Willkommen bei
 Kult-Magazine
 Kultboy.com-Inhalte
 Interaktiv
Neues Mitglied: Doc Mnemonic
 Sonstiges




Firmen


Ascaron
Gehe zu:
„Der Tag, an dem wir uns nicht verbessern, ist der Tag, an dem wir einen Schritt zurück machen“
Firmenmotto von Ascaron – 1991 - 2009


Ascaron (genauer: ASCARON Entertainment GmbH) bestand von 1991 bis 2009 und hat in erster Linie auf dem deutschen Markt auf sich aufmerksam gemacht durch die gut durchdachten Wirtschaftssimulationen wie Patrizier, Anstoss oder Port Royale und überraschenderweise sogar weltweit durch das Action-RPG Sacred.
Ascaron hatte seinen Sitz in Gütersloh. Nicht immer firmierte Ascaron als Ascaron Entertainment GmbH, bis Oktober 1996 hieß die Firma noch ASCON Software GmbH, danach war es die Ascaron Software Publishing GmbH, und seit 2002 die bis heute bekannte Ascaron Entertainment GmbH.

Zur Bedeutung des Namens Ascaron wurde vor einigen Jahren im offiziellen Forum folgendes Posting von Eric Deters (Finanzchef der Firma) veröffentlicht:

Ascon (der ursprüngliche Name) sollte einfach nur möglichst weit vorne im Alphabet stehen, da bot sich das "A" an. Danach war er bei der Namensfindung schnell bei "As", weil ein As ein positiver Begriff ist. Das "con" kam hinzu, weil es irgendwie technisch klang und damit für Computerspiele passte. Als dann die Firma "Ascom" wegen "phonetischer Verwechselungsgefahr" damit nicht einverstanden war, wurde das alte Kunstwort "Ascon" zwar phonetisch verändert, jedoch so, dass aber eine grundsätzliche Wiedererkennung der Marke bei den Kunden erhalten blieb. Es entstand "Ascaron".

Was war vor Ascaron?
Mehr oder weniger nahm alles seinen Lauf mit Holger Flöttmann. Geboren ist er 1966 in Gütersloh und arbeitete zunächst als freier Mitarbeiter bis er 1987 dann sogar Art Director der Rainbow Arts GmbH wurde (beteiligt z.B. an In 80 Days around the World oder Jinks). 1988 war er Mitbegründer der Thalion GmbH und wurde dort Geschäftsführer. Dort entstanden unter seiner Regie bekannte Spiele wie Dragonflight, Chambers of Shaolin und Warp - interessanterweise zuerst auf Atari ST programmiert, eine Plattform, die leider schon bald der Vergessenheit anheim fiel. Später veröffentlichte Thalion noch Amberstar, ein Mega-Rollenspiel für den Amiga, aber das war nach dieser Zeit.

1991 gründete Holger Flöttmann dann die Ascon Software GmbH, ebenfalls in Gütersloh. Zuerst nur als Publisher tätig (Monster Business, Think Cross und Turn it 2), doch immer mit dem Ziel, eigene Spiele zu programmieren. Die erste eigene Veröffentlichung war Patrizier, die richtig einschlug.

Damals, als es noch ASCON hieß
Unter dem Firmennamen "Ascon" wurden bis Oktober 1996 folgende Spiele veröffentlicht:

Juni 1992 - Patrizier als Diskettenversion für Amiga, Atari ST und PC. Unter anderem waren daran Bernd Ludewig und Celal Kandemiroglu beteiligt.

Februar 1993 - Der Patrizier als CD-ROM-Version.

Mai 1993 - Der deutsche Patrizier wird zu The Patrician in England und Frankreich.

