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Das Interview mit Martin Gaksch wurde am 20.09.2011 veröffentlicht.

Steckbrief
Name: Martin Gaksch
Alter: 46 Jahre
Karriere: Abitur, abgebrochenes Studium der Mathematik, Redakteur bei Markt & Technik (Happy Computer, Power Play), Produktmanager bei Rainbow Arts, Chefredakteur bei Markt & Technik (Power Play, Video Games), seit 1993 geschäftsführender Gesellschafter beim Cybermedia Verlag
Verlag: Cybermediaverlag



?: Fangen wir mal bei den Ursprüngen an. Wie kamst du damals zum Spielejournalismus und was hast du vorher getan?
mg: Spätestens mit zehn Jahren war ich vom Videospiel-Virus infiziert und habe fortan alles gespielt, was ich in die Finger bekam. Das war zwar weniger förderlich für meine schulischen und später studentischen Leistungen – dafür habe ich mit dem Fachverlag Markt & Technik Kontakt aufgenommen und mich als freier Autor für eine spätere Festanstellung als Redakteur empfohlen. So wurde das Hobby zum Beruf.
?: Auf welchem System hat deine Karriere als Spieler begonnen?
mg: Mein erstes Videospielsystem mit austauschbaren Modulen war das Philips G7000, davor hatte ich schon diverse Pong-Konsolen. Ich bin dann aber bald auf das Atari VCS 2600 umgestiegen, als ich merkte, dass für das G7000 deutlich weniger und deutlich schlechtere Spiele veröffentlicht wurden.
?: Erinnerst du dich noch an den ersten von dir verfassten Test?
mg: Das war entweder Summer Games oder One-on-One für den C64 – beide Spieletests habe ich als freier Autor für die Happy Computer oder das C64-Magazin geschrieben.
?: Waren Boris Schneider und Heinrich Lenhardt für einen jungen, Spielebegeisterten der zum Team der HC dazustieß schon so etwas wie Stars?
mg: Nicht wirklich. Der „Personenkult“ begann erst mit der Power Play. Als ich 1987 bei der Happy Computer anfing, waren das in meinen Augen zwar sehr sympathische, aber ganz normale Kollegen.
?: Es gab zur Zeit deines Einstiegs in die Branche ja noch keine so große Konkurrenz wie heute, hat man sich über die anderen Magazine auf dem laufenden gehalten?? Gab es vielleicht sogar Kontakte?
mg: Klar haben wir die deutschen Mitbewerber gelesen, faszinierned fanden wir aber nur die englischen und amerikanischen Fachblätter. Im Vergleich zu heute gab es kaum Kontakt zwischen den Redaktionen. Das wurde damals von der Chefredaktion um Heinrich Lenhardt auch nicht gewünscht.
?: Deine Liebe zu Spielkonsolen hat sich für den Leser ja schon relativ früh erkennen lassen. Welches alte Gerät nimmt heute noch einen Ehrenplatz in deinem Herzen ein?
mg: Heute mag ich eigentlich alle alten Konsolen – je skurriler, um so besser. Wenn ich drei herauspicken müsste, dann das Vectrex, die japanische PC-Engine und das Master System.
?: Was waren die skurrilsten Ereignisse, die du mit deiner Zeit als Redakteur verbindest?
mg: Die nettesten und nervigsten Dinge erlebte ich bei Geschäftsreisen. Auf der einen Seite das Abklappern von vielen US-amerikanischen Entwicklern Anfang der 90er-Jahre: Damals konnte man noch unbeeinflusst von Marketing-Zwängen mit den Programmierern plaudern und genoss die lockere Atmosphäre im kalifornischen Silicon Valley. Andererseits gab es einige Produktpräsentationen im europäischen Raum, die peinlich unprofessionell geplant wurden. Höhepunkt war ein von der englischen Electronic-Arts-Niederlassung verantworteter Rennspiel-Event, bei dem die Hotelzimmer aus Versehen doppelt belegt wurden, das Restaurant keine Ahnung hatte, dass rund 30 Journalisten Hunger hatten und so weiter – das war dann doch eher nervig als abenteuerlich.
