Lisa Duck schrieb am 28.01.2023, 18:40:
[...]
Auch wenn es etwas philosophisch klingt – ist das nicht eine bereits in den 90er Jahren programmierte Dystopie auf welchen Weg sich die Menschheit befinden könnte? Beziehungsweise jetzt rund 30 Jahre später: bereits zu guten Teilen bereit entwickelt hat?
In der Tat, liebe Lisa! Gerade aktuell ist ja der sogenannte
Chat GPT im Gespräch, der einem irgendwie schon Angst machen kann. Nun aber Schluss damit, sonst wird es zu politisch... ;)
[...]
Vielleicht war gar nicht so viel von den Entwicklern gewollt und man spinnt sich selbst in sein Großhirn rein als eigenlich vorgesehen?
Doch doch! Das war von den Entwicklern -und insbesondere von Harlan Ellison-
exakt so gewollt. Wie bei allen Science-Fiction Sachen ist auch immer eine Prise Warnung an die Menschheit, sprich an uns, mit dabei: "Übertreibt es nicht, sonst holt euch die (schlimme) Realität schneller ein, als euch lieb ist!" :lehrer: Meine Meinung!!
Genau dieser lehrende Fingerzeig wurde bis dato exzellent im Spiel umgesetzt. Schlichtweg
jede Episode regt enorm zum Nachdenken an.
Nun aber zurück zu Nimdok.
Voraussehbare GeschichtsthematikSchon vor Beginn dieses Kapitels war eigentlich klar, um was es thematisch gehen würde, wenn ein Wissenschaftler aus dem Dritten Reich als Protagonist fungiert.
Lediglich das
"Wie?" war hier von allesentscheidender Bedeutung. Wie wurde also das heikle Thema im Hinblick auf den Plot ins Spiel integriert?
Gestartet wird jedenfalls in einem umzäunten und bewachten Komplex, welcher nicht nur durch das Nachtambiente äußerst düster wirkt. Sowohl Flaggen, Uniformen als auch die deutschen Akzente, lassen unmissverständlich die Parallelen zur Hitlerzeit aufkeimen (dies genügte wohl, um dieses Kapitel per "Rotstift" aus der deutschen Version vollständig zu entfernen).
Zum Ende dieses Spielabschnittes befindet man sich in einem Bunker. Hier kommen dann sogar mystische Stilmittel zum Einsatz (die hingegen aber
nicht voraussehbar gewesen sind). Sowohl der Genozid an den Juden als auch Menschenexperimente reihen sich in das Leitmotiv der Handlung ein.
Unvorhergesehene Spielelemente und deren DeutungWas mich gleich vom Start weg verwunderte: Nimdok ist der erste Charakter, der
keinen Hunger verspürt. Fütterte ihn AM etwa? Oder war er durch seine Gräueltaten dermaßen "satt", dass ihn der AMsche Plagegeist nicht mit einem leeren Bauch in diese Prüfung schickte? Jedenfalls kann unser Doktor nichts Ess- bzw. Trinkbares zu sich nehmen. Alle Versuche werden mit genau
dieser Aussage quittiert.
Ebenfalls ein wenig abstrus: Schon nach wenigen Spielminuten soll Nimdok in einer Art "Schauarena" einen Patienten näher "untersuchen". AM will sofort sehen, wie der Spieler mit dieser Stresssituation umgeht. Mehrere Handlungsmöglichkeiten werden bereits in dieser frühen Phase des Kapitels dem Spieler zur Verfügung gestellt.
Im Bunkerabschnitt wird der Spieß umgedreht. Nimdok wird nun zum Gejagten und hat ein (vermeintliches - zeitlich begrenztes) Ultimatum, um sich (lebend) aus der Affäre zu ziehen. Uns stehen auch in diesem Abschnitt mehrere Möglichkeiten zum Handeln zur Verfügung. Häufiges Speichern ist oberstes Gebot, da die vielfältigen Alternativen auch schnell in einer Sackgasse enden können (später dazu mehr).