November 1993 - Endlich: Anstoss erscheint nach sechs Jahren Entwicklungszeit und begründet die vielleicht beliebteste Fussballmanager-Reihe. Schade nur, dass dieses Spiel automatisch nach zehn Saisons beendet ist. Gerald Köhler erwirbt sich damit als Konzeptautor und Game Designer erste Meriten. Anstoss beruht auf dem seit 1987 in GFA-Basic für den Atari ST privat programmierten Kicker, welches über Kleinanzeigen im ST Magazin vertrieben wurde. Holger Flöttmann gab zu der Zeit gerne zum Besten, wie er 1992 in London in der Badewanne das Handbuch von Kicker las und sofort wusste, dass er dieses Spiel veröffentlichen würde. Bemerkenswert ist, dass trotz ursprünglicher Konzeption auf dem ST Anstoss selber nur am PC und für den Amiga erschien. Grober Schnitzer. ;-)

Dezember 1993 - The Patrician erscheint auch in den USA, wird dort allerdings – wie bei europäischen Spielen so üblich – eher mäßig angenommen.

Juni 1994 - Anstoss kommt mit gesprochenen Kommentaren auf CD-ROM, Anstoss World Cup Edition erscheint. Rechtzeitig zur WM 1994.

Juli 1994 - Hanse - Die Expedition kommt auf den Markt, eine weitere historische Wirtschaftssimulation, zumal Neuauflage eines C64-Klassikers
August 1994 - On the Ball (Anstoss auf Englisch) erscheint in - England.

November 1994 - Doppelpass kommt, beide erfolgreichen Anstoss-Teile auf einer CD.

Februar 1995 - Carton Rouge league édition, das französische Anstoss wird veröffentlicht.

Januar 1996 - Pole Position erscheint, die Formel 1-Teamchef-Simulation. Das erste Spiel mit dem westfälische Urgestein Dag Winderlich als Soundkomponist. Wir werden seine Sprüche noch in Anstoss oft genug zu hören bekommen… „Macht sie fertig!“

April 1996 - Elisabeth I. wird veröffentlicht, das letzte Spiel unter dem Label ASCON.

Mit Patrizier, Hanse und Elisabeth I. sind also allein drei historische Wirtschaftssimulationen im Portfolio, hinzukommen dann Anstoss und - etwas ungewohnt - Pole Position als sehr technisch orientierte Simulation. Aber mit Neuerungen nicht genug, denn nun folgte die Zeit nach der Umbenennung in "Ascaron".

Die Umbenennung war nötig geworden, da es Verwechslungsschwierigkeiten mit der Firma Ascom aus der Schweiz gegeben hatte.

Neustart mit neuem Namen
November 1996 – Das Hexagon-Kartell kommt auf den Markt, und räumt teilweise Traumnoten ab (PC Games 91%!). Wer hätte gedacht, dass eine kleine Softwareschmiede diese Noten mit einer militärischen Hubschraubersimulation abräumt?

März 1997 - Nachdem lokalisierte Versionen von Pole Position auch in England und Frankreich erschienen sind, legt Ascaron Vermeer neu auf. Nicht ganz der Brüller, aber für Hot-Seat-Abende noch immer erste Wahl. Außerdem läuft’s unter Windows 95. Sofern das denn mal läuft. Erstaunlicherweise war Gerald Köhler auch hier für das Spielkonzept verantwortlich.

Und dann kam der August 1997. Anstoss 2 erscheint und setzt Maßstäbe im Fussballmanager-Genre, die nur durch den eigenen Nachfolger übertroffen werden konnten. Anstoss 2 ist tiefgehend, überzeugt mit auch heute noch spannenden 3D-Szenen und einem Humor, der in der Spieleszene seinesgleichen sucht. Die Verlängerung zu Anstoss 2 kommt dann im Februar 1998, Anstoss 2 Gold im September 1998. Für die Stimmenimitation zeigt sich Matthias Knoop verantwortlich, allein der Abspann von A2 Gold ist immer wieder ein Genuss.

Danach macht Ascaron sich auch auf der Playstation breit: Die Motorradrennsimulation Grand Prix 500 ccm erscheint für PC und PSOne.

