Komme immer noch nicht über dieses üble Cover hinweg – insbesondere für eine Jubiläumsausgabe wirkt es doch geradezu nichtig. Andererseits fängt es ziemlich gut die Stimmung ein, wie sie zum Erscheinen dieser Ausgabe auf dem Amiga-Markt herrschte: Da stoßen zwei einsame, übriggebliebene Commodore-Dinos, deren Kollegen schon längst ins PC-Lager gewechselt sind, auf die alten, glorreichen Tage der "Freundin" an, so von wegen
"Ach weißt Du noch, damals? Mann, was waren das für Zeiten!" Im Hintergrund indes erwacht
Saurons Schicksalsberg zu neuem Leben und prophezeit unheilschwanger die wirklich düstere Amiga-Ära, die da noch vor uns liegen sollte! Angesichts dieses Endzeitszenarios hätten sich die beiden Dinos lieber gleich 'nen Kasten Bier in die trostlose Ödnis stellen sollen – wäre auch weitaus billiger gewesen! Selbst das "Editorial" schweigt das nunmehr vierjährige Bestehen des AJs fast tot, stattdessen lässt sich
Michael über die ewige Diskussion "Machen Spiele dumm und aggressiv?" aus.
"Bleibt uns zur Vier-Jahres-Feier des Jokers also tatsächlich nur die Feststellung, dass wir wohl oder übel damit leben müssen, wenn uns weite Teile der Bevölkerung auch weiterhin für abgewrackte Digital-Junkies halten, die nach dem letzten Bildschirm-Alien womöglich ihre kleine Schwester ins Jenseits pusten?" Nun, in Anbetracht der derzeitigen Amiga-Situation ganz offensichtlich schon...
Das missratene Titelbild spiegelt leider auch den wenig begeisternden Inhalt dieses Novemberhefts wider: Einzig und allein Thalions "Ambermoon" ist der strahlende Stern am herbstlichen Abendhimmel, den kläglichen Rest der in dieser Ausgabe getesteten Titel kann man wohl oder übel nur in die Schublade "unter ferner liefen" packen. Sicherlich, Neuerscheinungen wie etwa Team 17s Top-Down-Racer "Overdrive", Psygnosis' hektisches (und damit ein wenig an "Sonic" erinnerndes) "Wiz'n'Liz", der futuristische "Dungeon Crawler" "Hired Guns" für bis zu vier Spieler (ebenfalls vom gleichen Hersteller) oder MicroProses Geschichts-Flugi "Dogfight" sind jetzt keine Totalausfälle und dürften Genreliebhabern durchaus gefallen, aber absolute Überflieger, so wie sie vor noch nicht mal einem Jahr gang und gäbe waren, sucht man hier vergeblich. Ja, selbst die einstmals so vielversprechenden Previews, die in schönster Regelmäßigkeit ein vorfreudiges Lächeln aufs Gesicht so ziemlich jeden Amiga-Fans zauberten, sind mittlerweile zu einer schnell überflogenen Pflichtlektüre geworden! So weiß AJ-Redakteur
Mick Schnelle in diesem Monat über drei brandneue Games von Kompart zu berichten – doch wer zum Teufel ist Kompart eigentlich? Nie was von gehört! Wie auch immer, die hier vorgestellten Titel "Fatman: The Caped Consumer", "S.U.B." und "Survival" (welches meines Wissens nach nie für den Amiga erschienen ist), dürften so ziemlich alles sein, nur nicht spektakulär. Doch auch Psygnosis', mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte CD32-Hoffnung, "Microcosm", sollte sich im Nachhinein als höchst umstrittenes Spiel herausstellen, während Software 2000s
Karl May-Versoftung "Der Schatz im Silbersee" – obwohl im Amiga Joker 3/94 getestet – nie auf der "Freundin" erschienen ist...
Um die Anzahl der im November '93 besprochenen Spiele zu "strecken", bedient sich der AJ ein weiteres Mal der "Implementierung" äußerst fragwürdiger Low-Budget-Games, wie Team 17s "Qwak" oder Zeppelins "Arnie 2". Auch ein Diskettenmagazin - in diesem Falle die Amigo! – erfüllt in diesem Monat seine/ihre Pflicht, als Lückenbüßer einzuspringen – dumm nur, dass sich der darauf enthaltene Plattformer "Solius" als rechter Langweiler entpuppt... aber mal ehrlich, wen wundert's bei dem geringen Preis? Mal abgesehen von "Ambermoon" (welches man angesichts des mageren Softwareangebotes ruhig auf mehr als gerade mal zwei Seiten hätte vorstellen können), ist das einzige Highlight dieser Ausgabe wohl der "Pinball Fantasies"-Leser-Test, so traurig das auch sein mag. Darüber hinaus kann das einzige in diesem Monat getestete, speziell auf den A1200 zugeschnittene Programm "Overkill", ebenfalls nur mäßig begeistern – wo bleibt er denn nun, der oftmals so vielzitierte Softwareschub für die neuen AGA-Modelle?
Auch der in der 11/93 enthaltene Schwerpunkt "Was spielen die Promis?" entbehrt nicht einer gewissen Ideenlosigkeit sowie Unglaubwürdigkeit: So soll
Hannelore Kohl schon mal auf 'nem Kinderfest einen Hasen auf 'nem Amiga gezeichnet haben und Ex-Präsident
George Bush lässt sich von seinem Enkel in Sachen "Funktionalität des Game Boys" unterweisen... na, wer's glaubt... und, mal ganz davon abgesehen; interessiert sich wirklich jemand ernsthaft dafür? Dass der Papst nicht auch noch in diesem Bericht erwähnt wird, ist fast schon verwunderlich! "Abgerundet" wird das Heft schließlich noch durch das "allseits beliebte" Joker-Traditions-Rollenspiel "Dungeon Blaster III: Schorsch is back!", ein echtes "Must-have", also – na ja, sicherlich Geschmackssache...
Ergo: Für mich persönlich ist der Amiga Joker 11/93 das bislang schwächste Heft, das mir seit Lesen dieses Magazins (ab Ausgabe 1/92) untergekommen ist – da waren selbst die ebenfalls recht bescheidenen Nummern 2/93 und 3/93 noch weitaus ergiebiger! Zum Glück sollte die 12/93, also die Weihnachtsausgabe, wieder sehr viel besser werden. Ansonsten bleibt nur zu sagen: Abgesehen vom "Ambermoon"-Review, hätte man sich die November-Nummer eigentlich glatt sparen können...
Kommentar wurde am 07.02.2015, 14:40 von Bren McGuire editiert.