaffend neutral ist. Wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, dass sich das letztendlich als eine gute und wichtige Wahl erweisen würde. Später mehr dazu.
Meine 5 Hauptbegleiter im Spiel waren:
* Imoen
* Khalid
* Jaheira
* Kivan
* Ajantis (der, auf Grund seines Aufenthaltsortes, recht spät in die Party eintreten durfte)
Wie der geneigte Baldurs Gate-Spieler erkennen kann, war meine Truppe guter Gesinnung. Das Böse herrscht in unserer Welt ja ohnehin schon genug!
Einen Kurzauftritt hatte die Klerikerin Branwen, die in einem Kampf beim Jahrmarkt aber ad hoc ins Gras beißen musste. Bis zum Treffen mit Ajantis war übrigens Garrick mein treuer Begleiter. Seine Bardenlieder und sein Geschick am Bogen machten sich über weite Strecken bezahlt. Im Fischerdorf vor Baldurs Gate musste er dann aber mit Ajantis zur Auswechslung abklatschen. Die guten Kampfwerte des Helm-Anhängers überzeugten mich auf ganzer Linie.
Überzeugt haben mich auch die ersten Spielstunden. Da gab es viel zu erforschen und an die Steuerung musste ich mich als nicht Rollenspiel bewanderter Spieler auch erst mal gewöhnen. Zum Glück führt der Prolog in Kerzenburg den Spieler ausführlich (wenn man denn will) und gleichzeitig gekonnt in die Handfertigkeiten des reisenden Ritters ein. Apropos „reisender Ritter“: Zur tatkräftigen Unterstützung lag bei mir auf dem Schreibtisch das Buch
Baldurs Gate – Das Handbuch für den reisenden Ritter parat. Nach erfolgreich abgeschlossenen Etappen habe ich mir die tagebuchähnlichen Zeilen zu Gemüte geführt (auch um Kontrollieren zu können, ob ich eventuelle Patzer begangen habe…). Das Lösungsbuch hält einige Tipps parat. Gut möglich, dass ich ohne den Schmöker nicht das Ende bzw. nur unter erheblichem Aufwand Sarevoks Tod erleben hätte dürfen.
Zurück zum Spiel! Wie gesagt, habe ich voller Entdeckungslust die ersten Spielstunden gut verlebt. Die Spannung war noch da, die großräumigen Karten „freizulegen“. Wir Menschen sind halt von Natur aus neugierig und gehen somit gern auf Entdeckertour. Doch bereits im 3. Kapitel machten sich erste Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Wer immer alle Karten vollständig durchstreifen möchte, hat einiges zu tun, da die Truppe doch eher gemächlichen Schrittes ihre Wege zieht. Erschwerend kommt hinzu, dass alle Nase lang Monster und sonstige zwielichtige Typen unserer Party den Garaus machen wollen. Kämpfe kosten halt auch Zeit (Stichwort: Pausenfunktion!) und die Beute will größtenteils wieder vertickt werden.
Diesbezüglich wäre das nächste Manko anzuführen: Die Rucksäcke unserer Schergen sind einfach zu klein. Will man dann ab und an noch einen menschlichen Körper bugsieren oder einen Amboss schweren Ankheg-Panzer mitschleppen, hat man den Salat! Nur die kräftigen Mitglieder können dann –meist unter Zuhilfenahme eines Stärketranks- die Muskeln spielen lassen und die kiloschweren Utensilien weghieven. Was mir beim Manövrieren im Inventar auffiel ist der Umstand, dass es häufig hakte. Gerade bei Auswahl eines Gegenstandes, den ein Charakter mehrfach bei sich hat, kamen bei der Aufteilung des guten Stückes leise Kopfschmerzen bei mir auf. Auch die zeitkritische Aufnahme von Tränken oder Ausführung von Zaubersprüchen kam zeitlich verzögert, welches aber vermutlich mit den rundenbasierten Aktionsradien der Charaktere zu tun hatte.
Jetzt bin ich aber erneut vom eigentlichen Thema abgekommen. Ursprünglich wollte ich auf das Erkunden der Spielwelt eingehen. Wie weiter oben schon kurz skizziert, ließ dieser Forscherdrang bei mir im 3. Kapitel etwas nach. Bestimmte Quests erfordern doch einiges an Laufarbeit. Dies ist wiederum häufig mit Kämpfen verbunden. Anfangs habe ich auch einfach zu viel an (unnötiger) Beute in meine Taschen gestopft. Dadurch musste ich des Öfteren Kehrt machen und ´nen Händler aufsuchen, um die Sachen zu verscherbeln und gleichzeitig den dringend benötigten Platz im Inventar wieder herstellen zu können. Das zieht das ganze Spiel doch beträchtlich in die Länge.
Trotz der Längen im Spiel flammt immer wieder die Motivation auf. Wo gibt es noch Sachen zu erledigen? Wie treibe ich die Geschichte voran? Was für seltene Gegenstände hält die nächste Karte für mich parat? Wann erreiche ich mit Charakter x die nächste Levelstufe? Genau in diesen Punkten kann Baldurs Gate punkten. Gefallen finden darüber hinaus die liebevoll gestalteten Lokalitäten. Als Burgen und Schlößer begeisterter Mensch labte ich mich vor allen Dingen an diesen mittelalterlichen Bauwerken. Leider wurde bei Räumen in den Häusern häufig recycelt. Hier gibt es mehr als einmal die gleichen Inneneinrichtungen zu „bestaunen“.