Auch, wenn Ascaron bisher schon ganz ordentlich produziert hat, und die Spiele allesamt überzeugen konnten – mehr oder weniger – so war der richtig große Wurf noch ausgeblieben. Das sollte sich im bis dahin besten Jahr für Ascaron, dem Jahr 2000 ändern: Anstoss 3 wurde veröffentlicht, und im Herbst erscheint Patrizier 2 – beide Spiele verkaufen sich millionenfach und sind bis heute Referenzen in ihrem Genre. Auf dem Höhepunkt des Schaffens verlässt Gerald Köhler, der Autor von Anstoss, Ascaron und wechselt zu EA. Für Fans bis heute nicht zu verschmerzen – stellt euch vor, der FM mit dem ascarontypischen Humor? Albert Streit mit der Eigenschaft „Geldgeier“? Ein Traum.

Auch die Marketingmaschinerie kam ins Rollen: Neben Kaffeebechern mit Pallinos, Mauspads und Pallino-Pins gab es auch etliche T-Shirts und heute legendäre gelbe A3-Trikot, die nicht mehr erhältlich sind. Anstoss 3 war so erfolgreich, dass ein AddOn namens Golden Goal angekündigt wurde. Dieses wurde im Frühjahr 2001 allerdings schon bald wieder abgeblasen, ohne dass je konkret auf mögliche Features oder gar Gründe eingegangen wurde. Es gibt zwar auch heute noch eine Stellungnahme von Ascaron zur Absage im Netz zu finden, diese ist allerdings in bestem Marketingdeutsch gehalten. Wesentlicher Grund sollte die Vereinbarkeit der neuen Features mit dem bestehenden Programmiergerüst sein. Das wäre mit Anstoss 3 nicht der Fall und sollte erst mit der kompletten Neuprogrammierung des Nachfolgers realisierbar sein.

Doch Anstoss als Marke kam nicht zur Ruhe. Was EA heutzutage als Football Fusion bewirbt, hat Ascaron schon 2001 vorgemacht: Anstoss Action erscheint, ein Rivale zur damals schon vorherrschenden FIFA-Reihe, aber kein ernsthafter Konkurrent. So war jeder in der Lage, seine in Anstoss 3 gemanagte Mannschaft auch live per Gamepad zu steuern.

Danach kam Ballerburg, ein Remake eines wiederum sehr erfolgreichen Atari-ST-Public Domain-Spiels und im Juni 2002 nach einigen Verzögerungen dann Port Royale. Hier spielen sich Dramen ab, da Port Royale bugverseucht ist und Ascaron neben den fehlerbehebenden Patches zusätzlich mit einem kostenlosen Mini-AddOn die Gemüter besänftigen muss. Port Royale war nach Patrizier II das nächste große Projekt von Daniel Dumont, der heute Kopf der Gaming Mind Studios ist, die jüngst für Patrizier IV verantwortlich waren.

Heute nur noch eine Randbemerkung in der Videospielgeschichte: Das Spiel Artefact. Neben dem oben genannten Golden Goal ist dieses Spiel erstaunlich unspektakulär in der Versenkung verschwunden. Indiana Jones meets Commandos war der Tenor des in Iso-Ansicht spielenden Taktik-Adventures. Ursprünglich für Ende 2001 angesetzt, wurde es bald auf das 2. Quartal 2002 verschoben und im Spätsommer 2002 als „cancelled“ bekannt gegeben. Inwieweit die Insolvenz in 2001 Schuld an der Einstellung des den Screenshots nach ambitionierten Projektes war oder ob interne Gründe dagegen sprachen, ist bis heute ungeklärt.

Kurios ist allerdings, dass das Intro 2002 von Artefact den Animago-Preis in der Kategorie „Professional Animation – Game Design“ gewonnen hat – obwohl dieses Spiel, geschweigedenn das Intro je das Licht der Welt erblickten. Auf meine Rückfrage im Jahr 2008 bei dem Subunternehmer Light Works, ob das Intro denn heutzutage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könne, hielten sich die Mitarbeiter bedeckt und sagten nur, die Rechte lägen weder bei der Firma Light Works noch bei Ascaron. Artefact bleibt ein Rätsel.