?: Wie kam der Schritt vom Redakteur zur Gründung eines eigenen Verlages zustande,was war dafür ausschlaggebend?
mg: Wir fühlten uns bei Markt & Technik nicht wirklich ernst genommen – Videospiele sah man als temporäre Erscheinung an und war nicht gewillt, in die Magazine langfristig sinnvoll zu investieren. Neben dem Wunsch ansich, irgendwann mal selbstständig zu arbeiten, war dies der Hauptgrund für den Sprung ins kalte Wasser.
?: Findest du als Verlags-Chef noch Zeit selber zu spielen? Vielleicht sogar Retro-Spiele. Wenn, ja was landet dann heute noch in deinem CD-Tray, Diskettenlaufwerk oder Modulschacht?
mg: Naturgemäß wird die Zeit für Hobbys knapper, wenn Beruf und Familie ihren Tribut fordern. Heute spiele ich immer noch sehr gerne, aber weniger Zeitfresser wie Rollenspiele oder Action-Adventures. Alles, was man mal zwischendurch zocken kann, so von 5 bis 30 Minuten, hat mehr Chancen. Gerade die Download-Häppchen auf Xbox Live und dem PSN begeistern mich immer wieder – und da ist ja auch viel Retro dabei. Gleiches gilt fürs iPad, das ich zwischenzeitlich lieb gewonnen habe.
?: Fehlt einem, wenn man direkt mehreren Publikationen vorsteht nicht irgendwann die Zeit und der direktere Kontakt zum Objekt der Berichterstattung?
mg: Keinesfalls. Ich sehe täglich, was in der Redaktion passiert, welche Neuheiten angetestet werden. Insofern habe ich noch einen sehr guten Überblick über das Spielegeschehen auf allen Plattformen.
?: Die Legende kursiert,daß damals noch in den heiligen Hallen von Happy Computer (oder war es schon die Power Play?) der von der Spielergemeinde adoptierte Begriff „Obermotz“ entstanden ist. Trifft das zu und wenn ja, kannst du dich noch erinnern von wem das kam?
mg: Ob der Begriff tatsächlich von „uns“ geprägt wurde, kann ich nicht sagen – es klingt aber nach einer typischen Heinrich-Wortschöpfung :) Wir haben jedenfalls schon damals darauf geachtet, Wortwiederholungen zu vermeiden und gerade „Feind“ bzw. „Endgegner“ waren doch sehr typische Begriffe. Insofern wurde Obermotz gerne als sprachliche Alternative genommen.
?: Wer die alten Hefte verfolgt hat, dem dürfte deine Liebe zu einem gewissen Klempner italienischer Herkunft aufgefallen sein. Eine Liaison, die die Jahre und den Sprung in die dritte Dimension überlebt hat?
mg: Absolut. Damals wie heute sind Mario-Spiele die mit Abstand besten Jump’n’Runs – und ich mag das Genre immer noch sehr gerne. Wobei mir die 2D-Abenteuer wie „New Super Mario Bros.“ auf DS und Wii nach wie vor besser gefallen als „Super Mario Galaxy“ und andere 3D-Inkarnationen.
?: Eins unserer fleißigen Mitglieder hat ein Lander-Spiel aus dem Markt&Technik-Verlag, von 1985 entdeckt. Autor ist ein gewisser „Martin Gaksch“ kannst du uns dazu etwas erzählen.
mg: Ehrlich gesagt nein, denn ich kann mich daran nicht erinnern. Vielleicht ist es ein Basic-Listing, das ich mal eingeschickt hatte. Das einzige professionelle Spiel, an dem ich mitgewirkt habe, stammt aus meiner Zeit bei Rainbow Arts und heißt „Rock’n Roll“ – eine Art „Marble Madness“ mit vielen Puzzle- und Abenteuer-Elementen.
?: Es wird immer wieder geunkt, daß der PC wegen Aufrüstwahn und Co. seinem Ende als Spieleplattform zustrebt. Wie siehst du seine Zukunft im Wettbwerb mit den Konsolen?
mg: Ich war nie ein PC-Freund und will meine Zeit auch in Zukunft nicht mit Konfigurieren, Aufrüsten & Co. vergeuden. Ich arbeite am PC, aber spiele zu 99% auf Konsole, Handheld und iPad. Insofern glaube ich auch persönlich nicht an eine Rückkehr des PC als dominante Spieleplattform.
