Sowohl das hier besprochene "Legend" wie auch "Shadowlands" zählten für mich zu den innovativsten Spielen des Jahres 1992! Natürlich konnten beide Titel keinen Stich gegen die damals vorherrschende RPG-Elite, bestehend aus z.B. "Eye of the Beholder II", "Ultima VII" oder gar "Ultima Underworld", machen. Doch während bei diesen drei Programmen die Stärke ganz klar in der Präsentation lag, waren die Qualitäten der Mindscape/Domark-Iso-Abenteuer eher im Verborgenen zu finden...
Im Falle von "Shadowlands" wurde die äußerst innovative Idee jenes Games erst im zweiten Level enthüllt, nämlich das seinerzeit völlig neuartige Konzept, Licht und Schatten auf vorbildliche - und vor allem sinnvolle - Weise ins Spiel zu integrieren. Hinzu kommt, dass das die ganze Angelegenheit darüber hinaus auch noch beeindruckend aussah! Gewisse "Umstrukturierungen" waren zusätzlich beim Magie-Haushalt zu finden, konnte entsprechend fehlendes Potential doch auch aus Nahrungsmitteln, wie etwa Äpfeln, gewonnen werden, woraufhin der Nährwert eines solchen natürlich gen Null tendierte...
"Legend" wiederum sah auf den ersten Blick recht "gewöhnlich" aus, trotzdem bot dieses RPG ebenfalls eine Besonderheit: das Zaubersystem. Im Grunde genommen lehnte sich dieses ein wenig an die jüngeren "Ultima"-Teile an, in denen man sich spezieller Ingredienzen bedienen musste, um damit effektvolle Zaubersprüche zu wirken. Beim Mindscape-Produkt wurde man aber sogar leibhaftiger Zeuge einer solchen (animierten) Zubereitung bzw. deren Erfolg oder Misserfolg. Bei entsprechender Experimentierfreudigkeit war es sogar möglich, ganz neue Spells zu mixen, die über das Regelbuch hinausgingen! Für mich bis heute eines der innovativsten Zaubersysteme überhaupt!
Doch auch sonst konnte "Legend" mit einer sehr zuvorkommenden Bedienerfreundlichkeit aufwarten, inklusive Automapping im Stil von "Cadaver", der "Feigen Huhn"-Funktion, welche die gemeinsame Flucht der Party zum Dungeon-Ausgang ermöglichte, den Spezialfähigkeiten der vier Charaktere (z.B.
"Hide in Shadows", Berserker-Wut oder flottes Barden-Liedchen) sowie der LucasArts-mäßigen Befehlsleiste am unteren Bildschirmrand. Mit all diesen Komfort konnte "Shadowlands" leider nicht mithalten, entpuppte sich dessen Bedienung doch als ziemlich umständlich...
Beiden Rollenspielen gemein war, dass Kämpfe hier gänzlich automatisch abliefen, man also so gut wie keinen Einfluss darauf nehmen konnte, was natürlich immer ziemlich ärgerlich ist. Von der Präsentation her lehnten sich beide Titel an den zwei Klassikern "Cadaver" sowie "The Immortal" an, wobei das Ergebnis unterschiedlich ausfiel. "Shadowlands" konnte zwar - genauso wie "The Immortal" - mit Scrolling aufwarten, nichtsdestotrotz kam Konkurrent "Legend" weitaus detaillierter, wenn auch "stillstehend" daher. Besonders die Inneneinrichtung der verschiedenen Räumlichkeiten (Tische, Schränke, Truhen, Statuen, Standuhren usw.) wurden mit viel Liebe zum Detail inszeniert - da konnte Domarks Game nicht mithalten!
Schade, dass beide Spiele aufgrund der damals hochkarätigen Konkurrenz mehr oder weniger sang- und klanglos untergegangen sind. Ein Grund dafür war wahrscheinlich das Fehlen eines großen Entwicklers hinter dem jeweiligen Produkt. SSI/Westwood wie auch Origin-Allvater
Richard "Lord British" Garriot hatten seinerzeit zweifellos weitaus klangvollere Namen als
Anthony "Tag" Taglione oder Teque Software! War ersterer zumindest einem kleinen Teil durch den Duett-"Dungeon Master"-Klon "Bloodwych" geläufig, so war das Londoner Entwicklungsteam in der Vergangenheit zwar um einiges öfter in Erscheinung getreten, jedoch dürften die meisten Titel jenes Softwarehauses bestenfalls als äußerst durchschnittlich im Gedächtnis der Spieler geblieben sein...
Was nun den geringen Erfolg dieser beiden, meiner Meinung nach, wegweisenden RPGs betrifft, so vermochten selbst die guten bis sehr guten Wertungen aus ASM, Power Play und Amiga Joker nichts daran zu ändern. Während der "Aktuelle Software Markt" "Shadowlands" mit einem wenig begeisterten
"Gut" (Gesamtnote 9 Punkte) abtat (und auf gerade mal einer halben Seite testete), wurde "Legend" zwei Ausgaben später geradezu frenetisch bejubelt (auf satten zwei Seiten inklusive Auszeichnung mit dem "ASM-Hit" und insgesamt 10 bzw. 9 Punkten, da die Atari ST-Version etwas abfiel)! Die Power Play hingegen tendierte in Sachen Sympathie eher in Richtung "Shadowlands" (
"Super", 85 Prozent plus Eintrag ins Sonderheft "Die 100 Besten Spiele 1992) und pappte obendrein noch das goldene
"Sehr empfehlenswert"-Prädikat mit obendrauf! "Legend" wiederum wurde von RPG-Experte
Michael Hengst, der im Übrigen beide Spiele testete, mit einem "Gut" (69 Prozent) quittiert. Der Amiga Joker traf es meiner Meinung nach am besten und vergab für beide Titel die interne "Joker-Hit"-Trophäe (86 Prozent für "Shadowlands" bzw. 85 Prozent für "Legend"). Auch ich erachte beide Iso-RPGs als äußerst spielenswert: Zwar mögen die "Schattenländer" das innovativere Konzept besessen haben, dies machten die "Four Crystals of Trazere" (Originaltitel) hinsichtlich optischer Ausführung und Benutzerfreundlichkeit aber locker wieder wett! Darüber hinaus bot "Legend" noch einen kleinen Vorteil: Fanden die Ereignisse beim Domark-Game hauptsächlich "unter Tage" statt, so konnte das Konkurrenzprodukt mit einer ausladenden Oberwelt aufwarten (sogar mit integriertem Tag- und Nachtwechsel), welche allerdings nicht frei begehbar war, sondern lediglich als "Wanderkarte" für die Reisen von Ort zu Ort diente...
Abschließend ist vielleicht noch erwähnenswert, dass beide Spiele - trotz ihres wohl recht überschaubaren Erfolges - jeweils einen, meiner Meinung nach, völlig überteuerten Nachfolger ("Shadoworlds" bzw. "Worlds of Legend") spendiert bekamen, den man bestimmt auch genauso gut als preisgünstige Data Disk hätte herausbringen können...
Kommentar wurde am 31.12.2014, 18:30 von Bren McGuire editiert.