Raue Zeiten
Bereits im September 2001 hieß es, dass Ascaron Insolvenz anmelden musste. Im Februar 2002 dann konnte die Rettung vermeldet werden, so dass der Spielenachschub für die zahlreichen Fans gesichert werden konnte.

Auch die bevorstehende Veröffentlichung von Anstoss 4 lieferte dem Lieblingsintimfeind EA einen Grund, eine einstweilige Verfügung gegen Ascaron zu erwirken. Grund waren die scheinbar von Ascaron größtenteils aus dem Datenpool von EA übernommenen Spielerdaten, die im vorab veröffentlichten Editor von Anstoss 4 zu finden waren. Im Endeffekt wurde dann vor dem Landgericht Hamburg ein Vergleich geschlossen. EA hingegen nutzte diesen Vergleich zu einer Pressemitteilung, die wiederum Ascaron zu einer Antwort verleitete. Diese hingegen verlief im Sande, da Ascaron offenbar einen Gang vors Gericht scheute.

Neben dem Streit mit EA mussten dann erneut einige Mitarbeiter auf die Straße gesetzt werden, da es erneut Liquiditätsschwierigkeiten zu geben schien. Viele dieser Mitarbeiter tauchen in Zukunft allerdings als freie Mitarbeiter in etlichen Credits wieder auf.

Neue Rekorde
Anstoss 4 war das erste Projekt von Guido Eickmeyer, der die Anstoss-Serie noch ein paar Jahre begleitete und nun bei Deep Silver beschäftigt ist – und ironischerweise dort in der Funktion als Executive Producer mit dem Release von Sacred 2 betraut war. A4 sollte als komplettes Neuprodukt die mangelnde Kommentierung des überfrachteten A3-Quellcodes beseitigen und gleichzeitig mit neuen Features dem aufkommenden FM von EA Paroli bieten. Als erstes Spiel – oder zumindest eines der ersten Spiele – erschien es im Herbst 2002 nur auf DVD. Ascaron bot damals im Webshop Bundles mit DVD-Laufwerken und Anstoss 4 zu günstigen Preisen an. Inwieweit das ein Erfolg war, lässt sich heute nicht mehr sagen. Die Vorfreude in der Community war jedenfalls groß – die Ernüchterung nach der Installation ebenso. Das Spiel war steril, langweilig, fehlerhaft und einfach kein Anstoss mehr. Die Testergebnisse waren verheerend. Das hatte Folgen.

Ascaron gab nach einigen Monaten Teil 4 quasi zum Einstampfen frei, da gegen eine geringe Aufzahlung und Einsendung seiner Anstoss 4-DVD jeder Spieler die Anstoss 4 Edition 03/04, eine grundlegend überarbeitete Version erwerben konnte. Anstoss 4 ist auch nach vier Patches heute m.E. unspielbar, da nach einigen Saisons ein Absturz produziert wird – allerdings spielt diese Anstoss-Version keiner mehr freiwillig, so dass hier nur auf eigene Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann. Die Edition war zwar immer noch ein Anstoss 4, aber schon deutlich griffiger.

Gleichzeitig mit der Edition im Oktober 2003 erschien das Spiel Piraten – Herrscher der Karibik, ein Port Royale meets Pirates!-Mix, der allerdings mangels konsequenter Ausrichtung nett anzuspielen war, aber stark an Motivation nachließ.