?: PC-World listet das Phillips-CDI auf Platz 4 der schlechtesten Konsolen aller Zeiten, was sind deine Erinnerungen als Chefredakteur des offiziellen, deutschen Magazins der glücklosen Konsole?
mg: Wir waren jung und brauchten das Geld – oder so ähnlich. Das CDi-Magazin war ja keine kreative Leistung des Cybermedia Verlages, sondern ein simpler Übersetzungsjob, bei dem als Vorlage die englischsprachige Fassung diente. Es gab aber auch ganz coole Titel wie einige Interactive Movies mit guten MPEG-Videos („Voyeur“). Nicht zuletzt besuchten Mario und Link das CDi – es passiert ja nicht häufig, dass Nintendos Gallionsfiguren einen Hardware-Abstecher machen...
?: Laß uns doch zwei Fragen über die Vergangenheit in einer zusammenfassen. Kannst du uns sagen ob es Dinge gib, die du bei Spielen und der heutigen Berichterstattung über diese im Vergleich zu Früher vermisst?
mg: Bei der Berichterstattung die Individualität von Entwicklerbesuchen – heute wird fast alles vom Marketing der Firmen reglementiert, damals hatten die Journalisten deutlich freiere Hand, wen sie wann besuchen und befragen durften. Bei Spielen vermisse ich eigentlich nichts – durch die Kombination aus millionenschweren Mega-Produktionen wie „Gears of War“ oder „Uncharted“ und den unendlich vielen kreativen Download-Games via Xbox Live, PSN und nicht zuletzt Apples iTunes sind alle meine Bedürfnisse besser abgedeckt als jemals zuvor. Einzig die Module als Datenträger vermisse ich aus nostalgischer und Sammler-Sicht.
?: Man hört immer wieder über Absatzprobleme aktueller Spielezeitschriften, gleichzeitig schießen die Internetportale, die sich eben jener Berichterstattung widmen wie die Pilze aus dem Boden. Was muß der Print-Markt deiner Meinung nach tun,wenn er überleben will?
mg: Ein schwieriges und komplexes Thema, das man nicht in ein paar Sätzen anhandeln kann. Insofern belasse ich es bei der Binsenweisheit, dass man neben inhaltlicher und wirtschaftlicher Kompetenz auch Herzblut in das jeweilige Heft stecken muss. Es darf kein Abfallprodukt anderer Dienste oder eine Zweitverwertungsammelstelle sein. Für den Cybermedia Verlag spricht außerdem, dann wir nie über unsere Verhältnisse gelebt haben und stets konservative Business-Pläne machen. Denn eines darf man nicht vergessen: Bei aller Liebe zum Spiel und auch zu Print – am Ende des Tages muss jemand die Rechnung zahlen und das geht nur, wenn man sich an den Bedürfnissen der Leser orientiert.
?: Blätterst du gelegentlich noch in alten Magazinen aus der Anfangszeit?
mg: Selten, aber gerne. Vor allem die Magazine der 80er Jahre finde ich faszinierend – aus Deutschland die Telematch (habe ich zum Glück alle Ausgaben aufgehoben) und Electronic Games aus den USA (hier fehlen mir leider noch viele Exemplare).
?: Welchen Ratschlag würde Martin von heute dem jungen Martin aus der Anfangszeit geben, wenn er ihn durch die Zeit kontaktieren könnte?
mg: Rückblickend bin ich mit fast allen beruflichen Entscheidungen zufrieden und würde nichts ändern. Allerdings darf ich nicht an die Zeit denken, als ich ignorant an den Ausverkaufswühltischen 1983 und später gegen Ende der NES-Zeit vorbeigelaufen bin und heutzutage sehr seltene und kostbare Spiele für ein bis fünf DM keines Blickes gewürdigt habe...
?: Was denkst du über Retro-Seiten und Fanatiker wie uns? Ist das eine gute Sache oder haben wir alle einen Schuss?
mg: Nie war Retro so wertvoll wie heute – insofern Respekt für alle Hobby-Historiker, die ihre Freizeit opfern, um die gute, alte Videospielzeit am Leben zu erhalten.
?: Kultboy.com bedankt sich im Namen aller Mitglieder für das Interview und wünscht viel Erfolg und Gesundheit für dein weiteres Leben.