Musiken und Soundeffekte sind tadellos, wobei man bei der deutschen Sprachausgabe deutliche Abstriche machen muss:
- Erzähler der Geschichte: Sehr gut
- Bösewicht Sarevok und einzelne Gnome/Zwerge: gut
- Partycharaktere und bestimmte NPCs: mangelhaft
Unsere Diebin Imoen klingt wie ein Kleinkind. Mein Charakter
Jan von Beanorus habe ich sächseln lassen. Munter plaudernd trifft man auf Hessen, Bayern und weitere akzentreiche Quasselstrippen. Ob das in ein mittelalterliches Fantasyszenario passt? Ich weiß ja nicht…
Das Spiel per se ist sehr umfangreich. Obwohl ich das AddOn
Baldur's Gate: Die Legenden der Schwertküste mit installiert hatte, habe ich mich nur mit dem Hauptprogramm beschäftigt. Nur einmal wagte ich einen Ausflug nach
Durlags Tower. In der zweiten oder dritten Ebene des Turmes musste ich aber das Handtuch werfen. Was einem da an Spells um die Ohren saust, geht auf keine Schwertküsten-Kuhhaut!
Auch ohne AddOn musste ich lange an der Bewältigung des Programms knabbern. Ganze
114 Tage (Spielrechnung) hatte es gedauert, bis ich den Abspann sehen durfte. Umgerechnet sind das rund
228 Stunden oder
10 Tage. Die etlichen Pausen bei den Kämpfen nicht einberechnet, da die Zeit stoppt, wenn man diese Funktion nutzt.
Mit Pauken und Trompeten ging ich beim Endkampf zunächst unter. Letztlich war mein Charakter durch seine magischen Fähigkeiten und der
Stab der Monsterherbeirufung von extrem hoher Wichtigkeit, um dem bösen Herrn Tunichtgut beizukommen.
Im Großen und Ganzen haben mich die Geschichten in und um Baldurs Tor sehr gut unterhalten. Die neuen, rollenspieltypischen Erfahrungen haben meinen Spielhorizont erweitert und viele bemerkenswerte Einblicke in dieses (AD & D) System geboten. Leider hatte ich mir mehr in Bezug auf Rätsel, Storyline und Aufmachung erhofft.
Rätsel:Wieso wurden hier nicht mehr adventuretypische Aspekte ins Spiel eingebunden? Z. B. hätte irgendwo ein Schlüssel versteckt sein können, der den Zugang zu einem geheimen Labyrinth gewährt. Oder wie wäre es mit einer Kombination von Gegenständen gewesen, die eine besonders schlagkräftige Waffe als Belohnung zu Tage gefördert hätte? Summa Summarum wäre hier sicherlich mehr drin gewesen…
Storyline:So schön die Geschichte am Anfang des Spiels beginnt, so konfus endet sie im letzten Kapitel. Selbst in Kapitel 5 und 6 gibt es so viel von NPCs zu erfahren, dass es zu einigen wirren Handlungbeschreibungen kommt. Im Kapitel 6 hat mir NPC B eine Antwort gegeben, die eigentlich erst Sinn ergibt, wenn ich vorher (welches ich NICHT getan hatte) mit NPC A ins Gespräch gekommen wäre. Weniger wäre diesbezüglich sicherlich mehr gewesen…
Außerdem hätte ich mir von den Buchgeschichten im Spiel mehr Flair & Atmosphäre versprochen.
Das Fortspinnen der Geschichte in Form des Erzählers wurde hingegen sehr gut gelöst.
Aufmachung:Die Zwischensequenzen enttäuschen doch sehr. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wäre aus technischer Hinsicht deutlich mehr machbar gewesen. Fast schon plump kommen einige Videos daher. Das hohe Niveau des eigentlichen Spiels kann hier nicht ansatzweise gehalten werden. Wünschenswert wäre es zudem gewesen, dass bei wichtigen Gesprächspartnern zumindest ein Portrait bei der Konversation erscheint.
Was bleibt ist ein stolzes Gefühl, dass ich dieses große und nicht ganz einfache Spiel bezwingen konnte. Zwischenzeitlich, als in der Gnollfestung ganze Heerscharen an Gegnern über mich herfielen, war ich mehr als skeptisch, nur in die Nähe des Herrn Sarevoks zu kommen. Beharrlich kämpfte ich mich aber durch so gut wie alle Karten und konnte somit sukzessive meine Party hochleveln. Vielleicht war auch die Beständigkeit meiner Truppenzusammenstellung der Schlüssel zum Erfolg?
Wie dem auch sei. Bewerten möchte ich dieses Spiel mit knappen
8 Punkten. Für die Fans des Spiels mag das ein wenig hart klingen. Vermutlich gehe ich zu hart mit dem Bioware Titel ins Gericht. Dennoch mussten die oben beschriebenen Mankos in meine Gesamtwertung einfließen.
Schlussstatement:
Schweres Rollenspiel, welches durch seine immense Spieltiefe und riesengroße Spielwelt viel an Überraschungen/Entdeckungen parat hält. Eine bemerkenswerte Spielerfahrung für mich, die ich in dieser Form so noch nicht kannte. Etwas für Hardcorespieler, die hartnäckig/eisern sind. Nichts für ungeduldige Gelegenheitsspieler, die dazu noch an Zeitmangel leiden.
Kommentar wurde am 25.05.2020, 18:43 von jan.hondafn2 editiert.