Was niemand vermutete war, dass Ascaron von der insolventen Firma Ikarion die Rechte für das DSA-Computerspiel Armalion aufgekauft hatte und daraus ein eigenes Spiel machen wollte. Aus Armalion wurde 2004 Sacred, das bis dato erfolgreichste deutsche Action-RPG mit inzwischen weltweit über 2 Millionen verkauften Exemplaren. Es folgte neben der „Neuen Auflage“ ein halbes Jahr nach Veröffentlichung noch ein Add-On namens Underworld und die obligatorische Gold-Auflage anderthalb Jahre nach Erstveröffentlichung. Bemerkenswert in diesem Spiel sind die unglaublich vielen Insidergags und die bekannten Synchronsprecher der Hauptcharaktere (der Dunkelelf spricht wie Nicolas Cage, der Gladiator hat Bruce Willis´ Synchronstimme). Allerdings machte Ascaron seinem Ruf wieder alle Ehre, was die Buganzahl und die Menge der benötigten Patches anging. Die sog. neue Auflage war im wesentlichen „Sacred wie es zu Beginn hätte sein sollen“. Es gab nicht wenige Reviews, die Sacred allein wegen der Bugs abgewertet haben. Dennoch: ein auch heute noch faszinierender Diablokonkurrent.

Dank des finanziellen Erfolges von Sacred war Ascaron vorerst gerettet und brachte zudem mit Anstoss 2005 eine erneut überarbeitete und erweiterte Version der Anstoss-Reihe im Midpricesegment raus. Allerdings hielten sich a) die Änderungen in Grenzen (u.a. neue Europapokalkonstellationen) und b) waren auch hier wieder einige Patches nötig, um das Spiel stabil zum Laufen zu bekommen. Hinzu kamen 2004 Port Royale 2 (eine Handelssimulation in der Karibik, nur deutlich actionorientierter als der Vorgänger) und Vermeer 2.

Wie gewonnen, so zerronnen
Die Luft und die Spannung aus dem Spieleportfolio war Anfang 2005 raus. Sacred 2 war nicht offiziell angekündigt, aber dank des Erfolges mit Sicherheit zu erwarten; dazu sollte es für die Nicht-Monsterschnetzler endlich ein neues Anstoss geben, nur diesmal _wirklich_ neuprogrammiert (Anstoss 4, die Edition 03/04 und Anstoss 2005 basierten alle auf dem gleichen Gerüst, was Ascaron analog zu EA auch schon den Ruf eines „Jahresupdaters“ einbrachte). Dazu sollte Darkstar One erneut eine Nische füllen, was im Mai 2006 auch mit hohen Wertungen eintreten hätte können. Leider verkaufte sich das Weltraumspiel nicht so gut wie erhofft, so dass die Zukunft der Firma aufgrund der hohen Investitionen in den Sacred-Nachfolger zwischenzeitlich am neuen Anstossteil hing.

Anstoss 2006 – so hieß es zu Beginn – wurde bald zu Anstoss 2007. Entgegen der Ankündigung basierte A07 dennoch wieder auf der Engine der Vorgänger und strotzte trotz Multiplayer-Funktion im Netzwerk vor Bugs, dass es noch heute einem Betatester die Schamesröte ins Gesicht treibt. Trotz mehrerer Patches ist das Spiel bis heute unfertig, da das Unternehmen nach einer Kosten-Nutzen-Analyse die Abteilung „Anstoss“ schlichtweg komplett schloss. Das Kapitel Anstoss 2007 ist eines der finstersten in Sachen Fehlerbehebung, die selbst Gothic 3 in den Schatten stellen dürfte. Für manchen der Beteiligten war das übrigens das letzte, was man in Sachen Software von ihnen gehört hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Was blieb, war die Hoffnung auf einen ähnlichen Blockbuster wie Sacred. Tortuga – Two Treasures, ein Pirates!-Verschnitt in 3D, der schon seit Jahren in der Entwicklung war und als Nachfolger zum Piratenspiel aus 2003 gedacht war, wurde in der Konzeptionierung mehrfach umgeworfen, um dann auf der Fluch-der-Karibik-Welle zumindest ein wenig Erfolg zu haben.

Langsam wurde die Situation brenzlig: 2006 wurde ein Verlust von 3 Mill. EUR bilanziert. 2007 waren es noch weitere 3,9 Mill. EUR. 2008 gar katastrophale 7,4 Mill. EUR. Abzüglich des neu in die Firma gesteckten Eigenkapitals durch neue Gesellschafter trug Ascaron per 31.03.2008 eine Überschuldung von 8,8 Mill. EUR vor sich her, die notdürftig durch „nicht aktivierbare Vermögensgegenstände“ ausgeglichen werden sollten.
Im Oktober 2008 war es dann endlich soweit. Sacred 2 wurde veröffentlicht!