Interviewer war Retrofrank. Das Copyright des Interviews unterliegt Retrofrank sowie Martin Gaksch, eine Kopie hiervon darf nur mit Genehmigung gemacht werden!
User-Kommentare: (25)Seiten: «  1 [2] 
20.09.2011, 20:09 Frank ciezki [Mod] (3812 
Wow,der gute Kulty schießt ja schneller als sein Schatten.
Hab das Teil doch erst heut Nachmittag rübergeschickt.
Hätte auch gerne noch mehr Fragen gestellt,leider kamen nur eine Hand voll Anregungen in der Woche die ich gewartet habe,die habe ich dann auch versucht zu berücksichtigen.
Über seine Rolle bei Rainbow Arts wusste ich vorher nicht bescheid,da hätte man sicher auch noch nachhaken können.
Sehr interessant finde ich sein Statement zu den Gründen der Verlagsgründung,in Bezug auf den Markt&Technik-Verlag.Hört sich wirklich an,als wären dort Leute am Drücker gewesen,die den Schuß nicht gehört hatten.

Auf jeden Fall freue ich mich daß er sich Zeit für uns genommen hat und die Fragen so unerwartet zügig beantworten konnte,für jemanden der einen Verlag unter sich hat.
20.09.2011, 19:58 bronstein (1654 
Martin Gaksch war und ist der intelligente Nicht-Intellektuelle, der leidlich gebildete Halbgebildete, kurzum: der sympathische, bodenständige und authentische Arcade-Game-Spieler schlechthin. Er ist nie der Versuchung erlegen so zu tun, als wären Strategiespiele oder Adventures etwas Besseres. 100% Respekt für sein Lebenswerk.
20.09.2011, 19:50 Gundark (692 
Vielen Dank Retrofrank.
Auch dafür, dass Du meine Frage nach dem Starstatus von Boris und Heini aufgenommen hast...

Und danke natürlich auch an Herrn Gaksch für dieses offene Interview.
20.09.2011, 19:48 Retro-Nerd (13516 
Das war es. Genauso mies, wie die Zelda Spiele.
20.09.2011, 19:46 docster (3389 
Bin da nicht im Bilde - war die CD-I - Version von Mario eine solche Katastrophe?
20.09.2011, 19:46 Retro-Nerd (13516 
Das Interview bestätigt seinen sympathischen Auftritt beim Spielveteranen Podcast. Hat wohl berufstechnisch auch alles richtig gemacht. Hut ab!
20.09.2011, 19:44 Commodus (6258 
docster schrieb am 20.09.2011, 19:32:
Schon während des Lesens fielen mir etliche weitere Fragen ein...


Ja, das stimmt! Zum Beispiel damalige persönliche Lieblingsspiele....ob er noch ein Spiele-Archiv von früher hat, und, und und.

Den Test zu One-on-One hat er wohl nur für das C64-Magazin geschrieben, da die hier vertretenen Happy Computer Test´s mit (hl) markiert sind. (Heinrich Lenhardt)
Kommentar wurde am 20.09.2011, 19:45 von Commodus editiert.
20.09.2011, 19:41 StephanK (1642 
Schönes Interview "Sein" Verlag bringt ja heutzutage noch die M! Games (ehemalige Maniac) raus, welches ich aktuell als das ansprechendste deutsche Multiformat-Magazin halte. Nette Anekdoten, wobei ich glaube das Nintendo sich heutzutage noch fragt, wie sie die Genehmigung für das Mario-Spiel auf dem CD-I erteilen konnten
20.09.2011, 19:32 docster (3389 
Ein sehr sympathischer Interview.

Schon während des Lesens fielen mir etliche weitere Fragen ein...
Kommentar wurde am 20.09.2011, 19:32 von docster editiert.
20.09.2011, 19:27 Commodus (6258 
Ein sehr informatives Interview mit einem Urgestein der Branche!

Allerdings hätte mich noch interessiert, ob er noch Kontakt zu seinen ehemaligen Powerplay-Kollegen hat. In einem der Spieleveteranen-Podcasts war er ja mal zu Gast.
Kommentar wurde am 20.09.2011, 19:30 von Commodus editiert.
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