Größter OHA-Moment für mich war die Entdeckung
eines Golems. Mystisch-jüdische Aspekte wurden eingewoben, um die große Weisheit, aber auch Verletzlichkeit (ein Golem unterwirft sich seinem Meister) des Judentums zu portraitieren. Das Golem-Überraschungsmoment habe ich jedoch positiv aufgenommen, denn eine gewisse Faszination haben die letzten 5 Spielminuten dieses Kapitels geprägt. Geschickt wurde die Aufarbeitung menschlicher Sünden/Freveltaten in den Spielablauf implementiert. "Jemanden den Spiegel vorhalten" (Achtung: Tipp!) erhält in dem Zusammenhang metaphorisch eine äußerst prägnante Bedeutung.
Was fiel Besonders auf?Gleich mehrere Sachen muss ich ansprechen. Numerisch schlüssele ich das Ganze mal wie folgt auf:
1. Größtes Manko gleich vorweg: Wie in keinem anderen Kapitel (Ted außen vor - da bis zum heutigen Tage noch nicht ge-/bespielt) schlägt einem eine große
Trail&Error Gefahr entgegen, beispielsweise
2. Leider hat das Kind den gleichen Synchronsprecher erhalten, wie der Junge in Bennys Abschnitt.
3. Immerhin hat man die Möglichkeit (auch im Hinblick auf die Trial & Errors) das Kapitel im Bunkerabschnitt anderweitig zu beenden. Hier kann also eine Parallele zur Gorrister Geschichte gezogen werden, denn dort war ein alternatives Beenden des Kapitels ebenso möglich.
4. Mal wieder ein Item-Fehler (siehe auch Kapitel von Gorrister):
Nachdem man die Zange genommen hat, bleibt der Hotspot an dieser Stelle weiterhin aktiv. Eine erneute Aufnahme des Utensils wird dadurch (fälschlicherweise) gewährleistet.
KurzresümeeNimdoks Geschichte konnte mich leider nicht vollständig mitreißen. Dennoch! Der dargebotene Handlungsstrang lässt den Spieler nicht nur einmal Gänsehaut bekommen. Zumal unser Protagonist nicht mal mehr weiß, was er im Vorfeld alles verbrochen hat. Diese Konstellation hat Mitgefühl für Nimdok in mir ausgelöst. AM, dieser fiese Haufen von Elektroschaltkreisen, hat mal wieder "Hütchen" mit unseren Gefühlen gespielt.
Exakt dieses sogenannte "Hütchenspiel" (Du kannst nur verlieren, da Du an der Nase herumgeführt wirst) wurde perfekt inszeniert. Weder Nimdok, noch wir als Spieler, wissen genau, was als nächstes passiert. Wird gedanklich ein "Stein ins Rollen" gebracht und man denkt: "Aha...nun wird sicherlich das und das kommen/folgen..." Zack! Wird man von AMs perfidem Spiel eines Besseren belehrt.
Wieso, fragt Ihr Euch sicherlich jetzt, hat mich diese Kurzgeschichte nicht vollends gepackt? Zum Einen war es sicherlich die immense Vorfreude auf Nimdok, wodurch ich vermutlich mit zu viel Erwartungen ins Spielgeschehen eingestiegen bin. Zum Anderen wiegen natürlich die Sackgassenmomente schwer, die zwingend zum Neustart bzw. Laden eines älteren Spielstandes führen.
Bemerkenswert ist auf alle Fälle, dass Nimdok in seinem Kapitel Benny erwähnt. Wenn ich mich nicht täusche, so ist solch ein personeller Querverweis unter den letzten fünf Menschen bis dato einmalig. Auf alle Fälle wissen wir nun, dass AM sich mit Absicht (unterstelle ich jetzt einfach mal so) der Gräueltaten des Nationalsozialismus bedient hat, um Benny zum Krüppel zu machen.
Nun fehlt nur noch eine Person, die AMs "Prüfung" bestehen muss. Ted ist seine Name und er wird vom Handbuch wie folgt beschrieben:
"Ted ist ein zynischer Paranoiker. Sein Blick jagt unruhig umher, als rechnete er ständig mit einem Heckenschützen, der auf seinen ungeschützten Kopf zielt. Er ist derart unruhig, daß jemand, der in einen Ameisenhaufen getreten ist, gelassen neben ihm aussähe."