Großes Merchandisingbrimborium: T-Shirts, Collectors Edition mit HD-Texturen, Resinfiguren, Hörspiele und Soundtrack-CDs. Community-Wettbewerbe wie der Ladespruchwettbewerb (beim Ladebildschirm wurden zufallsmäßig „silly messages“ aus der Community eingeblendet, wie z.B. „LOAD "Sacred2",8,1“ oder „---Implementing Ha-Do-Ken for Seraphim...“ – insgesamt 533 Stück). Dazu ein besonderes neues Feature: man durfte und sollte die Sacred-2-DVD an Freunde ausleihen und das Spiel auf so vielen Rechnern installieren, wie man wollte: einige Stunden durfte sich jeder am Spiel austoben, bevor dann am Folgetag die „kostenfreie Demo“ in eine Vollversion umswitchte und den Produktcode forderte, der für 50 EUR zu haben war. Dazu prominente Unterstützung wie z.B. neben dem Storydesigner Bob Bates auch die Metaltruppe “Blind Guardian“, die einen exklusiven Auftritt im Spiel haben. Alles in allem eigentlich sämtliche Mittel, um ein Spiel weltweit erfolgreich zu pushen.
Inwieweit das Spiel nun auch erfolgreich war, lässt sich nicht eindeutig benennen. Fakt ist: Offenbar wurden von dem Spiel nicht so viele Exemplare abgesetzt wie gewünscht – für ein AddOn namens „Blood & Ice“ hat es aber gereicht. Es war kein Geheimnis, dass nach den Flops mit Anstoss 2007 und Tortuga – Two Treasures vereinigt mit der langen Entwicklungszeit von Sacred 2 Ascaron mit diesem Spiel einen Erfolg erzielen musste, um weiterhin überleben zu können. So erreichte Sacred 2 in Deutschland zwar den Gold-Award des BIU für mehr als 100.000 verkaufte Exemplare – aber die hochgesteckten Ziele wurden offenbar mehr als verfehlt.

Am 18.04.2009 stellte Ascaron den zweiten und letzten Insolvenzantrag. Am 10.09.2009 wurde die Firma von Amts wegen aufgelöst. Damit schließt sich eines der erfolgreichsten Kapitel der deutschen Spieleentwicklergeschichte für alle Zeiten. Das AddOn für Sacred 2 wurde nicht mehr von Ascaron bzw. Studio II veröffentlicht.

Kalypso Media hält nun die Rechte an Patrizier, Port Royale, Anstoss, Darkstar One, Hanse, Vermeer, Elisabeth, Pole Position, Tortuga und Ballerburg.

Publisher-Tätigkeit
Für ein paar wenige Spiele versuchte Ascaron sich in Deutschland auch als Publisher für fremde Spiele, die von anderen Programmiererteams hergestellt wurden und für den deutschen Markt lokalisiert und veröffentlicht werden sollten. Dazu gehören:
Monster Business, Think Cross, Turn it 2 (1991)
• King of the Road (Sommer 2001)
• Big Scale Racing (Februar 2003)
• Devastation (April 2003)
• Arena Wars (Juli 2004)

Alle oben genannten Spiele waren eher mit mäßigem Erfolg gesegnet, obwohl z.B. Arena Wars im Juli 2007 sogar einen Nachfolger bekam, der aber bei einem anderen Publisher erschienen ist.

Tochterunternehmen
Die Ascaron Ltd. in Birmingham fungierte in erster Linie als Publisher für den internationalen Markt. Einige namhafte Spiele sind im Ausland von Ascaron publiziert worden (z.B. Trackmania United).

Das Studio II in Aachen war für die Entwicklung von Sacred und Sacred 2 zuständig. Im Rahmen der Insolvenz wurde auch diese GmbH zerschlagen.
Die Quality Four GmbH in Potsdam wurde als externer Testdienstleister gegründet, um Spiele – eigene oder fremde – auf Fehler zu testen. Ironischerweise hätte Ascaron diesen Dienstleister in seinen letzten Jahren dringender nötig gehabt als so manch anderer.

Fazit
Ascaron machte zu besten Zeiten viel von sich reden. Allerdings ist es mehr als offensichtlich, dass intern so manches Rad nicht in ein anderes griff. Dazu kam die immer weiter fortschreitende Bugseuche, die in späteren Spielen manches vom guten Ruf der Firma zerstörte. Wenn es eine Firma gibt, die durch Managementfehlentscheidungen zugrunde ging, dann ist es Ascaron. Dass Ascaron sich komplett von der umfangreichen Anstoss-Community abgewendet hat, hat viel Kredit in der Öffentlichkeit gekostet. Die Forderungen der Fans nach weiteren, gut ausbalancierten WiSims, wie es Patrizier und auch Port Royale 1 waren, wurden zugunsten von erfolglosen Casual Games und dem Zufallstreffer Sacred ignoriert. Hohn der Geschichte, dass die Programmierertruppe „Gaming Minds Studio“ um Daniel Dumont in 2010 mit Patrizier IV einen beachtenswerten Erfolg erzielen konnte. Wie viel Geld für Sacred 2 verbrannt wurde, kann gar nicht erst in Erfahrung werden. Über die tatsächlichen, benennbaren Ursachen der Insolvenz möchte ich hier abseits von recherchierbaren Fakten aber nicht spekulieren. Zum einen gibt es einen „Roten Faden“, der sich auch in diesem kurzen Bericht schon gut nachvollziehen lässt, zum zweiten hat die Gamestar in der Ausgabe 09/2009 einen umfangreichen – wenn auch sehr plastischen – Bericht dazu veröffentlicht.

Wer übrigens Sacred 1 und/oder Sacred 2 je gespielt hat, könnte meine Bekanntschaft dort gemacht haben: Neben einem Eisgoblin-Championgegner in Sacred 1 mit meinem Nick gibt es auch einen Grabstein in Sacred 2, der meinen Nick trägt – und auch meine „Silly Message“ beinhaltet. Begebt euch ruhig mal auf die Suche.

© des gesamten Textes bei Berghutzen


Quellen:
wikipedia.org
heise.de
biu-online.de
unternehmensregister.de
ascaron.de (auf archive.org)
Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern
Eigene Recherchen / Erfahrungen

Weitere Links:
Bericht über Ascon (Amiga-Games-Sonderheft 1/94)
Bericht über Ascon (Amiga Joker 11/95)
Bilder:


Spiele: (17)


User-Kommentare: (22)Seiten: «  1 [2] 
29.01.2011, 10:59 SarahKreuz (10000 
Ich finde, man sollte Ascon / Ascaron in einem einzigen Thread hier zusammen bringen. Was meint ihr? Und was sagt der Kulty ? Ist schon irritierend hier nicht Patrizier, Anstoss 1 und co vorzufinden bei den Spielen.

Die Logos fehlen auch.
Kommentar wurde am 29.01.2011, 11:01 von SarahKreuz editiert.
29.01.2011, 10:29 SarahKreuz (10000 
Das Ascon (bzw Ascaron) auch als Publisher tätig waren ging irgendwie voll an mir vorbei. Erst, als es mal die Vollversion "Devastation" auf der beiligenden Cover-DVD der PC PowerPlay gab checkte ich das.
Ansonsten mag ich die Firma hauptsächlich wegen ihren ersten beiden (ersten drei im Grunde) Anstoss Spielen. Die hatten damit praktisch über Nacht den König (BM Professional) vom Thron gestossen und das Fussballmanager-Land regiert.
Anstoss haben selbst Leute gespielt, die mit Fussball eher weniger was anfangen konnten (dazu zähle ich auch). Es sah toll aus, hatte Humor und in der einfachheit der Bedienung steckte genug Tiefe um lange zu fesseln. Zu mehreren vor dem Bildschirm war Anstoss voll die Gaudi.

Mein Mitleid mit dem Untergang der Firma hält sich aber in grenzen. Sie haben`s selbst versaut. Auch wenn die Community ihre fehlerverseuchten Spiele mehr als einmal verziehen hat - irgendwann war schluß, und man hat kein Anstoss mehr gekauft. Basta. (selbst die Die Hard-Fans werden zugeben müssen, das es zwischen 2004 und 2005 der Fussballmanager von Electronic Arts war, der Anstoss vom Thron geschubst hatte )
Nach dem ersten Sacred galt das gleiche auch für mich beim Nachfolger: nochmal wird so ein Bugverseuchter Mist nicht gekauft. Der wird höchstens dann mal gekauft, wenn er für 5 Euro auf den Grabbeltischen von Saturn zu finden ist. (und das auch nur, weil bis dahin zahlreiche Patches erschienen sind)

Den interessanten Werdegang hier könnte man so zusammen fassen: jeder bekommt, was er letzlich verdient.
Kommentar wurde am 29.01.2011, 10:40 von SarahKreuz editiert.
28.01.2011, 13:40 Gast (24 
Apropos A2007, für mich als Fan der Anstoß-Reihe waren die Wertungen mit denen das Spiel fast reihrum bedacht wurde, angesichts der "Qualitäten" dieser Vollpreis - Beta, absolut unverständlich.
Das war fast schon Abzocke :(
28.01.2011, 12:20 Commodus (6223 
Die Links muss ich gleich mal weitergeben! Als ich selbst noch keinen Amiga hatte, bin ich immer zu einem Kumpel gefahren, um da die Actionkracher & Adventures zu zocken! Aber der hatte meist nichts besseres zu tun, als immer nur den BM Pro von Software 2000 zu zocken! Tagelang, Nächtelang...der Amiga war selten vom Netz abgekoppelt! Ich musste meist erst ne Stunde, vielleicht auch zwei, mit diesen Managern über mich ergehen lassen, bis er mal "Wings of Fury" oder "Indiana Jones 3" von Lucas Arts einlegte! Mit Anstoss 1 (Amiga) war es später genauso!

Aber so sind halt die Geschmäcker verschieden und zum Glück hatte ich ja später selbst einen Amiga!

Für diese Links wird er mir dankbar sein!
28.01.2011, 12:08 Berghutzen (3621 
Danke fürs Lob!

Wenn es dich interessiert: Für beide Manager gibt es noch rege Fanaktivitäten. M.E. ist die Anstoss-Riege noch etwas größer, da der letzte gute Bundesliga Manager der BMH von 1994 war; Ascaron mit Anstoss 3 erst im Jahr 2000 das Meisterstück abgeliefert hat.
Software 2000
Anstoss-Fans
28.01.2011, 11:10 Commodus (6223 
Ein absolut professioneller Bericht! Gefällt mir sehr gut!
Von Ascon bzw. Ascaron gefiel mir lediglich "Anstoss Action" am besten, was aber daran liegt, das ich Wirtschaftssimus weniger mag!

Anstoss Action löste bei mir das gute alte "Sensible World of Soccer" vom Amiga ab! Die Fifa-Reihe hab ich nie gemocht!

Wenn ich den Namen Ascon bzw. Ascaron höre, verbinde ich immer das Spiel "Der Patrizier" damit, welches ich aber nur wegen der schönen Grafiken angespielt habe! Die Anstoss Manager waren ja immer die Konkurrenz zu den Software 2000 Bundesliga Managern. Ich frage mich, welche Reihe die meisten Fans hatte?
24.01.2011, 17:19 Berghutzen (3621 
Beschreibung folgt von mir.
Seiten: «  1 [2] 


Du willst einen Kommentar schreiben?

Dann musst du dich nur kostenlos und unverbindlich registrieren und schon kann es losgehen!